Mein Bezirk 2020: Das Wachstum der Wienerwald-Region nimmt kein Ende

- <b>Raumwissenschaftlerin Gerlind Weber</b> warnt unsere Gemeinden vor dem hohen Wachstum: "Sie müssen dagegensteuern!"
- hochgeladen von Thomas Prager
Serie Teil 1: Im Jahr 2030 sollen zusätzliche 10.000 Menschen im Raum Purkersdorf und Klosterneuburg leben. Dies stellt die Region vor große Herausforderungen.
BEZIRK. "Wir geben das meiste Geld dafür aus, mit der Infrastruktur immer wieder nachzuziehen", sagt Pressbaums Bürgermeister Josef Schmidl-Haberleitner. Das ist schon jetzt nötig, um den Bedürfnissen der wachsenden Bevölkerung gerecht zu werden. Denn bereits zwischen 2001 und 2015 wuchs die Region Purkersdorf und Klosterneuburg um 9.500 Menschen. Dieser Anstieg wird sich noch verstärken.
Die Statistik Austria prognostiziert, dass bis 2030 zusätzliche 10.150 Menschen hier leben werden. Bis 2050 könnte die Bevölkerung sogar um ein Drittel wachsen. In keiner anderen Region ist der Anteil an Zuwanderern aus Österreich so hoch wie in Purkersdorf und Klosterneuburg.
"Das bedeutet Verstädterung"
„Das wird für die Gemeinden eine Riesen-Herausforderung. Die Infrastruktur muss dann für viel mehr Menschen bereitgestellt werden, das betrifft Kindergärten und Schulen, aber auch den Bau von Straßen, Leitungen und Elektrizität“, warnt die Raumwissenschaftlerin Gerlind Weber und erklärt: "Sie stehen extrem unter Druck, weil es kaum freies Bauland gibt. Die Preise dafür werden daher stark steigen. Zudem stellt sich die Frage, wo die wachsende Bevölkerung noch untergebracht werden kann? Vielleicht müssen die Gemeinden Häuser aufstocken. Denn wenn sie nicht mehr nach außen wachsen können, geht es nur mehr nach oben. Auch Bauträger könnten Einfamilienhäuser aufkaufen, wegreißen und dann Wohnblocks hinstellen. Daher bedeuten diese Prognosen auch Verstädterung und Verdichtung." Das wollen unsere Bürgermeister nur im Zentrum zulassen: "Unsere Philosophie ist es, an der Peripherie zurückzuwidmen und im Stadtzentrum zu verdichten", erklärt Purkersdorfs Bgm. Karl Schlögl. Die gleiche Strategie verfolgt, laut Bgm. Josef Schmidl-Haberleitner, auch Pressbaum.
Während sie weiteres Wachstum begrüßen, steht Klosterneuburgs Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager diesem zurückhaltend gegenüber: "Grundsätzlich ist eine stabile Bevölkerungszahl etwas Positives. Infrastruktur und Finanzierung öffentlicher Einrichtungen können gewährleistet werden und die Handelsbetriebe haben ein gesichertes Umfeld. Durch Baulandverknappung, Rückwidmungen und Schutzzonen wurde die mögliche Baufläche und das Wachstum verringert. Das führt jedoch zu Gentrifizierung. Künftig wird die Standortwahl für Klosterneuburg wird durch den Geldbeutel entschieden werden."
10.000 Einwohner als Ziel
Für den Geldbeutel der Gemeinde will Schlögl in Purkersdorf weiteres "behutsames Wachstum". "Bis 2020 wollen wir die 10.000-Einwohnermarke überschreiten. Das bringt uns 2,1 Millionen Euro mehr an Steuereinnahmen. Das ist irrsinniges Geld bei einem Budget von 23 Millionen. Ideal wären für uns 12.000 Einwohner. Dafür haben wir auch die Infrastruktur. Mehr wollen wir nicht werden. Wir haben den Wachstumsschub aber schon hinter uns. Im Westen beginnt es jetzt. Das sieht man deutlich in Pressbaum", sagt Schlögl.
Dort gibt es noch Baulandreserven, wie Schmidl-Haberleitner erklärt: "Etwa 40 Hektar sind frei. Durch den Zuzug werden diese genutzt werden. Ich denke, so steuern auch wir auf die 10.000-Einwohnergrenze zu."
Gerlind Weber rät jedoch dazu, Maßnahmen dagegen zu ergreifen: "Die Prognosen würden den Charakter der Orte verändern. Die Leute sind ja nicht aus Wien hinausgezogen, um dann wieder in verstädterten Verhältnissen zu leben. Wenn alles bis auf den Wald verbaut ist, ist das kein idealer Wohnort mehr.
Doch das sind nur Prognosen. Sie treten ein, falls nichts geschieht. Doch das Wachstum ist steuerbar. Die Politik hat mit der Flächenwidmung das Instrument in der Hand. Sie muss stopp sagen. Man sieht an den Prognosen, dass es sonst kein Halten gibt. Daher sollten sie keinesfalls neues Bauland ausweisen, um dem Zustrom gerecht zu werden. "
Das ist auch nicht geplant. "Wir haben bereits nach dem enormen Zuwachs in den 90iger Jahren dagegen gesteuert und die Beubauungsmöglichkeiten reduziert. ", sagt Schlögl.
Doch auch wenn die Gemeinden der Region das Wachstum stoppen, hätte dieses Folgen: "Dann ist die Frage, wo diese Menge an Leuten unterkommt. Wahrscheinlich schwappt die Wanderdünne dann weiter nach außen. Der Speckgürtel würde dann immer breiter", prognostiziert Weber.
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ZUR SACHE: Das zweitstärkste Wachstum Österreichs
Die Bevölkerung der Region Klosterneuburg und Purkersdorf soll zwischen 1981 und 2030 um über 30.000 Menschen wachsen. So viele leben heute in den Gemeinden Klosterneuburg und Gablitz gemeinsam.
Diesen Anstieg sagt die Statistik Austria in der ÖROK (Österreichische Raumordnungskonferenz)-Prognose 2010 voraus. In dieser prognostiziert sie einen Bevölkerungsanstieg um 12 Prozent bis 2020, um 23 Prozent bis 2030 und sogar um 40 Prozent bis 2050. Zwischen 1981 und 2050 würde sich die Bevölkerung in der Region demnach nahezu verdoppeln.
Damit ist die Region Klosterneuburg/Purkersdorf jene mit dem zweitstärksten Wachstum in ganz Österreich – nur Schwechat wächst noch stärker. Sie umfasst den Teilbezirk Purkersdorf (Mauerbach, Gablitz, Purkersdorf, Tullnerbach, Pressbaum und Wolfsgraben), Klosterneuburg und Gerasdorf.
ZUR PERSON: Gerlind Weber
Gerlind Weber ist Raumwissenschaftlererin. Von 1991 bis 2012 war sie Ordentliche Universitätsprofessorin an der Universität für Bodenkultur Wien und leitete dort das Institut für Raumplanung und Ländliche Neuordnung. Zudem hielt sie Gastprofessuren an der ETH Zürich und der Kyoto University.
"Ich bin Planerin. Ich wage es in die Zukunft zu schauen und leite daraus Handlungsnotwendigkeiten und -Möglichkeiten ab", beschreibt sie ihre jetzige Tätigkeit.
Mein Bezirk 2020:
Gemeinsam mit den Bezirksblättern in die Zukunft blicken: Wie und wohin entwickelt sich unsere Region? Die Antworten auf diese Frage lesen Sie in unserer Kampagne "Mein Bezirk 2020", in der wir die Schwerpunkte Wohnraum, Verkehr, Infrastruktur, Wirtschaft und Freizeit aufgreifen werden.
Das Ende der sechsteiligen Serie ist eine Abschlussveranstaltung mit Podiumsdiskussion, die am 17. Juni um 19 Uhr im Wirtshaus Oliver in Wolfsgraben stattfindet. Anmeldungen unter purkersdorf@bezirksblaetter.at


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