Meteorologe: "Müssen auch in Zukunft mit Tornados rechnen"
Der Meteorologe Manuel Weber im Interview über die Schäden des Tornados und die Vorhersagbarkeit von derartigen Wettereignissen.
THAYA. Manuel Weber aus Oberedlitz ist Meteorologe und hat die Schäden des Tornados der Vorwoche eingehend analysiert. Wir trafen den 24-Jährigen zum Interview und wollten wissen wie ein Tornado entsteht, ob wir in Zukunft häufiger mit solchen Ereignissen rechnen müssen und ob man solche Wetterkapriolen überhaupt vorhersagen kann.
BEZIRKSBLÄTTER: Können Sie uns vielleicht kurz erklären wie ein Tornado überhaupt entsteht?
WEBER: Wichtig ist, dass es zu einer so genannten Windscherung kommt. Das bedeutet, dass in Bodennähe andere Windgeschwindigkeiten und -richtungen herrschen als in größeren Höhen. Dabei kommt es vereinfacht gesagt zu einer Rotationsbewegung. Wenn dann ein Gewitter dabei ist wird zusätzlich immer mehr Luft angesaugt, die Windachse kippt und wird gleichzeitig gestreckt. Man kann sich das wie bei einer Eiskunstläuferin vorstellen: Wenn sie die Arme während einer Piroutte nach oben streckt wird sie auch immer schneller.
BEZIRKSBLÄTTER: Sie waren tagelang in den Wäldern um Karlstein unterwegs. Woran konnten Sie erkennen, dass es sich tatsächlich um einen Tornado handelt?
WEBER: Es ist manchmal selbst für Experten mit jahrelanger Erfahrung nicht ganz einfach festzustellen, ob es sich um einen Tornado gehandelt hat. Gemeinsam mit Rainer Kaltenberger von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, der einiges an Erfahrung mitbringt, konnten wir aber die Spuren auswerten. Wenn die Bäume an mehreren Stellen nicht einheitlich in eine Richtung liegen, dann ist das schon verdächtig. Viele Bäume wurden einfach abgedreht. Dazu kam, dass das Schadensbild an sehr vielen Stellen sehr ähnlich war. Wir gehen davon aus, dass es sich um einen F2/T4-Tornado mit einer Geschwindigkeit in der Rotation von 180 bis 250 km/h gehandelt hat.
BEZIRKSBLÄTTER: Sind Ihnen schon einmal ähnliche Schäden untergekommen?
WEBER: Tatsächlich ja, während einer Reise nach New Orleans. In Österreich ist das aber das erste Mal.
BEZIRKSBLÄTTER: Werden derartige Wetterereignisse häufiger, oder täuscht der Eindruck?
WEBER: Die Kommunikation ist heute eine ganz andere und viel mehr Berichte über Wetter-Katastrophen werden öffentlich. Die Extremereignisse scheinen aber häufiger zu werden.
BEZIRKSBLÄTTER: Müssen wir in Zukunft mit weiteren Tornados rechnen?
WEBER: Ja, auf jeden Fall.
BEZIRKSBLÄTTER: Wie gefährlich war der Tornado in Karlstein für die Menschen?
WEBER: Natürlich ist es immer gefährlich, wenn durch einen Tornado Bäume ausgerissen werden. Bei stärkeren Tornados geht ein Großteil der Gefahr von den umherfliegenden Trümmern aus, wo sich Äste plötzlich durch Wände bohren. Das war in diesem Fall aber nicht so. Kein Vergleich zu dem Tornado, der 1916 Wiener Neustadt verwüstete. Damals gab es über 30 Tote.
BEZIRKSBLÄTTER: Ist eine gezielte Vorwarnung vor derartigen Ereignissen überhaupt möglicht?
WEBER: Für eine ganze Region ja, aber Gewitter ändern ihre Zugrichtung oft. Daher gibt es keine punktuelle Vorhersage für einzelne Orte. Auch bei diesem Unwetter war es so, dass es zunächst als recht unauffälliges Gewitter von Tschechien her Richtung Grenze zog. Erst bei Haugschlag erfolgte innerhalb von Minuten eine dramatische Verstärkung sowie eine Änderung der Zugbahn.
Zur Person
Manuel Weber studiert seit 2011 am Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien. Er steht kurz vor seiner Masterarbeit. Privat betreibt Weber hobbymäßig eine Wetterstation sowie Webcams in Oberedlitz. Die genauen Details seiner Schadensanalyse des Unwetters vom 21. auf den 22. Juli kann man hier nachlesen.
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