Mangelnde gefäßmedizinische Versorgung erhöht Mortalität von PatientInnen in Österreich
Österreichische Gesellschaft für Internistische Angiologie (ÖGIA) fordert Errichtung weiterer Gefäßzentren und meldepflichtiges Amputationsregister
Die ÖGIA und der Österreichische Verband für Gefäßmedizin (ÖVG) kritisieren scharf die derzeitige gefäßmedizinische Versorgungslage in Österreich. Wie eine soeben neu veröffentlichte Studie (Sept. 2016) zeigt, könnte mit einer Neustrukturierung der gefäßmedizinischen Versorgung durch Zentren die Überlebensrate von PatienInnen mit einer fortgeschrittenen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK), der sogenannten „Schaufenster-Krankheit“, deutlich gesteigert werden: Lag vor 20 Jahren deren 5-Jahres Mortalität noch bei nahezu 100%, so wurde deren Überlebensrate im niedergelassenen Bereich mittlerweile auf bereits 66% gesteigert. Im Versorgungsbereich eines Gefäßzentrums liegt diese jedoch bei 90,8%. Das heißt, das relative Risiko für den Tod (all-cause-mortality) von PAVK-PatientInnen lag während des Studienzeitraums im niedergelassenen Bereich 3,7 mal so hoch wie im Gefäßzentrum.
„Es wäre daher gesundheitspolitisch mehr als wünschenswert, die Einrichtung weiterer Hochleistungs-Gefäßzentren zu unterstützen, wie sie derzeit nur an den Universitätskliniken in Innsbruck, Graz und Wien umgesetzt sind“, betont Prof. Dr. Gerit-Holger Schernthaner, Präsident der ÖGIA und des ÖVG.
Fehlende Amputationszahlen in Österreich
Deutschland verzeichnet aktuell rund 60.000 Amputationen pro Jahr mit steigender Tendenz. Diese Zahl wird von Gefäßmedizinern als zu hoch kritisiert und auf die mangelhafte gefäßmedizinische Versorgung zurückgeführt. Sie ist mit jener in Österreich durchaus vergleichbar. Auf unsere Einwohnerzahl umgelegt wären das in Österreich rund 6.000 Amputationen pro Jahr. Aktuell gibt es dazu jedoch keine validen Zahlen. Die Medizin Statistik Austria verzeichnet nur 2.400 Amputationen pro Jahr, – eine Zahl, die ganz offensichtlich nicht stimmen kann. „Wir fordern die dringende Erhebung dieser Daten in Österreich, etwa in Form eines Amputationsregisters“, sagt Prof. Dr. Andrea Willfort-Ehringer, Leiterin des Katheterlabors der Abt. Angiologie an der Medizinischen Universität Wien.
Mangelnde gefäßmedizinische Versorgung
Eine neue, retrospektive Analyse einer Kohorte von etwa 42.000 stationären PAVK-PatientInnen mit 4.200 Amputationen aus der Datenbank der größten deutschen Krankenversicherung zeigt grobe Mängel in deren medizinischer Versorgung: „Erschreckend war vor allem die Tatsache, dass bei ca. 40% der amputierten PatientInnen vor der Amputation keine Angiografie stattfand (Bildgebung, die wichtige Informationen über Durchblutungssituation der Gliedmaße gibt) noch ein Revaskularisationsversuch (Maßnahme um Durchblutung zu verbessern) unternommen wurde“, beklagt Willfort-Ehringer. „Das ist nicht leitliniengerecht nach dem aktuellen Stand der Medizin und kann heute durchaus als Kunstfehler interpretiert werden“, so die Angiologin. „Eine Angiografie sowie ein Revaskularisationsversuch vor einer Amputation sind unabdinglich. Zudem sollte bei jeder Amputationsempfehlung eine Zweitmeinung aus einem Gefäßzentrum eingeholt werden“, fordert Willfort-Ehringer.
Optimale Versorgungsmöglichkeiten in Gefäßzentren
„In einem Gefäßzentrum arbeiten alle drei in die gefäßmedizinische Versorgung der PatientInnen involvierten Experten zusammen: Gefäßchirurgen, Gefäßradiologen und Gefäßinternisten (Angiologen)“, erklärt Prof. Dr. Ihor Huk, Leiter der Abt. Gefäßchirurgie der Medizinischen Universität Wien. Das Gefäßzentrum bietet allen PatientInnen eine „rund um die Uhr“-Betreuung (24 Stunden, 7 Tage die Woche), interdisziplinäre Gefäßkonferenzen (Gefäßboards) sind Standard. Wie alle Daten zeigen, ist dies die bestmögliche Versorgung für die PatientInnen. „Diese Struktur bringt auch Vorteile für die Arbeitsorganisation von ÄrztInnen mit geregelteren Arbeitszeiten im Kollektiv als es für niedergelassene – meist hochengagierte ‚Einzelkämpfer’ mit langen Arbeitszeiten – möglich ist“, so Huk. „Im Rahmen des „Österreichischen Strukturplan Gesundheit“ (ÖSG) gehen wir vom Bedarf einer Zentrumsdichte von je einem Gefäßzentrum für rd. 300.000 Einwohner aus. Das würde für Österreich rund 27 Zentren bedeuten“, erklärt Huk.
„Es ließen sich damit viele Leben retten und viele Amputationen verhindern“, zeigt sich ÖGIA Präsident Schernthaner überzeugt. „Die PatientInnen sollten auch langfristig an den Gefäßmedizinischen Zentren betreut werden, um nicht nur akut sondern auch nachhaltig das Langzeit-Überleben zu sichern“, so Schernthaner abschließend.
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