Er hält den Bahnhof am Laufen

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Die Nacht vom 31. August auf den 1. September wird Erich Rattensberger nicht so schnell vergessen. An diesem Montagabend verwandelte sich der Salzburger Hauptbahnhof erstmals in einen Zwischenstopp für tausende Flüchtlinge auf dem Weg nach Deutschland. Mit den hoffnungslos überfüllten Railjets aus Budapest rollte auch eine Welle der Hilfsbereitschaft der Salzburger Bevölkerung an.

Mittendrinnen: der Piesendorfer Erich Rattensberger. Als Teamleiter des ÖBB-Immobilienmanagments hat er alle verfügbaren Räume für Einsatzkräfte und freiwillige Helfer geöffnet. "Im Top 7 – dort wo jetzt im Bedarfsfall Frauen und ihre Kinder übernachten können – hatte das Rote Kreuz eine kleine Station zur medizinischen Erstversorgung eingerichtet, für die Caritas haben wir einen Raum zur Koordination der vielen freiwilligen Lebensmittel- und Kleiderspenden organisiert und alle zusammen haben wir geschaut, wie wir diese Nacht einfach nur gut rüberbringen", erinnert sich Rattensberger.

Von Kindern, die am Betonboden schlafen und Männern, die sich für den "Kummer" entschuldigen

In den frühen Morgenstunden des 1. September beschrieb er in einer E-Mail an den internen Krisenstab neben den organisatorischen Aufgaben auch seinen persönlichen Eindruck: "Alle angekommenen Menschen sind am Ende ihrer Kraft. Wenn man längere Zeit unmittelbar mit diesen armen, müden, hungrigen und durstigen Menschen zusammen in einer engen, heißen und lauten Umgebung verbringt, kann man erst das wahre Ausmaß erkennen. Kinder, die aufgrund ihrer Erschöpfung auf dem nackten Betonboden in einen tiefen Schlaf fallen. Frauen, die alleine mit ihren Kindern versuchen, etwas Essen zu bekommen, oder sogar eine Windel für das Baby. Männer, die weinen, weil sie niemanden haben, der ihnen erklären kann, wann sie und ihre Familien weiterreisen können. Unter jenen, die versuchen zu schlafen oder krank sind, aber nicht ins Spital wollen, weil sie dann den Anschlusszug verpassen würden, gibt es Männer, die uns geholfen haben, den Müll wegzuräumen, die anderen Familien als Übersetzer zu Seite standen und solche, die sich bei uns entschuldigten, dass sie uns so viel Kummer mit ihrer Reise verursachten."

96 Prozent der Züge planmäßig

Mittlerweile ist die Ausnahmesituation zum "Standard" geworden. Zusätzliche Müllcontainer auf dem Vorplatz, ein 24-Stunden-Dienst für die Toiletten sowie zusätzlich aufgestellte Toiletten-Container, "menschliche" Hinweisschilder als Ansprechpartner für Bahnreisende und andere sowie ein 24-Stunden-Bereitschaftsdienst des ÖBB-Immobilienmanagements machen die anfangs besondere Herausforderung nahezu alltäglich. Die Einsatzorganisationen haben ihre Tätigkeiten großteils auf den Vorplatz in Schallmoos und den Südtiroler Platz verlagert. Im Bahnhofsbereich selber sind die Flüchtlinge – bis auf die für Pkw gesperrte Tiefgarage – so gut wie nicht mehr wahrnehmbar. Einzige Ausnahme ist die Präsenz der Polizei, vor allem auf Bahnsteig 1 – denn von dort fahren die Pendlerzüge nach Freilassing.

"Wir wickeln die Situation jeden Tag aufs Neue wieder gut ab", so der Bahnhofsmanager nicht ohne Stolz. Dank der guten Zusammenarbeit mit der Stadt Salzburg, der Exekutive, dem Bundesheer und den Einsatzkräften funktioniere das sehr gut. Vor allem den vielen freiwilligen Helfern, die unter anderem bei der Caritas helfen, zollt er Respekt. "Innerhalb von drei Stunden stellen die 1.000 Mahlzeiten auf, das ist keine Kleinigkeit."

Rattensbergers Aufgabe ist es, neben der Unterstützung der Einsatzkräfte, den Bahnhof als solchen samt seinen Einkaufsmöglichkeiten und dem Durchgang zwischen Schallmoos und Elisabethvorstadt funktionsfähig zu erhalten. Trotz des Auf und Abs von Flüchtlingsströmen werden 96 Prozent des Bahnverkehrs planmäßig abgewickelt. Ausnahme ist der Zugverkehr nach München.

Lokalaugenschein im Dienst der Sicherheit

Unter "normalen" Umständen ist der Verkehrsknotenpunkt Hauptbahnhof Salzburg so ausgelegt, dass sich 2.300 Menschen gleichzeitig im Bahnhof, also in der Kassenhalle, auf den Bahnsteigen, in den Geschäften und in der Passage aufhalten. Zu Spitzenzeiten waren es in den vergangenen 60 Tagen 4.000 bis 5.000 Menschen. Die Zahl der Personen auf dem Bahnhof, vor allem jene der Flüchtlinge, schwankt ständig und kann sich aufgrund politischer Ereignisse entlang der Flüchtlingsroute über den Westbalkan rasch ändern. Die Anzahl der ankommenden Flüchtlinge erhält der Bahnhofsmanager über Voranmeldungen der Kollegen aus Wien. In den ÖBB-Zügen zählen die Schaffner mit und das ergibt dann – gemeinsam mit regelmäßigen Lokalaugenscheinen in den verschiedenen Bereichen des Bahnhofs ein Gesamtbild, das Rattensberger und seinem Team als Entscheidungsbasis gilt.

Dabei steht die Sicherheit an oberster Stelle. Der Bahnhofsmanager ist dafür zuständig, dass alle Reisenden – egal, ob Flüchtlinge, "normale" Reisende oder Shop-Kunden – sicher vom Bahnhofseingang bis zu den Bahnsteigen bzw. von den Bahnsteigen bis zum Ausgang, durch die Passage oder in das Notquartier in der Tiefgarage gelangen. "Angst muss keiner haben, ganz im Gegenteil. Wer Flüchtlingen begegnet, merkt schnell, dass sie Menschen sind wie wir", so Rattensberger.

Dass die Situation eine Herausforderung ist, stellt der Bahnhofsmanager nicht in Abrede. Dass der Salzburger Hauptbahnhof – wie die Westbahn kritisiert und angekündigt hat, deswegen kein Benützungsentgelt für den Salzburger Hauptbahnhof sowie den Wiener Westbahnhof zu bezahlen – "in keiner Weise der Bahnhofskategorie 1 entsprechende Qualität und Nutzungsmöglichkeiten für die Kunden" biete, wollen er und sein Team nicht so stehen lassen. "Wir haben seit Mitte August in Wien und Salzburg täglich rund 100 ÖBB-Mitarbeiter im Einsatz, damit alle Bahnfahrer ihre Züge weiterhin nützen können. Zweifellos kann die humanitäre Katastrophe nur mit einem gesamtgesellschaftlichen Schulterschluss bewältigt werden. Es ist daher besonders bemerkenswert, dass nun jemand aus der Not der Menschen Kapital schlagen möchte."

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