"Nüchtern betrachtet: Selbstmord ist nicht strafbar"
meinte ein juristisch ausgebildeter Bekannter trocken, als ich ihm von meinem Erlebnis von letztem Sonntag früh erzählte. Also warum die Polizei rufen, wenn man urplötzlich nicht nur nahe dabei sondern mittendrin ist, wenn einer einen Riesenblödsinn zu machen?
Wir waren zu Fuß zum Austria Center unterwegs. Am Fußweg der Wiener Reichsbrücke. Schon von weitem sahen wir einen jungen Mann mit seinem Freund mit nacktem Oberkörper am Geländerrand stehen. Es war einfach zu kalt, um dort mit nacktem Oberkörper zu stehen. Als wir näher kamen zog er sich auch noch seine Hose aus. Alles schien darauf hinzudeuten, dass er einen Sprung in die Donau vorbereitete. Wie wild schossen mir die Gedanken durch den Kopf, was ich denn nun tun solle. Warum half ihm sein Freund? Wortlos, ohne jede Ambition ihn zurückzuhalten, nahm er seine Kleider in die Hand.
Als Ortsunkundiger war mir auch nicht bewusst, ob das nicht immer wieder Leute einfach zum Spass machen. Auch zu Hause in Villach springt immer wieder einer in die Drau, und kommt raus, ohne dass mehr passiert. Aber das hier schien doch deutlich höher zu sein. Noch dazu war es bitterkalt und das Wasser dürfte auch eiskalt sein. Ich fürchtete, dass er es nicht überleben würde.
Als wir direkt bei ihm waren, beschimpfte er uns in einer fremden Sprache. Sein Freund stand einfach dabei.
Als was tun? Man ist nicht vorbereitet auf eine solche Situation. Eigentlich ist es völlig unglaublich. Man geht und plötzlich geht es um Leben und Tod und dem anderen und eigentlich betroffenen ist es vermutlich gar nicht bewußt.
Er wirkte alkoholisiert und war noch offensichtlich aggressiv. Also was tust, als einfacher Passant. Uns wurde ziemlich bang ums Herz und zugleich war da die Sorge um das Wohl eines Unbekannten, der vermutlich unsere Hilfe nicht wollte.
Aber ich musste was tun! Schließlich rief ich einfach den Polizeinotruf an und bat, flehte um Hilfe und sie kamen auch gleich.
Ich weiß nicht, ob es eine bessere, gscheitere Methode der Hilfestellung gegeben hätte. Aber ich tröste mich damit:
"Gut, dass ich nicht einfach vorbei gegangen bin."
Die Versuchung dafür war riesengroß, denn:
"Nur nicht unangenehm auffallen. Niemanden belästigen. Die Entscheidungs-freiheit des anderen respektieren oder achten. Den anderen in Ruhe lassen. Der kann ja tun was er will. Soll er doch springen, wenn er meint. Eigentlich habe ich keine Zeit."
All das sind mögliche Argumente, die es rechtfertigen nichts zu tun.
Doch eigentlich bin ich froh, jemanden zu etwas gezwungen zu haben, um damit Folgen abzuwehren, deren er sich zu diesem Zeitpunkt sicher nicht bewusst war.
Irgendwo steht auch sinngemäß: "Der nun weiss, das Gute zu tun und tut es nicht, dem ist's Sünde."
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