Kufenstechen im Gailtal bleibt autochthon
Der aus Feistritz/Gail stammende Historiker Peter Wiesflecker beleuchtet das wertvolle Kulturgut „Kufenstechen“.
GAILTAL (jost). Kaum jemand im Gailtal wird den traditionellen heimischen Brauch des „Kufenstechens“ nicht kennen. Um seinen Ursprung und seine Entwicklung ranken sich zahlreiche Deutungen und Erzählungen.
Die WOCHE hat daher einen der profundesten Kenner Gailtaler Brauchtümer, nämlich den Feistritzer Historiker Peter Wiesflecker, zum aufklärenden Interview gebeten:
Seit wann gibt es den Brauch des Kufenstechens in bestimmten
Ortschaften des unteren Gailtales?
Einen genauen Zeitpunkt kann man nicht benennen, doch wir haben Belege für das ausgehende 17. und das frühe 18. Jahrhundert. Die Überlieferung in den letzten 250 bis 300 Jahren ist relativ gut. Der Brauch hat auch nicht zu allen Zeiten in allen Orten bestanden. So gab es in Egg z. B. zwischen 1914 und 1923 kein Kufenstechen (bedingt durch den Weltkrieg und die Wirtschaftskrise), sondern „nur“ den Lindentanz. Gerade in kleineren Orten kam der Brauch für einige Zeit ab, wurde dann wieder aufgenommen. Brauchtum und sein Vollzug sind eben nichts Starres, sondern unterliegen den Bedingungen der jeweiligen Zeit.
Kann man Sinn und Ursprung dieser Reiterveranstaltung historisch klar definieren?
Die Forschung (Volkskunde und Geschichte) hat bis heute keine klare Deutung oder Erklärung, doch dieser Umstand beschreibt die Genese des Brauches wohl am besten, nämlich dahingehend, dass er sich aus mehreren unterschiedlichen Traditionen zusammensetzt.
Das Untere Gailtal ist ein klassisches Pferdezuchtgebiet und eine Gesellschaft, die durch Jahrhunderte in Fuhrwerk und Pferdezucht ihre Haupteinnahmen hatte, nimmt auch im Brauchtum darauf Bezug.
Man beweist eben seinen gekonnten Umgang mit Pferden. Einen Einfluss haben sicherlich auch die Kopie ritterlicher Spiele gehabt, die man kopiert hat, aber auch Traditionen von Reiterspielen, die zum Teil in die römische Antike zurück reichen.
Der Brauch des „Kufenstechens“ ist im Übrigen auch in anderen Teilen Europas bekannt, z. B. in Istrien.
Der legendenhaften Erklärungsversuch, ihn mit den Türkeneinfällen des Spätmittelalters und insbesondere mit einer kollektiven Rachenahme an einem Anführer der türkischen Reiter, den man an einen Pfahl band bzw. dessen Kopf man auf einen Pfahl steckte und kollektiv Rache nahm, in Verbindung zu bringen, beweist vielmehr, wie tief sich die Erinnerung an diese Zeit im kollektiven Gedächtnis des Volkes verwurzelt at.
Damals stand man einer neuen militärischen Macht, die sich rasch auf Pferden bewegte und Streif- und Kriegszüge unternahm, weitestgehend hilflos gegenüber.
Das Kufenstechen als Kirchtagsbrauch ist nicht vom Lindentanz zu trennen. Beide sind elementare Teile des Untergailtaler Brauchtums. Im Lindentanz wird auch die Einführung junger Menschen (Burschen und Mädchen) in die Welt der Erwachsenen sichtbar. Demnach hat das Brauchtum auch mit Initiation zu tun.
Vor etwa 15 Jahren hat es seitens der Stadt Villach Bestrebungen gegeben, den „Publikumsmagnet“ Kufenstechen auch in der Draustadt anlässlich des Villacher Kirchtages anzubieten.
Die Untergailtaler Burschenschaften haben sich damals vehement gegen eine Vereinnahmung ihres Brauchtums gewehrt und damit deutlich gemacht, dass Brauchtum gewachsenes und autochthones Kulturgut ist, das nicht beliebig verpflanzbar ist. Das Kufenstechen ist kein „Schauspiel“, das man vom Ort und der örtlichen Kultur losgelöst, aufführen kann. Der Protest der Untergailtaler war deutlich und wurde auch so wahrgenommen. Damit war die Idee vom Tisch!
Gibt es innerhalb der verschiedenen Burschenschaften
von Ortschaft zu Ortschaft bestimmte Rituale, oder sind
die Abläufe prinzipiell überall gleich?
In seiner Grundstruktur sind der Kirchtag und sein Ablauf gleich! Abweichungen gibt es im Liedgut, der musikalischen Umrahmung, in der äußeren Erscheinung (z. B. tragen die Burschen im Raum Egg blaue Strümpfe und nicht kniehohe Stiefel wie anderswo).
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