Der Geschäftsführer der Vienna im Interview über den wahrscheinlichen Zwangsabstieg

- Seit Jahresbeginn ist Gerhard Krisch Geschäftsführer des First Vienna FC 1984 und führt den Verein durch Krise, Insolvenz und Rechtsstreit mit dem ÖFB.
- Foto: First Vienna FC
- hochgeladen von Christine Bazalka
Muss die Vienna in die zweite Landesliga absteigen? Geht es nach dem Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) und seinem Wiener Landesverband, ist die Antwort „ja“. Nachdem die Vienna ursprünglich eine einstweilige Verfügung gegen den aufgrund ihrer Insolvenz verordneten Zwangsabstieg erreicht hatte, wurde diese nun wieder aufgehoben. Damit steht die Vienna weiterhin vor einer ungewissen Zukunft, sagt ihr Geschäftsführer Gerhard Krisch.
DÖBLING. Wie beurteilen Sie jetzt die Perspektiven für den First Vienna FC?
GERHARD KRISCH: Das ist eine sehr komplexe juristische Frage, der wir in einem Gerichtsverfahren nachgehen möchten. Dabei geht es darum, ob das Insolvenzrecht auch für Fußballvereine gilt. Das Hauptverfahren dazu hat aber noch nicht begonnen. Deshalb wollten wir den Zwangsabstieg durch eine Verfügung verhindern. Nun schickt uns aber der ÖFB in den Abstieg in die zweite Landesliga. Juristisch ist das alles Neuland. Es gibt kaum Literatur dazu. Eventuell wird eine Entscheidung des obersten Gerichtshofes nötig sein. Wir suchen aber außerdem weiter das Gespräch mit dem ÖFB und dem Wiener Fußballverband.
Insolvente Vereine müssen absteigen, sagt der ÖFB. Können Sie Ihre Kritik an dieser Regelung konkretisieren?
Hier handelt es sich um eine Richtlinie des ÖFB, die erst ein Jahr alt ist. Die hat der ÖFB zum Zweck der Wettbewerbsfairness ins Leben gerufen. Es hat Fälle gegeben, wo sich Vereine verschuldet haben und sich dann über Insolvenz saniert haben, nur um dann gleich wieder teure Spieler einzukaufen. So ging alles von vorne los. Die Intention des ÖFB ist deshalb verständlich. Wir sind aber nicht in der Insolvenz um Schulden abzubauen. Uns geht es um das Überleben des Vereins, da wir durch den Verlust des Hauptsponsors nicht mehr liquide sind. Wir brauchten die Insolvenz auch um alte Verträge zu lösen. Zum Beispiel hatte ein alter Sponsor (Care Energy, Anm.) das Recht auf 75 Prozent der Einnahmen durch neue Sponsorenverträge. Das war alles existenzbedrohend für uns. Der Verlust des Hauptsponsors ist übrigens für alle österreichischen Vereine existenzbedrohend. Da gibt es wenige Ausnahmen. Die Vienna hat 35 Dienstnehmer. Wir sind ein mittelgroßer Betrieb. Es geht um die Frage: Gilt das Vereinsrecht oder werde ich als Unternehmer gezählt?
Welche Alternativen schweben Ihnen vor?
In Deutschland sieht der dortige Fußballverband eine Reihe von Möglichkeiten im Fall einer Insolvenz vor. Das reicht von Punkteabzug bis Zwangsabstieg. Einem Punkteabzug hätten wir ohne weiteres zugestimmt. Aber in Österreich wird dieser Spielraum verweigert. Fakt ist: Die Attraktivität für Sponsoren ist in der Regionalliga schon bescheiden. In der zweiten Landesliga ist sie nicht vorhanden. Wir halten den Zwangsabstieg für eine überzogene Strafe.
Unabhängig von der Entscheidung des ÖFB stehen Sie nun vor der Aufgabe, die Vienna wirtschaftlich auf die Beine zu stellen. Was ist Ihre Strategie?
Wir wollen versuchen, wirtschaftliche Stabilität herzustellen. In der Vergangenheit wurde viel Geld weggebuttert. Man hat gesagt, wir geben viel Geld für teure Spieler aus, dann kommt auch der Erfolg. So funktioniert das aber nicht. Übrigens ist das ein Problem des gesamten Fußballs. Zum Beispiel haben wir letztes Jahr keinen Lizenzantrag für die zweite Bundesliga gestellt. Der Grund: Die nötigen Investitionen hätten uns 1.1 Millionen Euro gekostet. Das lag vor allem an Bedingungen, die der Fernsehsender Sky gestellt hat. Sky steigt bald aus der Liga aus, der ÖFB hat die Lizenzbedingungen gelockert. Das bedeutet jetzt aber, dass in der Regionalliga kommende Saison ein sehr harter Kampf um die Aufstiegsplätze beginnen wird. Vereine werden wieder viel ausgeben und sich teilweise übernehmen. Für mich gehört die Vienna in die Bundesliga. Aber nicht um jeden Preis. Wir werden ein nachhaltiges und tragfähiges Konzept entwickeln, an dessem Ende hoffentlich auch sportlicher Erfolg steht.
Das Stadion Hohe Warte ist einerseits ein großer Kostenfaktor, andererseits ein wesentliches Identitätsmerkmal. Steht im Falle des Zwangsabstiegs der Verbleib in der Naturarena zur Diskussion?
Die Hohe Warte ist ein wesentliches Asset für den Verein. Sie ist eng mit unserer Geschichte als ältester österreichischer Fußballverein verknüpft. Das aufzugeben wäre eine falsche Strategie. Natürlich haben wir Kosten, die andere nicht haben. Zum Beispiel ist unser Nachwuchszentrum für 300 Kinder hier auf dem Gelände. Die Hohe Warte ist aber unser Herzstück.
Wie wollen Sie sich die Hohe Warte leisten können?
Das Stadion muss wirtschaftlich genutzt werden. Zwei Fußballspiele im Monat reichen nicht aus. Hier kann man sich einiges von Rapid abschauen. Die haben sehr viele Gedanken in Sachen Vermietung, Veranstaltungsräume und VIP-Sektoren investiert. Allerdings muss dafür auch in die Stadionsanierung investiert werden. Das Dach ist ja kaputt.
Rapid hat es da als großer Verein aber leichter. Die Vienna wird von unter 1000 Fans besucht. Wer würde sich da einmieten wollen?
Das ist ein Strategiethema. Da ist viel Arbeit nötig und viel Vertrauen muss wieder hergestellt werden. Aber es gibt auch Potential. Laut Studien gibt es in Österreich 40.000 Vienna-Fans. Die zu erreichen ist allerdings ein Prozess, der nicht von heute auf morgen funktioniert. Um die Zuschauerzahlen zu erhöhen muss der Verein besser funktionieren. Dafür haben wir uns Ziele gesetzt. Wir wollen 300 Vereinsmitglieder und 300 Jahresabos haben. Letzte Saison hatten wir nur 200 Mitglieder und 150 Abos. Außerdem starten wir gemeinsam mit der UNIQA und anderen Betrieben einen Business-Club.
Bei der Hohen Warte spielen auch die Stadt Wien und die Immobiliengesellschaft IG eine Rolle. Wie sieht da die Gesprächsbasis aus?
Es ist natürlich viel kaputt gegangen was jetzt mühselig wieder aufgebaut werden muss. Wir wollen wieder als verlässliche Partner akzeptiert werden. Das bedarf viel Geduld und Konsequenz. Der Bezirk spielt auch eine große Rolle. Wir wollen, dass Döbling wieder blau-gelb wird. Es geht um Vertrauensaufbau.
Auch die Spieler stehen vor einer unsicheren Situation. Werden sie einen Zwangsabstieg mitgehen?
Am kommenden Montag schließt sich das Transferfenster. Bis Donnerstag müssen sich die Spieler deshalb entscheiden, ob sie auch einen Weg in die zweite Landesliga mit uns gehen möchten. Wollen sie mit uns gemeinsam am Comeback arbeiten? Die Mannschaft hat schon in den letzten Monaten großen Charakter gezeigt und trotz der schwierigen Lage bis zum Schluss für den Meistertitel gekämpft. Das ist nicht selbstverständlich. Einige Führungsspieler haben mir schon zugesagt, selbst beim Zwangsabstieg dabei zu bleiben, weil sie das Gefühl haben, dass hier etwas neues entsteht. Ich bin zuversichtlich, eine gute Mannschaft zusammenstellen zu können.



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