MagicLearningCorner Dyskalkulie, Legasthenie, ADHS

- hochgeladen von Sabine Birk
Schwerer Virusbefall von MagigLearning Gründerin Meike Hohenwarter
Also, als ich Ende der Siebziger die Volksschule besuchte, war sicher kein Kind mit „Legasthenie“ in meiner Klasse. Ich glaube nicht, dass ich damals von dieser „Krankheit“ überhaupt schon gehört habe – ganz bestimmt jedoch zählten das Wort „Dyskalkulie“ oder „Aufmerksamkeitsdeffizitsyndrom“ weder zu meinem aktiven noch passiven Wortschatz.
Was ist also seither geschehen, dass heute gut ein Viertel einer Klasse eine oder gleich mehrere dieser Bezeichnungen wie einen zweiten Namen trägt und jedes Kind diese Begriffe kennt? Handelt es sich um eine Epidemie? Wenn Sie an damals zurückdenken (falls ähnlich betagt wie ich), werden Sie eventuell Erinnerungen an Karin haben, die sich beim Rechnen immer so schwer tat oder an Hannes, der beim Lesen stotterte und dass Daniel der Klassenclown war, wusste jeder in der Schule. Doch die oben erwähnten schönen lateinischen Namen mit Gütesiegel des örtlichen Legasthenietrainers durften sie nicht tragen. Sie waren einfach „schwache Schüler“ oder „unreif“ oder „hinten nach“.
Dem Kind einen Namen geben
Handelt es sich also um einen gewaltigen Fortschritt, dass wir bisher leider übersehene Krankheiten nun endlich entdeckt haben? Bewegen wir uns in die richtige Richtung?
Werfen wir einen Blick auf die Medizin. Früher war man „erschöpft“, heute geht nichts unter einem Burnout. Alte Menschen waren „dement“, „senil“ oder einfach „schon ein bisschen wirr“, heute haben sie Alzheimer. Eine schlechte Phase im Leben ist heutzutage in jedem Fall eine Depression. Meine Schwester meinte hierzu über eine unserer Tanten, dass diese nie einfach verkühlt sein konnte, sie hatte immer eine „eitrige Schnupfitis“.
Ist es also begrüßenswert sich nicht einfach nur schlecht oder unpässlich zu fühlen, sondern einen griffigen Namen für alle Zustände und Befindlichkeiten zu haben?
Ich behaupte mal: Für Krankheiten mit anerkanntem, medientauglichen Namen lassen sich eben viel treffsicherer Medikamente und Therapien mit riesigem Umsatzpotential entwickeln. Das gilt für Alzheimer genauso wie für ADHS.
Legasthenie – ein klar umrissener Begriff?
Tatsache ist es jedenfalls, dass - obwohl geflügelte Worte – bis heute weder Legasthenie noch Dyskalkulie einheitlich definiert sind. Mediziner, Psychologen, Pädagogen (und einige mehr) - jeder hat seine eigenen Kriterien und selbst untereinander sind sie sich darüber nicht einig. Meist sind es nichts als lange Symptomkataloge, die sobald mehrere Aussagen zutreffen – jemandem das Gütesiegel „Legastheniker“ einbringen.
Wenn Sie also zum Beispiel beim Schreiben schon mal Buchstaben ausgelassen haben, dann haben Sie schon ein gelistetes Symptom erfüllt. Kommen dann noch unleserliche Handschrift, zeitweises Unverständnis beim Lesen von Texten und gelegentliche Rechtschreibfehler hinzu, können Sie sich sicher sein, dass sie Legasthenie haben! Sie fragen sich jetzt sicher gerade, wie viele Nicht-Legastheniker Sie kennen…Die Person, die das Kind (mit oft fraglichen Tests) austestet, hält meist gleich anschließend ein passendes Therapieangebot bereit. Aber das wird den oft nur angelernten Tester sicherlich nicht dazu bewegen, Kindern eher eine (als keine) Legasthenie zu attestieren. Es sind ja schließlich Profis!
Volle Identifikation
So, wie es einen Riesenunterschied macht, ob ich Alzheimer haben, oder mir Dinge schlecht merke, sind es auch zweierlei Paar Schuhe, ob ich Dyskalkulie habe oder mir mit dem Rechnen schwer tue.
Der Unterschied liegt in der Betrachtungsweise: Treffe ich Aussagen über mich mit „ich bin“, dann identifiziere ich mich als Persönlichkeit damit. „Ich bin Alkoholiker“, „ich bin zuckerkrank“, oder „ich bin Legastheniker“ schließt von vorne herein eine Änderung dieses Zustands quasi aus.
Fokussiere ich jedoch auf einen momentanen Zustand oder Verhalten („im Moment trinke ich zu viel Alkohol“, „zur Zeit brauche ich Insulin“ oder „ich mache einige Fehler in der Rechtschreibung“), dann schließe ich eine mögliche Besserrung eben nicht aus.
Wer kennt sie nicht, die Geschichten von Menschen, die mit „Querschnittlähmung“ diagnostiziert wurden und wieder gehen können?
Solche „Wunderfälle“ haben genau diese wesentliche Unterscheidung getroffen: Sie haben die Diagnose als einen momentanen Zustand gesehen und täglich daran geglaubt und gearbeitet, dass es anders wird.
Gutachten als Freischein
Oft fragen Eltern bei mir an, ob ich denn ein Legasthenie-Gutachten für die Schule ausstellen könnte. Ich kläre diese Mütter und Väter dann umfassend auf, dass sie ihrem Kind damit im Hinblick auf seine Selbstachtung und seine weitere Karriere als „Lernender“ keinen großen Gefallen tun. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass Lehrer selbst mit Attest nicht verpflichtet sind, Kinder mit Legasthenie schonender zu behandeln.
Viele Eltern wollen trotzdem diesen Freifahrtschein - in der Hoffnung auf mildere Benotung. Manchmal scheint es der leichtere Weg zu sein, als seinem Kind nachhaltig zu helfen, bessere Strategien zur Rechtschreibung zu entwickeln.
Es soll ja auch Menschen geben, die einen Behindertenausweis wollen, um leichter parken zu können. Der Unterschied ist nur, diese Personen entscheiden für sich selbst, das Gütesiegel „behindert“ mit sich herum zu tragen.
Die vielen Kinder jedoch, die sich dumm fühlen, weil sie jemand als „Legastheniker“ abgestempelt hat, durften das nicht selbst aussuchen - ausbaden müssen sie es aber allemal und das lebenslang. Ich jedenfalls kenne viele Siebenjährige, die sich für dumm und minder halten, weil ihnen jemand ein Gutachten über Dyskalkulie erstellt hat - oft bestellt von den Eltern, die ihm damit eigentlich das tägliche Schulleben erleichtern wollten.
In diesem Sinne gibt es bei uns im MagicLearning-Institut keine Testungen auf Legasthenie oder Dyskalkulie. Zu uns kommen schlicht Kinder mit Problemen beim Lesen, Schreiben und Rechnen, die wir schnellstens beheben – egal was ihnen anderswo schon attestiert wurde.
Wenn wir nicht erst damit beginnen müssen, den Knacks in der Identität zu heilen, dann können wir nämlich gleich mit dem Wesentlichen beginnen!
Ihre
Meike Hohenwarter
www.magiclearning.at
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