"Europa muss Klosterneuburg werden!"

Jeden Freitag findet im Essl Museum ein Offenes Atelier für BürgerInnen und Flüchtlinge statt. Im Bild: Mary Kreutzer mit einer Gruppe Burschen aus der Magdeburgkaserne. | Foto: Sabine Gösker
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  • Jeden Freitag findet im Essl Museum ein Offenes Atelier für BürgerInnen und Flüchtlinge statt. Im Bild: Mary Kreutzer mit einer Gruppe Burschen aus der Magdeburgkaserne.
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KLOSTERNEUBURG (bs). Das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen ist heillos überfüllt, die Situation ist angespannt. Wie schaut es derzeit in der Magdeburgkaserne Klosterneuburg aus?
KREUTZER: "Die Magdeburgkaserne ist ja eine Bundesbetreuungsstelle, das heißt, dass immer oft neue Asylwerber – und ein paar wenige Asylwerberinnen – kommen und andere weggebracht werden. Das ist eine schwere Situation für die Flüchtlinge, und auch für die GastgeberInnen von ‚Klosterneuburg hilft’, denn man lernt sich kennen und schätzen, eine Bindung entsteht, und dann diese abrupten Abschiede… Fakt ist: Die Situation ist nicht vergleichbar mit Traiskirchen, wo sich vor unseren Augen ein humanitäres Drama abspielt, das Österreich unwürdig ist."

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinde und mit „Klosterneuburg hilft“?
KREUTZER: "Diese Kooperation ist beispielhaft für Niederösterreich, für Österreich, ja für Europa. Warum kann es nicht überall so laufen? Dem Bürgermeister und seinem Team geht es tatsächlich um den sozialen Frieden in seiner Gemeinde. Und diese tollen Menschen von ‚Klosterneuburg hilft’, und die KunstvermittlerInnen vom Essl Museum: so viel Engagement, so viel Solidarität, so viel gelebte Willkommenskultur. Ich sag immer: Europa muss Klosterneuburg werden!"

Funktioniert Integration immer gleich?
KREUTZER: "Wissen Sie, ich halte es mit dem österreichischen Migrationsforscher August Gächter, der formulierte in etwa so: Integriert sein heißt angekommen sein in der politisch und sozial dominanten Mittelschicht. Fertig. Ich finde diese Fixierung auf ‚Deutsch, Deutsch, Deutsch’ völlig deplatziert. Eine Sprache lernt man wie? Beim Sprechen! Genau! Und deshalb sind diese Hunderte von Aktivitäten für die Flüchtlinge in Klosterneuburg auch so wichtig. Doch Integration bedeutet darüber hinaus: Aufenthaltssicherheit, Mobilität, Jobs, Schutz vor Diskriminierung, und natürlich auch: politische Rechte."

Frau Kreutzer, Sie leiten die Abteilung Missing Link der Caritas Wien. Wie kann man Konflikte bei der Integration entschärfen?
KREUTZER: "Ehrlich? Ganz einfach! Wir haben uns mit dem Projekt Kompa vorgenommen in die Konfliktsituationen reinzugehen. Und was tun wir? Wir nehmen die Leute ernst. Wir sprechen mit ihnen. Wir kanzeln niemanden ab. Wir hören zu, wir überlegen intelligente Lösungen, wir vermitteln, wir bieten sachliche Informationen, wir intervenieren. Die Resultate sind unglaublich. Es ist jedes Mal ein umwerfendes Gefühl, wenn wir einen Konflikt entschärfen konnten."

Herr Kaltenbacher, seit gut eineinhalb Monaten (seit 26. Juni) betreuen Sie im Rathaus eine Sprechstunde in Flüchtlingsfragen. Welche Themengebiete werden angesprochen?
KALTENBACHER: "KlosterneuburgerInnen kommen mit unterschiedlichen Anliegen zu einem persönlichen Gespräch in die Sprechstunde bzw. melden sich per Telefon (Hotline: 0664 / 88917078). Von Sachspenden für die Flüchtlinge über Nachfragen, wie man denn die Flüchtlinge unterstützen kann (u.a. Deutschkurse, Freizeitgestaltung, Unterbringung) bis hin zu konkreten rechtlichen Fragen zu einzelnen Flüchtlingen, welche von BürgerInnen unterstützt werden. Außerdem dient die Sprechstunde auch als Vernetzungs- und Koordinationsort, wo VertreterInnen der Bürgerinitiative ‚Klosterneuburg hilft’, des öffentlichen Lebens (u.a. Polizei, Stadtverwaltung durch Frau Hammerl) und BürgerInnen auch zusammentreffen. Als Resümee, es überwiegen die positiven Rückmeldungen bei Weitem."

Welche konkreten Beispiele gibt es?
KALTENBACHER: "Ein besorgter Bürger kam gleich um 9 Uhr und bat um Intervention für drei tibetische Flüchtlinge, damit sie nicht bei der Ersteinvernahme in Traiskirchen von einem chinesischen Dolmetscher interviewt werden, was in der Vergangenheit schon vorgekommen sei. Und die Gefahr, dass nicht korrekt gedolmetscht wird, ist eine reale und weitverbreitete. Das kann verheerende Folgen für das Asylverfahren haben. Ein Telefonat und ein Mail an die Kasernenleitung – und die Angelegenheit konnte gemeinsam gelöst werden.
Ein anderes Mal kam eine Frau auch gleich um 9 Uhr, um einen Überblick zu gewinnen, was in der Unterstützung eines minderjährigen unbegleiteten Flüchtlings aus der Kaserne, er ist ca. 16 Jahre alt, zu beachten sei. Also wie er zu einem A2-Deutschkurs kommt, ob es passieren kann, dass er plötzlich in ein anderes Bundesland zugeteilt wird und somit die langsam aufgebaute vertrauensvolle Bindung zwischen der Unterstützerin und dem Jugendlichen abrupt auseinandergerissen werden könnte. All das wird dann in Ruhe besprochen. Ein anderes Mal ging es um die Frage, wie ein Jugendlicher zu einem Hauptschulabschluss kommen könnte. Und übrigens: Er macht jetzt diesen Abschluss, er hat unglaubliches Talent und viel Motivation. Alle Seiten brauchen also die Informationen, um handlungsfähig zu sein, um Unterstützung zu bekommen oder Interventionen zu erwirken.
Die Sprechstunde ist der Raum, wo Zeit für diverseste Fragen, Sorgen und Anregungen der Menschen vorhanden ist. Was ich nicht gleich selber lösen kann, leite ich an die jeweiligen Stellen weiter."

Wie kann man die Situation in Klosterneuburg verbessern?
KREUTZER: "Es wäre schön, wenn es in Klosterneuburg auch ein Grundversorgungsquartier, sei es ein ‚Haus’ oder seien es ‚Container’, gäbe. Denn dann sind die Flüchtlinge länger da – und die Betreuungsarbeit ist konstanter. Die Flüchtlinge hätten Privatsphäre in eigenen Zimmern. Es gäbe auch untereinander weniger Konflikte. Das wünschen wir uns, das wünscht sich auch ‚Klosterneuburg hilft’."

Missing Link

Missing Link heißt die Einrichtung der Caritas der Erzdiözese Wien (Asyl & Integration), die als „missing link“ zwischen den verschiedenen AkteurInnen im Bereich Integration wirkt und gemeinsam mit Menschen, Gemeinden, Vereinen und Institutionen inklusive Projekte für ein besseres Zusammenleben startet.
Ziel der Debatten- und Workshopreihe ZusammenReden ist es, dass sich alle Mitglieder der Gesellschaft als aktive GestalterInnen von Integration begreifen, sich einbringen und sich selbst als mitverantwortlich für ein gutes Zusammenleben in der Gemeinde verstehen.
Das Projekt Kompa, Teil von Missing Link, bietet Information/Austausch/Mediation zum Thema Flucht/Migration sowie nachbarschaftliche Begegnungen in Wien und Niederösterreich an.
Das Projekt schafft Rahmenbedingungen, um
• verschiedene Menschen zusammenzubringen,
• aktive Teilhabe zu ermöglichen,
• gegenseitiges Verständnis zu erleichtern
• Konflikte positiv zu nutzen, um
• ein lebhaftes Zusammenleben zu ermöglichen.
Gefördert wird Missing Link vom Land NÖ, vom Bundesministerium für Inneres, von vielen niederösterreichischen Gemeinden und von privaten SpenderInnen.

Sprechstunde in Flüchtlingsfragen

Im Auftrag der Stadtgemeinde Klosterneuburg bietet die Caritas im Rahmen des Projekts KOMPA (Konfliktprävention, -mediation und Partizipation zwischen ÖsterreicherInnen und Flüchtlingen) jeden Freitag eine Sprechstunde an: von 9 bis 12 Uhr im Rathaus Klosterneuburg, 1. Stock, Zimmer 100A (im Raum gegenüber des Bürgermeisteramts).
Im Rahmen dieser Sprechstunden finden Beratung, Information und Hilfestellung zu Fragen und Anliegen im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterkunft in Klosterneuburg statt. Außerdem dient die Sprechstunde als Vernetzungs- und Koordinationsort, wo VertreterInnen der Bürgerinitiative ‚Klosterneuburg hilft’, des öffentlichen Lebens (u.a. Polizei, Stadtverwaltung durch Frau Hammerl) und BürgerInnen zusammentreffen.

Jeden Freitag findet im Essl Museum ein Offenes Atelier für BürgerInnen und Flüchtlinge statt. Im Bild: Mary Kreutzer mit einer Gruppe Burschen aus der Magdeburgkaserne. | Foto: Sabine Gösker
Die Sprechstunde findet im Rathaus gegenüber vom Büro des Bürgermeisters jeden Freitag von 9-12 Uhr statt. Im Bild: Martin Kaltenbacher.

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