Martin Ladstätter: "Barrierefreiheit ist mit einer Klage nicht erreichbar"

Martin Ladstätter: "Es ist recht typisch für Österreich, dass hier die Durchsetzung von Menschenrechten kein besonders Anliegen ist." | Foto: BIZEPS
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  • Martin Ladstätter: "Es ist recht typisch für Österreich, dass hier die Durchsetzung von Menschenrechten kein besonders Anliegen ist."
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Rechnen Sie mit einer Klagsflut, wenn Betroffene die Barrierefreiheit in allen öffentlich zugänglichen Gebäuden einklagen können?
Martin Ladstätter: Wir rechnen damit, dass Barrierefreiheit einen größeren Stellenwert erfahren wird, als dies derzeit leider der Fall ist. Mit einer Klageflut rechnen wir allerdings nicht, da die österreichische Bevölkerung nicht sehr klagefreudig ist.

"Ein Gericht kann nicht den Umbau anordnen."

Was sind die Folgen einer Klage?
Mit einer Klage ist Barrierefreiheit nicht erreichbar, weil das Gesetz nur Schadenersatz zuerkennt. Konkret bedeutet dies, dass ein Gericht zwar eine gewisse Summe an Schadenersatz festlegen kann, nicht aber einen Umbau anordnen. Dies ist eine sehr große Schwäche des österreichischen Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes und wir fordern daher schon seit Anfang an auch einen Beseitigungsanspruch.

Beraten Sie Betroffene auch in Bezug auf Klagen?
Wir beraten Betroffene bei Schlichtungen, sollten daraus dann Klagen entstehen, helfen wir die verfügbaren Optionen abzuwägen und leiten die Betroffenen dann an den Klagsverband weiter, von dem wir Gründungsmitglied sind. Wir haben so in den vergangenen Jahren schon einige Klagen ermöglicht.

"Bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie Privatpersonen ist das Wissen zum Thema Barrierefreiheit nicht sehr verbreitet."

Wie verbreitet ist das Wissen, dass ab 1. Jänner 2016 Schadenersatz eingeklagt werden kann?
In großen Unternehmen und staatlichen Organisationen ist dies bekannt, bei mittelständischen und Kleinunternehmern sowie Privatpersonen ist dieses Wissen allerdings nicht sehr verbreitet. Wir begrüßen allerdings, dass dies endlich zum Thema gemacht wird. Die letzten zehn Jahre seit Inkrafttreten des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes wurden viele notwendige Adaptierungsmaßnahmen auf das Jahr 2016 verschoben, da man ja teilweise noch Übergangsfristen hatte. Dies wird sich für einige Unternehmen jetzt allerdings finanziell rächen, dass sie Barrierefreiheit auf die lange Bank geschoben haben.

Wie sehen Sie die Umsetzung der Barrierefreiheit „Wo kein Kläger, da kein Richter?“
Uns ist es ein großer Dorn im Auge, dass in Österreich existierende Gesetze einfach ignoriert werden, wenn man keine Lust zur Umsetzung hat. Es ist recht typisch für Österreich, dass hier die Durchsetzung von Menschenrechten kein besonderes Anliegen ist.

Danke für das Gespräch.

Links:
* Interaktive Landkarte: So barrierefrei ist mein Bezirk
* Barrierefreiheit: Wann eine Klage droht und was ein Aufzug jetzt können muss
* Service-Adressen für betroffene Personen und Unternehmen
* Website von Martin Ladstätter
* Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz

Martin Ladstätter: "Es ist recht typisch für Österreich, dass hier die Durchsetzung von Menschenrechten kein besonders Anliegen ist." | Foto: BIZEPS
Das BIZEPS – Behindertenberatungszentrum berät betroffene Personen bei Schlichtungsverfahren. | Foto: Getty Images

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