"Autonome Fahrzeuge sind auf dem Weg"

Autonom fahrende Autos wie der Mercedes F 015 werden womöglich schon bald Einzug in den Stadtverkehr halten. | Foto: Mercedes-Benz
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StadtRundschau: Autonome Fahrzeuge werden von einer Zukunftsvision zur Realität. Geht alles viel schneller als gedacht?
Alexander Mankowsky:
Ja, es geht tatsächlich jetzt schon los mit semi autonom fahrenden Autos. Die neue E-Klasse hat schon sehr viele Eigenschaften eines vollautonomen Fahrzeuges. Wenn man das Auto fährt, ist es in vielen Teilen des Alltagsverkehrs, zum Beispiel während eines langsamen Stop-and-go-Verkehrs, praktisch autonom. Wenn es etwas schneller wird, braucht es noch ein Bewusstsein für verschiedene Fahrsituationen, wie auch klare rechtliche Strukturen. In jedem Fall ist autonomes Fahren sehr, sehr entstressend. Man kann in Ruhe telefonieren und ähnliche Dinge machen.

Die Entwicklung wird auch bei Mercedes voll angetrieben?
Wir treiben das außerordentlich nach vorne. Auch mit den Lkws, wir haben da eine ganze Bandbreite. Auf der experimentellen Seite treibt Google am meisten, auf der Serienseite treiben wir am meisten in der Industrie. Weil wir ein breites Portfolio haben, das wir auf alle Gattungen übertragen können.

Wenn Tesla-Chef Elon Musk sagt, wir können schon 2020 alle autonom fahren, ist das übertrieben?
Ja, das ist übertrieben. Da gibt es noch einige Dinge zu klären. Autonomes Fahren ist zum Beispiel abhängig von Straßenkarten. In den Gegenden, wo die Digitalisierung weit vorschreitet, also wo wir regelmäßig fahren, wird das sicher gehen. Aber natürlich gibt es am Land auch Strecken, die nicht digitalisiert sind. Da gehe ich davon aus, dass ich ein Service miete, dass die Strecke, an der zum Beispiel meine Großmutter wohnt, zu der ich öfters fahre, digital auf dem neuesten Stand gehalten wird. Diese Strecke wird dann für autonomes Fahren instand gehalten. Autonomes Fahren hängt aber auch vom Wetter ab. Eine schneereiche Region, wo die Straßen von Pflöcken angezeigt werden, da wird es für ein autonomes Fahrzeug schwierig. Es gibt alle Grenzsituationen. Also, jene Strecken, die wir täglich fahren und die klar abgesteckt sind, die werden immer besser werden, bis sie voll autonom sind. Die Lerneffekte sind bei autonomen Fahrzeugen auch sehr hoch. Wenn zum Beispiel eine Ampel immer im Gegenlicht ist, dann ist das für Menschen nicht gut erkennbar und für Autos auch nicht. Aber die Autos können es dokumentieren, wodurch schnell Abhilfe geschaffen werden kann. Und das ist dann auch wieder für die Menschen gut. Menschen dokumentieren es nicht, ärgern sich kurz und hoffen, dass es nicht kracht.

Geht es in die Richtung, dass Fahrzeuge autonom gebaut werden oder werden, wie es manche Hacker jetzt schon machen, bestehende Fahrzeuge zu autonomen Fahrzeugen aufgerüstet?
Nein, das kann nicht sein. Der braucht ja Sensoren. Und vor allem müssen die Bauteile redundant ausgelegt werden. Das heißt, die sind doppelt drin für Sicherheitsfälle. Wie im Flugzeugbau.

Wann wird man ein autonomes Fahrzeug kaufen können?
Das ist eine Frage des Grades der Autonomie. Es werden ja jetzt schon vollautomatische kleine Pods produziert, die zum Beispiel Touristen in der Stadt transportieren. Auf der langsamen Seite fängt es also jetzt schon an, vollautonom zu sein. Auf der schnellen Seite, sprich bei Lkws und Autos, sind wir auf der Stufe halbautonom, so wie eben mit der E-Klasse. Diese beiden Seiten werden sich aufeinander zu entwickeln. Wenn sie sich getroffen haben, sind wir vollautonom.

Warum geht eigentlich alles nun viel schneller als gedacht?
Es gibt mehrere Gründe. Es geht extrem schnell, weil die Sensoren viel billiger und besser werden. Das hat angefangen durch die Smartphones mit den eingebauten Kameras. Diese wären früher furchtbar teuer gewesen. Das heißt, die Industrie gibt es bereits und es wird sehr viel entwickelt. Auch die Leistungsfähigkeit der Hardware entwickelt sich rasant. Das Entscheidenste ist aber der Durchbruch mit dem sogenannten "Deep Learning", also der maschinellen Intelligenz. Die Lernalgorithmen sind heute einfach viel schneller als früher. Dazu kommt, dass die Straßen hier in Europa schon sehr gut geregelt, und dadurch für eine Maschine gut erkennbar sind.

Braucht es 2030 die gleichen Straßen wie heute?

Die Straßen können vereinfacht werden. Wenn wir in den Städten eine Sicherheitszone haben, in denen nur automatische oder speziell ausgerüstete Fahrzeuge fahren dürfen, dann können wir das vereinfachen und viele Leitplanken abschaffen. Wir können dann einen offenen Raum schaffen, den wir Shared-Space der Zukunft nennen. Wenn es diese Sicherheitszone nicht gibt, dann haben wir einen Mischverkehr und dann müssen die Straßen so bleiben.

Betreffen diese Zonen vor allem Städte?

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man in Städten, um Platz zu schaffen, diese Sicherheitszonen aufbaut, wo dann nur solche Fahrzeuge reinfahren dürfen. Die Fahrzeuge sind dann elektrisch und autonom. Außerhalb dieser Zonen beginnt dann der Mischverkehr. Das können Hubs sein, an denen man umsteigt von seinem Auto auf so ein kleineres Ding, das dann von alleine in die Stadt reinfährt. Es ist auch extrem wahrscheinlich, dass die Lkws, die ja hauptsächlich auf Autobahnen fahren, auf diesen Strecken entsprechend ausgerichtet werden. Das heißt, auch auf den Autobahnen wird die Automation sehr schnell voranschreiten. Man darf bei solchen Visionen aber nicht von 100 Prozent ausgehen. Kurz: Am Land wird es sicher noch Mischverkehr geben, und auf den typischen viel befahrenen Strecken wird es autonomen Verkehr geben.

Wie wirken sich autonome Fahrzeuge auf Staus aus?

Das sollte große Auswirkungen haben. Es gab mal einen Versuch in Japan, da haben sie Leute im Kreis fahren lassen bei ausreichend Platz, nach wenigen Minuten war der erste Stau da. Wir Menschen können da nicht anders. Bei autonomen Fahrzeugen gibt es das nicht. Ich denke, wenn ein gewisser Anteil, so zehn bis 15 Prozent, an automatischen Fahrzeugen unterwegs ist, wird sich der Verkehr schon beruhigen, weil sich die anderen Fahrer daran orientieren können. Dann geht hoffentlich auch die Nervosität raus, es wird ruhiger und damit staufreier.

Was können wir daraus für zukünftige Straßenbauprojekte lernen?
Es macht wenig Sinn, noch große Autobahnen zu bauen, man braucht Straßen, die flexibler sind, weil sich der Verkehr ändern wird.

Wird sich der Elektroantrieb völlig durchsetzen?
Wie bei den autonomen Fahrzeugen, wird sich auch der Elektroverkehr großflächig durchsetzen, aber für den Schwerlastverkehr gibt es zum Beispiel noch keine elektrischen Lösungen. Also, so simpel wird das nicht. Zurzeit ist es so, dass die Verbrenner elektrifiziert werden. Ein neuer Mercedes zum Beispiel hat Energierückgewinnung und alles Mögliche drin. Es ist also schon ein Elektro-Verbrenner, sonst wären diese niedrigen Verbrauchswerte nicht möglich. Ich könnte mir vorstellen, dass die Unterscheidung zwischen vollelektrisch und diesen Mischformen an Relevanz verlieren wird, weil man dann sagt, da ist ein Verbrenner drin, aber vielleicht verbrennt er auch kein fossiles Erdöl mehr, aber er teilt sich viel Arbeit mit den elektrischen Komponenten.

Wird sich der Tesla-Hype auf klassische Automobil-Hersteller überlagern?
Der Tesla-Hype ist ja eigentlich ein Elon Musk-Hype. Musk ist ja der Überheld. Das ist für uns ganz gut, weil er dadurch hilft, die Akzeptanz der Fahrzeuge zu heben. Er kann das machen, weil er ein spezielles Publikum hat in Kalifornien. Da ist es warm. Wir als globaler Hersteller können nicht sagen, wir verkaufen die Autos am liebsten in Kalifornien. Aber durch Musk und Tesla wird eine Bresche für Elektroautos geschlagen.

Wie läuft die Entwicklung bei den Batterien?
Auch hier geht alles viel schneller, als alle Experten vorhergesagt haben. Es ist noch nicht so, dass die leistungsfähigeren Batterien leistbar wären, aber auch sie werden kommen.

Werden mit den autonomen Fahrzeugen dann die Jobs des Taxi- und Lkw-Fahrers tatsächlich verschwinden?

Verschwinden nicht, aber es wird eine Verschiebung geben. Beim Lkw-Fahrer ist es so, dass er Bürotätigkeiten nachkommen kann während der Fahrt. Diese monofunktionalen Arbeitsplätze werden eher verschwinden. Aber das ist nicht nur wegen dem autonomen Fahrens so, sondern es ist in der normalen Arbeitswelt, dass halt dort maschinelle oder menschliche Intelligenz sich ergänzen lernen müssen. Also, das müssen wir Menschen lernen. Menschen benutzen Suchmaschinen und sind sich gar nicht bewusst, was für eine maschinelle Intelligenz da dahintersteckt.

Autonom fahrende Autos wie der Mercedes F 015 werden womöglich schon bald Einzug in den Stadtverkehr halten. | Foto: Mercedes-Benz
Alexander Mankowsky sieht autonomes Fahren als große Bereicherung. | Foto: Robertba
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