13. Juni 2016: Nach ihrer Demo am Samstag: Verbietet die Identitären!
Die rechtsextreme identitäre Bewegung rekrutiert sich aus dem neonazistischen Umfeld und fällt mit menschenverachtenden Aktionen auf. Warum ist sie nicht verboten? Das muss die erste Frage sein, wenn man überlegt, wie Ausschreitungen wie am Samstag am besten verhindert werden können.
Die Identitären. Es sind wenige und es gibt sie erst seit Kurzem. Ihre Aktionen sind aber derart hetzerisch und unverschämt, dass sie trotzdem immer wieder unangenehm auffallen. Ein Überblick:
• 2012 haben sie einen Tanzworkshop der Caritas am Schlingermarkt gestört - zehn mit Affenmasken bekleidete Identitäre tauchten dort auf und verteilten Flyer, auf denen "Zertanz die Toleranz" zu lesen war.
• Sie organisierten eine "Gegenbesetzung" der Votivkirche, als diese 2013 von Flüchtlingen besetzt war.
• Sie entrollten ein Transparent mit den Worten "Islamisierung tötet" auf dem Dach der Parteizentrale der Grünen in Graz im April 2016.
• Der bisherige Höhepunkt: Ein Angriff auf eine Aufführung des Stücks "Die Schutzbefohlenen" im Audimax der Uni Wien, an dem auch Flüchtlinge beteiligt waren, im April 2016 - die Identitären kamen mit Kunstblut und Flyern.
• Erst vor wenigen Tagen unterbrachen sie eine Vorlesung zum Thema „Flucht, Asyl und Migration“ auf der Uni Klagenfurt mit Megaphon und dem Nachspielen einer Steinigung.
Was haben diese Aktionen gemeinsam? Sie besitzen ein aktionistisches Moment, das die Inhalte in den Hintergrund rückt und den Tätern den Anschein von Coolness geben soll. Sie konfrontieren ihr Ziel - meist Flüchtlinge - direkt: Sie sind menschenverachtend, weil sie große Angst auslösen und ihre Opfer lächerlich machen. Und: Sie alle haben bis jetzt keine rechtlichen Konsequenzen gezeitigt (zu den Aktionen in Klagenfurt und im Audimax wird noch ermittelt).
Die Identitären werden sowohl vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) als auch vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft. "Die Distanzierung vom Neonazismus in öffentlichen Statements ist als taktisches Manöver zu werten, da sich in den Reihen der Bewegungseliten amtsbekannte Neonazis befinden und Kontakte in andere rechtsextremistische Szenebereiche bestehen", heißt es im Verfassungsschutzbericht 2014. Die Überzeugung der Identitären - verkürzt: wir kämpfen für ein Europa der Europäer - wird manifest in ihren Aktionen: Es gibt unterlegene und überlegene Ethnien, und die unterlegenen müssen vertrieben werden.
Wenn das bekannt klingt, dann weil es bekannt ist. Warum kann man sich nicht durchringen, den Rädelsführern mit dem Verhetzungsparagraphen beizukommen oder die Organisation mithilfe des Verbotsgesetzes zu verbieten? Oder - als Soformaßnahme - nicht zumindest die Demonstration "Europa verteidigen" zwei Tage nach der Aktion in Klagenfurt untersagen? (Im Versammlungsgesetz heißt es: "Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen.") Zumindest einer der Anführer aus Klagenfurt, Luca Kerbl, war sicher am Marsch anwesend - unwahrscheinlich, dass er der einzige war.
Hätte man die Zusammenkunft der Identitären unterbunden, wäre die Lage am Samstag in Wien nicht so außer Kontrolle geraten. Man müsste sich jetzt nicht darüber den Kopf zerbrechen, ob das Vorgehen der Polizei angemessen war. Damit ist die Exekutive aber noch nicht aus der Pflicht genommen: "Die Polizei schützt weder 'rechts' noch 'links', sondern ist vielmehr dem Schutz des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit verpflichtet", schreibt die Landespolizeidirektion Wien in einer Presseaussendung nach dem Marsch. Wie dieses Grundrecht durchgesetzt wird, obliegt aber noch immer der Einsatzleitung. Es wäre zum Beispiel möglich gewesen, die Demonstration in eine Standkundgebung umzuwandeln oder früher abzubrechen. Stattdessen sah man Polizisten, die den Neubaugürtel in Pfefferspray-Schwaden hüllten, um den Identitären den Weg zu bahnen - angefeurt von "Macht die Straße frei!"-Sprechchören der rechten Demo in ihrem Rücken. Dass das kein gutes Bild abgibt, sollte auch die Polizei verstehen.
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