Fiona Kaiser: "Bleiben nicht ruhig"

Fiona Kaiser nimmt sich kein Blatt vor den Mund und kritisiert auch hochrangige Mitglieder ihrer eigenen Partei. | Foto: privat
  • Fiona Kaiser nimmt sich kein Blatt vor den Mund und kritisiert auch hochrangige Mitglieder ihrer eigenen Partei.
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Die Linzerin Fiona Kaiser ist Landesvorsitzende der Sozialistischen Jugend Oberösterreich und Stellvertretende Vorsitzende der SJ Österreich.

StadtRundschau: Sie haben zuletzt Bürgermeister Klaus Luger, der ja aus Ihrer Partei kommt, wiederholt und stark kritisiert. Wie stehen Sie zu ihm?
Fiona Kaiser: Ich habe schon länger einige Probleme mit den Themen, die Klaus Luger nach vorne stellt. Er hatte zum Beispiel großes Interesse, das Bettelverbot durchzubringen. Das ist für eine Sozialdemokratie absolut das falsche Signal. Wenn ich mich dem Thema annehme, muss ich nach Lösungen suchen, die auch an der Wurzel ansetzen. Ich finde es auch furchtbar, dass es so lange gedauert hat, bis der Verein der rechtsextremen Grauen Wölfe aus dem Integrationsbeirat geschmissen wurde, obwohl es zahlreiche Beweise gegeben hat, dass das kein harmloser Verein ist.

Wie stehen Sie zum Arbeitsübereinkommen der SPÖ mit der FPÖ in Linz?
Diese Formulierung "Arbeitsübereinkommen" umschifft das Ganze. Man kann ja mit jeder Partei Schnittmengen rausarbeiten, aber in Linz war das erste und umfangreichste Arbeitsübereinkommen, das präsentiert wurde, jenes mit der FPÖ. Der Umgang, den die SPÖ zum Teil mit der FPÖ pflegt, ist problematisch und vor allem auch sehr widersprüchlich. Weil die einen sagen, mit denen können wir absolut nicht zusammenarbeiten, und die anderen sagen, die sind eh nicht so schlimm. In Wirklichkeit weiß keiner mehr, was jetzt unsere Position ist. Das könnte man alles vermeiden, wenn wir unsere Beschlüsse auch endlich inhaltlich argumentieren würden. Wir arbeiten nicht mit der FPÖ zusammen, weil sie in sozialen Fragen absolut gegenteiliger Meinung ist.

Christian Kern wurde als Bundeskanzler angelobt, und Sie waren die Einzige, die gegen ihn gestimmt hat. Warum?
Ich finde die Vorgehensweise absolut komisch. Wir wollen, dass man wirklich alle Mitglieder wählen lässt, das wird aber abgeschmettert mit dem Argument, dass dafür keine Zeit ist, denn wir brauchen sofort einen neuen Kanzler. Unsere Forderung gibt es aber schon länger, man hätte sich schon lange darauf einstellen können. Im Endeffekt haben sich die Landesvorsitzenden ausgemacht, wer Parteivorsitzender geworden ist. In der Sitzung, wo Kern beschlossen wurde, gab es vor der Abstimmung nicht einmal die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Das ist für mich kein Zeichen einer Demokratisierung.

Worin sehen Sie in einer Wahl zwischen zwei Kandidaten einen Vorteil?

Ich habe selber die Erfahrung gemacht, als ich vor zwei Jahren beim Verbandsvorsitz der Sozialistischen Jugend kandidiert habe, wo es auch zwei Kandidatinnen gegeben hat, was das einer Organisation alles bringen kann. Und wie politisiert junge Leute dadurch werden. Man muss sich entscheiden, man muss Positionen einnehmen, man muss kämpfen und ringen. Und das hat wirklich viel gebracht. Natürlich entstehen auch Gräben und man hat unterschiedliche Positionen, aber das gehört auch dazu in einer politischen Organisation. In der SPÖ wird dafür keine Möglichkeit geschaffen, das finde ich schade und falsch in einer demokratischen Partei.

Sie sehen die Probleme der SPÖ also alles andere als gelöst. Halten Sie sogar eine Abspaltung für möglich, sollte es auch Christian Kern nicht gelingen die Partei zu einen?
Die Gefahr sehe ich schon. Gerade wenn man sich die Entwicklung in Griechenland ansieht, hat man gesehen, wie es dort mit der PASOK, der griechischen Sozialdemokratie, bergab ging. Die hat sich auch völlig entfernt von einem sozialdemokratischen Kurs, und einfach die Sparpolitik mitgetragen. Diese Gefahr sehe ich bei uns auch. Es gibt genügend Leute, die sagen, das ist nicht mehr meine Sozialdemokratie. Ob sich da was Neues entwickeln wird in Österreich, hängt stark davon ab wie die nächsten Wahlen ausgehen werden, und ob's Neuwahlen gibt. Aber das Sprengpotenzial ist in jedem Fall da, auch was die Koalitionsfrage Blau-Rot bzw. Rot-Blau betrifft. Das hat schon ein ziemliches Potenzial, wo dann einiges hochgehen würde. Wenn es auf Bundesebene tatsächlich zu so einer Koalition kommt, kann ich mir nicht vorstellen, dass wir da nicht ruhig bleiben werden.

Sie haben kürzlich verkündet, Sie wollen nicht nur keine Koalition mit der FPÖ, sondern auch keine mit der ÖVP. Dann wird's aber eng mit Mehrheiten.
Unsere Position ist, dass wir aus dieser Großen Koalition raus müssen, wenn wir wollen, dass die SPÖ irgendwie überlebt und nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Das Argument, dass dann Schwarz-Blau als Nächstes kommt und alles, was wir uns erkämpft haben, verloren geht, stimmt natürlich. Ich glaube aber, dass die SPÖ anfangen muss, nicht mehr nur als Regierungspartei zu denken, also nicht nur in diesem strikten "ich bin an der Macht, ich kann mitgestalten". Vielmehr müssen wir uns überlegen, wie wir unsere Partei gestalten, sonst gibt es sie wirklich bald nicht mehr. Wir handeln ja auch nur mehr als Regierungspartei und dieser Parteiapparat und die ganzen Positionen sind total vernachlässigt und jede Ebene strauchelt irgendwie dahin. Eine Bewegung im Sinne einer Sozialdemokratie gibt es kaum noch, das ist alles ziemlich am Boden und ausgehungert. Und deswegen sollten wir den Fokus drauf legen, wie man überhaupt wieder Leute hinter sich bekommt. Denn solange wir uns in dieser Koalition, bewegen wo nichts gemacht wird, außer Kompromisse als totale Erfolge zu verkaufen, solange wird auch keiner sagen, da kämpfe ich mit und stelle mich freudig hinter euch bzw. zu euch. Ich kann auch nicht verstehen, wie man verschiedenste Sachen als absoluten Burner verkaufen kann, die eigentlich irgendein Kompromiss sind. Eigentlich muss man hier sagen, dass nichts anderes möglich war mit der ÖVP. Das wird aber nicht gemacht, weil sie dann wieder glauben, sich in der Koalitionsrolle zu gefährden. Das finde ich fatal, weil es alle Positionen verwässert. Und da ist für mich das geringere Übel, dass ich mich mal als Organisation erhole, als dass ich das noch länger in Kauf nehme und immer mehr schrumpfe.

Josef Weidenholzer hat kürzlich gemeint, es reden dann viele in der Parteispitze von den "Basiswapplern".
Für mich ist das unverständlich, wie sehr man da als Partei zumachen kann. Es ist halt die Person ausgetauscht worden, aber grundsätzlich hat sich noch gar nichts verändert. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich am Kurs irgendetwas ändern wird. Es ändert sich an den Machtverhältnissen nichts, es ändert sich an all dem Rundherum nichts. Es wurden nur ein paar Köpfe ausgetauscht, aber ich glaube, man hätte als SPÖ etwas ganz anderes machen können, wenn man wollen hätte. Man braucht ja nur einen Blick nach England richten, wo sich dank Corbyn die Mitgliederzahl verdoppelt hat, nur weil es diese Wahl gegeben hat. Weil Leute sagen, cool, da will ich mitbestimmen, da kann ich mitbestimmen, meine Stimme zählt was. Ich glaube das würde Schwung reinbringen.

Wäre ein plötzlicher Aufschwung der Linken wie eben in England oder auch Bernie Sanders in den USA für Österreich denkbar?

Ich würde es mir sehr wünschen, dass es eben eine Person gibt, die sagt, sie tritt nach vorne und geht in diesen Fight. Das SPÖ-Statut lässt es eigentlich fast nicht zu, dass man gegenkandidiert, weil man am Vorschlag vom Parteivorstand stehen muss. Aber alleine medial könnte man die Diskussion führen. Und ich glaube, es würde viele Leute geben, die sich da dahinter stellen und sagen, ja natürlich unterstütze ich jemanden, der viel näher von der Basis kommt, der nicht der Top-Manager ist, der das Unternehmen super geleitet hat. Dass man alleine durch so einen Manager FPÖ-Wähler zurückgewinnt, was ja argumentiert wird, halte ich für einen Irrglauben.

Die Ansicht, wonach ein Manager sich auch als Politiker gut eignet, ist also Ihrer Meinung nach nicht wahr.

Ja, das sehe ich so. Das zeigt auch sehr gut, wie der Zustand der Partei ist. Dieses "wir müssen effizienter in diesem und jenem Bereich werden und auch dieses Denken in die Partei reinbringen" und dann wird schon alles besser werden, halte ich nicht für den richtigen Zugang. Ich glaube, es gibt so viele gute Ideen und Leute, die ganz andere Sachen miteinbringen, gerade von der Basis, von den Leuten, die laufen und sich immer noch für die SPÖ engagieren. Es geht in ganz Europa in diese Richtung, die Sozialdemokratie ein bisschen neoliberaler zu gestalten. Ich glaube aber nicht, dass das der richtige Ansatz ist. Ich würde mir jemanden gestandeneren wünschen, oder eine generelle Diskussion darüber, wie entscheide ich, wer Bundesvorsitzender wird.

Sie sind also nach wie vor sehr unzufrieden mit der Politik der SPÖ?
Ja, es gibt da doch viele Dinge, die mir derzeit nicht gefallen. Wie finanziere ich einen Wahlkampf? Wie viel Geld gebe ich für Plakate aus? Wie wenig rede ich eigentlich mit Leuten? Wo setze ich meine Schwerpunkte? Darin, dass ich Inserate in irgendwelche Medien pumpe, oder ist mein Schwerpunkt, dass ich auf der Straße bin und mit Leuten rede? Da gibt es halt total unterschiedliche Auffassungen. Die Spitze ist ganz weit weg von dem, was Politik für Arbeitnehmer sein könnte. Wir sind weit weg davon, eine Bewegung zu sein, da gibt es überhaupt keine Ansatzpunkte mehr, wo ich gemeinsam mit irgendwen kämpfen könnte. Da muss man auch Kritik an der Gewerkschaftsarbeit üben, das ist auch alles so einschläfernd. Dort wissen die Leute ja gar nicht mehr, warum sie bei einer Gewerkschaft sind und was sie dort erkämpfen und erstreiken können. Es muss wieder ein Verständnis vom Klassenkampf geben, das nicht bei der Sozialpartnerschaft endet.

Kommen wir noch zu Ihnen persönlich: Was sind Ihre Ziele bei der Sozialistischen Jugend?
Das Spannende ist für mich die politische Jugendarbeit, wo wir in ganz OÖ Ortsgruppen haben, die wir betreuen, wo wir politisch verschiedenste Dinge machen, von Veranstaltungen bis Workshops oder Aktionen auf der Straße. Das hat mir immer schon Spaß gemacht und ist auch nach wie vor mein Antrieb.

Streben Sie eine politische Karriere an?
Das habe ich mir noch nie vorgenommen, weil ich mir immer denke, was daherkommt, das schaue ich mir an. Aber es ist dadurch, dass ich ein fertiges Studium habe, auch nie die Frage gewesen. Es gab nie die Motivation, dass ich politisch aktiv bin, weil ich irgendwo, irgendwie einen gut bezahlten Job haben will. Ich finde es schade, wenn Leute diese Motivation haben, weil man sich da oft sehr verbiegen muss, damit man irgendwo was wird. Ich habe mir immer gedacht, ich schaue, was auf mich zukommt und wenn ich, so wie es bei den Nationalratswahlen war, auf einer Liste stehe, kann man das nutzen, die große Motivation war das für mich aber nie.

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