Wenn der Flughafen zum Wohnort wird
„Wir können derzeit nicht landen, auf dem Flughafen ist viel los“, verkündet der Pilot aus dem Cockpit beim Landeanflug auf Bangui. Das Problem sind hier nicht die Flugzeuge, sondern die vielen tausend Menschen, die am Flughafengelände ihre Zelte aufgeschlagen haben und Schutz vor den Rebellen suchen.
In der Zentralafrikanischen Republik ist seit dem Putsch durch die Seleka-Rebellen im Sommer 2013 die staatliche Ordnung zusammengebrochen. Die Menschen erlebten eine unfassbare Gewalt. Der bewaffnete Konflikt führte zur Vertreibung von landesweit über eine Million Menschen. Mehr als die Hälfte flüchtete in die Hauptstadt Bangui, rund 50.000 Menschen kamen zum internationalen Flughafen. Ihre Notunterkünfte befinden sich zwischen ausrangierten Flugzeugen entlang der Landebahn.
Um unser Projektgebiet zu erreichen, durchqueren wir dieses Flüchtlingslager. Von den mehr als 50.000 Menschen, die im Dezember 2013 hier gezählt wurden, hat knapp die Hälfte das Camp wieder verlassen. 25.000 Menschen sind noch hier. Für sie ist eine Rückkehr aus Sicherheitsgründen derzeit nicht möglich. Sie harren aus.
Einen Steinwurf vom Hauptgebäude des internationalen Flughafens entfernt, befinden sich die ersten Notunterkünfte. Plastikplanen, Matten, Stoffreste und Wellbleche wurden für die Errichtung verwendet. Eine schmale Straße windet sich an ihnen vorbei. In der letzten Nacht hat es geregnet und die Straßenlöcher sind mit Wasser gefüllt. Der Taxifahrer versucht, den Pfützen auszuweichen, doch es gelingt ihm nicht. Zu knapp führt die Straße an den Behausungen vorbei. Langsam kippt das Fahrzeug in die nächste Pfütze und das erdbraune Regenwasser spritzt auf die nächste Plastikplane, die vor dem Eingang der Behausung hängt. Wir schaukeln weiter.
Auf einem schmalen Erdstreifen zwischen zwei Zelten, wird Gemüse angebaut. Kleine Salatpflanzen entwickeln sich. Vor einigen Zelten sitzen Menschen. Ein Mann bastelt an einem Stück Sandalen, um ihn wieder gebrauchsfähig zu machen. Daneben brät eine Frau Teigtaschen. Dahinter sitzen Frauen und Kinder und flechten sich Frisuren. Ein Stück weiter sind provisorische Marktstände errichtet, wo Fleisch, Gemüse und Hygieneartikel angeboten werden. Noch ein Stück weiter findet man Schrauben, Nägel und Moped-Ersatzteile. Rasch wird klar, dass sich innerhalb des Camps eine Art Dorfstruktur entwickelt hat. Die Härte, mit der die Menschen ihren Alltag leben, ist spürbar. Ihre Gesichter sprechen eine deutliche Sprache, die meisten haben Schreckliches erlebt.
Ein penetranter Geruch steigt auf. Ich recke den Kopf aus dem Fenster und blicke auf die Reste eines zerfleischten Rinderkopfes, der am Straßenrand liegt. Zwischen den Zelten stehen noch alte, ausrangierte Flugzeuge. Menschen sitzen aufgereiht im Schatten unter den Tragflügeln. Decken hängen auf den Propellern zum Trocknen.
Wir schaukeln die Schlaglöcher weiter, vorbei an einem Schild „Chapel 8.00 – 9.00“. Auch Gottesdienste finden hier statt. Vor den Hütten spielen Kinder ausgelassen Fußball. Sie haben sichtlich Spaß. Der Ball rollt über das Mini-Spielfeld hinaus und bleibt knapp vor der Landebahn liegen.
Auf der anderen Seite der Landebahn bauen die Flüchtlinge großflächig Gemüse an. Auch Brennholz beschaffen sie von dort. Es herrscht reges Treiben und ich erinnere mich an die Wort des Piloten, „we cannot land at the moment, the airport is busy“.
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