Was ist eigentlich Hunger?
Vor vielen Jahren saß ich mit zwei Studienkollegen in einem Innsbrucker Gasthaus.
Wie hatten schon ein bisserl was getrunken - damals war es halt so - und gut unterwegs, als wir auf das Thema Hunger zu reden kamen.
In dieser angeheiterten Stimmung wurde uns bewußt, dass keiner von uns wirklich wusste, was es bedeutet Hunger zu haben. Appetit und Kohldampf ja, aber so richtig Hunger, das war eigentlich ein Fremdwort. In unserem jugendlichen Enthusiasmus vereinbarten wir, dass wir gemeinsam einen ganzen Tag lang nichts essen werden, um dieses Gefühl zu verstehen, wovon wir nur in den Nachrichten gehört hatten. Gleichzeitig vereinbarten wir, dass wir an diesem Tag zu Mitternacht in einen Wienerwald Restaurant gehen würden und mit dem Schlag der Mitternachtsglocke ein Henderl bestellen würden. Einfach auch um zu sehen, wie es dann schmeckt, nachdem man einen Tag lang bewußt verzichtet hatte. Sollte jemand von uns diese Vereinbarung an diesem Tag brechen, so bedeutete das gleichzeitig, dass er die Rechnung im Gasthaus für alle zu bezahlen hat.
Ein paar Tage später gingen wir an die Sache heran. Appetit entwickelte sich zu Kohldampf und aus Kohldampf wurde bald so richtiger Hunger. Wir kontrollierten uns gegenseitig ganz genau, damit keiner umfallen würde und sich um diese Erfahrung bringt.
Die Stunden vergingen und Mitternacht rückte heran. Um halb 12 hielten wir es kaum mehr aus und betraten das Restaurant. "Wollt ihr was bestellen?" fragte der Kellner. "Erst um Mitternacht!" antworteten wir vereinbarungsgemäß. Der Kellner schüttelte den Kopf, akzeptierte jedoch unsere etwas eigenartig anmutende Antwort. Wir blickten uns an und konnten unsere Mägen buchstäblich knurren hören. "Was wäre wenn wir doch ein paar Minuten vor Mitternacht bestellen?" fragte einer von uns schüchtern. "Auf keinen Fall!" antworten die beiden anderen entschieden. Doch das hielt nur ein paar MInuten an. "Was wäre wenn wir vereinbaren, dass jeder selbst zahlt und wir bestellen gemeinsam." Unsere Vereinbarung wackelte bei diesem Kompromißvorschlag schon ziemlich heftig. "Nein" "Ja, wenn alle dafür sind!" "Rufen wir den Kellner?" "Ja, ich hab so einen HUnger!"
Ein paar MInuten vor Mitternacht, ließen wir all unsere Vorsätze fallen und bestellten gemeinsam je ein Henderl.
Es war das beste Essen meines Lebens. Zumindest empfand ich es genau in diesem Augenblick so.
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