Neue Tagebuch-Veröffentlichung erzählt vom Kriegsende in Grinzing
Das Tagebuch einer britischen Gouvernante gibt Einblick in den Alltag der Jahre 1944 und 1945. Alice Frith lebte mit der Familie Ferstel in Grinzing und berichtet von Bombeneinschlägen und dem Leid der Zivilbevölkerung.
DÖBLING. Ihren britischen Humor und die ihren Landsleuten nachgesagte Distanz habe sie sich immer bewahrt, sagt Anglistik-Professor Manfred Draudt über Alice Frith. Er hat das Tagebuch von Frith, die von 1910 bis zu ihrem Tod 1959 als Erzieherin in Wien tätig war, kommentiert und herausgegeben. "Sie werden uns wohl mit einem weiteren Besuch beehren", heißt es dort etwa an einer Stelle über die Bomber.
Frith lebte bei der Familie Ferstel in Grinzing. Die Familie flüchtete 1944 vor dem Luftkrieg nach Tirol, Frith durfte als englische Staatsbürgerin die Stadt nicht verlassen und blieb allein zurück. Sie begann Tagebuch zu schreiben, so entstand "ein seltenes, unmittelbares Zeugnis dieser Zeit", wie Draudt sagt.
Mit Empathie schildert Frith die Schrecken der Bombenangriffe, die Schicksale der Opfer, die Armut der Flüchtlinge und ihre eigenen Entbehrungen und Ängste. Grinzing war ab Herbst 1944 ein häufig getroffenes Ziel alliierter Bomben, da sich in der Nähe Industrie und Bahninfrastruktur befanden. Frith schildert ihre Angst und jene ihrer Freundinnen während der Angriffe. Sie beschreibt die Schäden in Grinzing, beschreibt den Alltag oft ohne Strom, Wasser und mit einem sehr eingeschränkten Speiseplan. Mit der NS-Herrschaft hat Alice Frith nicht sympathisiert. Offensichtlich wird das etwa, wenn sie den benachbarten SS-Offizier immer nur "diesen Nazi" nennt.
Entdeckt wurde Friths Tagebuch von Erna Ferstel, als sie die Hinterlassenschaft ihrer Schwiegermutter ordnete. Erna Ferstel lernte Frith in deren letzten Lebensjahren als "ältere Dame, die in die Familie voll integriert war" kennen.
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