„Das hat schon etwas Sinnloses“
Für einen Menschen sind 1.061 Wochen die Zeitspanne zwischen „Pampers Newborn“ und z.B. der Anprobe der Maturagarderobe. Für das Österreichische Bundesheer bedeutet genau diese Zeit den längsten und personalsintensivsten Einsatz der Zweiten Republik.
Es ist bereits das 21. Jahr, in dem das Heer an der Staatsgrenze Assistenz für die Sicherheitsbehörden leistet. Seit September 1999 sind in diesem Einsatz über 40.000 Aufgreifungen von illegalen Grenzgängern erfolgt. Über 300.000 Soldaten aus ganz Österreich waren im Burgenland stationiert, um zur Verbesserung der Sicherheit der Bevölkerung beizutragen. Ziel war es, illegale Grenzgänger möglichst grenznahe aufzugreifen und den Sicherheitsbehörden zu übergeben.
Seit Beginn des Jahres 2008 läuft der „Assistenzeinsatz neu“. Soldaten müssen laut Befehl an so genannten Meldepunkten jeweils zwanzig Minuten Wache halten, bevor sie ihre Patrouille fortsetzen. Bei ihrem Rundgang bewachen die Soldaten diverse Objekte nacheinander: das Gemeindeamt, die Kirche, das Postamt, die Kantine des Sportplatzes und ein Kaufhaus. „Wir dürfen sowieso niemanden verhaften oder auch nur festhalten. Nur die Polizei rufen“, sagt ein Soldat. Das Bundesheer hat keinerlei Exekutivbefugnisse. Der Soldat, seine Uniform, das Sturmgewehr und die knallorange Warnweste sind Teile einer großen Inszenierung, die sich Assistenzeinsatz nennt. „Das hat schon etwas Sinnloses“, sagt ein Rekrut. „Aber die Leute lieben es halt.“ Leute wie eine Pensionistin, an deren Haus die Bundesheerpatrouille vier Mal täglich vorbeispaziert. „Man fühlt sich auf jeden Fall sicherer, wenn das Heer hier ist“, sagt die Rentnerin. Der junge Soldat kann sie nicht verstehen. Er hat noch keinen Einbrecher ertappt, keinen Autoknacker in die Flucht geschlagen. Dabei war er schon in fast allen Gemeinden des Bezirks Neusiedl am See im Einsatz. Einmal ist er einen halben Tag lang neben einem Supermarktparkplatz im Gras gelegen. „Das gehört zum Standardprogramm im Burgenlandeinsatz“, sagt der patrouillierende Soldat.
49 Soldaten sind während des Assistenzeinsatzes verstorben. 13 davon bei Verkehrsunfällen und 22 durch Suizid.
Doch was hat der Assistenzeinsatz noch gebracht? In jedem Fall Freude und Tränen, Kummer und Langeweile, Streit und Versöhnung, Erfolgserlebnisse und Frust, einsame Nächte und kaputte Ehen.
Nach nur sechs Ausbildungswochen werden Soldaten, ausgestattet mit einem Sturmgewehr und scharfer Munition, für solch eine verantwortungsvolle Aufgabe herangezogen. Bei diesem Einsatz ist jeder auf sich allein gestellt. Weit weg von seiner Familie, bis zu sechs Wochen durchgehend.
Im Einsatz bei Tag und bei Nacht, bei Hitze und Kälte, bei einem läppischen Tagessalär von 13,25 Euro und das mit nur 18 Jahren. Und wer erledigt die tägliche Arbeit des Berufssoldaten, wenn sich dieser im Assistenzeinsatz befindet? Von voller Auslastung des Bediensteten, wenn ein Kollege die Arbeit des im Assistenzeinsatz befindlichen Soldaten mitbearbeiten kann, kann man dabei nicht sprechen. Kein Wunder, dass sich Berufssoldaten für die Verlängerung des Assis-tenzeinsatzes aussprechen – wenn man dabei eine goldene Nase verdienen kann.
Laut aktuellem Rechnungshof-Bericht wurden in 16 Monaten ganze 20,2 Millionen Euro nur für Personalaufwendungen aufgebracht. Dabei handelt es sich lediglich um die einsatzbezogenen Vergütungen, also um Zulagen. Nicht mitgerechnet sind die Grundbezüge der Bediensteten. Für dieses Geld könnten zum Beispiel 270 Exekutivbeamte beschäftigt werden.
Ein Detail am Rande zu den verursachten Spritkosten: Seit Beginn des Assistenzeinsatzes wurden über 135 Millionen Kilometer Benzin verfahren, was ca. 3.370 Mal der Äquator-Umrundung entspricht. Bedenkt man dabei, dass pro 100 Kilometer ca. 15 Liter Sprit verbraucht werden, betrugen allein die Spritkosten für den Assistenzeinsatz über 20 Millionen Euro.
Laut Sicherheitsdirektion Burgenland wurden im Jahr 2009 im Burgenland 1360 Einbruchsdiebstähle (gem. § 129 StGB) angezeigt. Allein im Bezirk Baden wurden im selben Zeitraum 1.889 Einbrüche gemeldet. Vergleicht man diese Zahlen, ist die Notwendigkeit des derzeitigen Assistenzeinsatzes im Burgenland zumindest zu überdenken. Viele Gendarmerieposten in den Ortschaften im Burgenland wurden in den letzten Jahren geschlossen. Hier stellt sich die Frage, warum Gendarmerieposten geschlossen wurden und der Assistenzeinsatz immer wieder verlängert wurde? Auf diese Frage kann es offensichtlich nur eine Antwort geben: Polizisten sind zu teuer – Rekruten sind vorhanden und kos-ten fast nix.
1.500 Soldaten stellt das ÖBH bereit und die Kosten für den Einsatz betragen laut Verteidigungsminis-terium 12,5 Millionen Euro/Jahr. Aus dem aktuellen Rechnungshofbericht ist jedoch zu entnehmen, dass sich allein die zusätzlichen Kosten für den Assistenzeinsatz in den ersten 16 Monaten, von Ende 2007 bis Ende April 2009, auf 29,3 Millionen Euro belaufen.
Das Bundesheer sollte die Polizei beim Patrouillieren des Grenzraumes unterstützen. Tatsache ist jedoch: Bei einer Unterstützung ist es nicht geblieben – die Soldaten leisten die ganze Arbeit. Oder haben Sie schon einen Polizeibeamten gesehen, der in der Ortschaft bei jeder Tages- und Nachtzeit, bei Kälte und Hitze, 365 Tage im Jahr Streife geht?
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