Spektakuläres im Spektakel
Kafkas "Die Verwandlung" neu interpretiert

Das "Spektakel" befindet sich in der Hamburgerstrasse 14 und zählt zu einer der ältesten Kleinkunstbühnen Wiens. | Foto: Maximilian Spitzauer/RMW
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  • Das "Spektakel" befindet sich in der Hamburgerstrasse 14 und zählt zu einer der ältesten Kleinkunstbühnen Wiens.
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Die Geschichte rund um die seltsame Verwandlung Gregor Samsas in einen Käfer begleitet bereits Generationen von Schulkindern. 1915 von Franz Kafka veröffentlicht, hat sie bis heute nichts an Aktualität eingebüßt. Im Kleinkunsttheater „Spektakel“ wurde die Erzählung im Stück „Die Verwandlung Reloaded“ auf erfrischende Weise neu interpretiert.

WIEN/MARGARETEN. Ganz allein steht Stanislaus Dick auf der kleinen Bühne. Technisches Equipment wie Mikrofone und ein Synthesizer leisten dem Schauspieler Gesellschaft. Ansonsten besteht das Bühnenbild aus aufgetürmten Fernsehbildschirmen und Kisten. Der Rauch der Nebelmaschine durchdringt die Luft, nur wenige Sitzplätze bleiben an diesem Abend frei.

Der Darsteller ist spärlich bekleidet, sein Leib mit vielen Farben beschmiert. Bald wird er zahlreiche unterschiedliche Rollen mimen und dabei vollen Körpereinsatz zeigen. Requisiten, die er für seine herausfordernde Solo-Performance benötigt, sind unter anderem ein falscher Bart, Perücken oder Ketchup.

Als mechanisch klingende, verzerrte Töne aus der Soundanlage dringen und die Monitore allesamt diverse Störsignale von sich geben, ist noch nicht zu erkennen, dass es sich bei seiner Darbietung um eine moderne Neuinterpretation der bekannten Kafka-Erzählung „Die Verwandlung“ handeln wird. Erst als Stanislaus Dick den Namen „Gregor Samsa“ mit von Toneffekten manipulierter Stimme immer und immer wieder in das Mikrofon zischt, fällt der Groschen.

Alter Stoff neu verpackt

Wie bei Franz Kafka wird auch im Stück „Die Verwandlung Reloaded“, das am 31. Jänner in der Margaretener Kleinkunstbühne "Spektakel" aufgeführt wurde, das Leben eines jungen Mannes namens Gregor Samsa behandelt. Dieser wohnt zusammen mit seinem verschuldeten Vater, seiner Mutter und Schwester in einem Haus und ermöglicht der Familie mit seinem Gehalt als Tuchhändler ein angenehmes Leben. Doch auf einmal verwandelt sich die sichere Einnahmequelle "Gregor" ohne erkenntliche Ursache in einen monströsen Käfer.

Seiner Arbeitsfähigkeit auf diese Weise urplötzlich beraubt, wird er seinem Umfeld zunehmend lästig. Sobald klar ist, dass sich der Käfer nicht in den strebsamen, pflichtbewussten Mann zurückverwandelt, wird er vom familiären Leben weitestgehend ausgeschlossen. Nach langem Dahinvegetieren stirbt er schließlich als Insekt, ohne je erfahren zu dürfen, was zu seiner Verwandlung geführt hat.

Vom Improvisationstheater bis hin zu "Powerpoint-Karaoke", bei dem Publikumsgäste spontane Vorträge zu lustigen Themen halten können: Das Programm im "Spektakel" ist wahrlich spektakulär. | Foto: Maximilian Spitzauer/RMW
  • Vom Improvisationstheater bis hin zu "Powerpoint-Karaoke", bei dem Publikumsgäste spontane Vorträge zu lustigen Themen halten können: Das Programm im "Spektakel" ist wahrlich spektakulär.
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Anstatt mit zwei Armen und Beinen überraschend mit zahllosen Fühlern und Beinchen aufwachen? Das gleicht einem puren Albtraum, den der Schauspieler überzeugend darzustellen vermag. Er verkörpert Gregor, der schockiert seinen neuen panzerhaften Körper bemerkt, sich aber vor allem darüber sorgt, nicht zur Arbeit erscheinen können.

Glaubhaft mimt er den Vorgesetzten, der sich über das Nichterscheinen seines Arbeitnehmers beschwert, sowie den Vater, der (ausgestattet mit Hornbrille und Schnauzbart) wutentbrannt an die Zimmertüre seines Sohnes hämmert. Auch die Reaktion der Mutter, die nach dem Anblick ihres veränderten Kindes aufgelöst durch den Raum wirbelt, fängt Stanislaus Dick auf komödiantische Art ein.

In der nächsten Sekunde wirft er sich eine blonde Zopfperücke über und spielt die Schwester, die zwar ebenso von der neuen Gestalt ihres Bruders angeekelt ist, ihn aber gleichzeitig als Einzige mit Essen versorgt. Zugleich ist der Akteur auch Moderator des Stücks, der - mal live, mal aus dem Off - bekannte Textpassagen aus "Die Verwandlung" wiedergibt und durch das Stück leitet.

Was jedoch viel mehr hervorsticht als der permanente Rollenwechsel, ist der Gebrauch technischer Hilfsmittel. Stanislaus Dick vermittelt die Geschichte passagenweise zum Beispiel in Form eines Videotagebuches, in dem die Schwester ihre Eindrücke des nun chaotischen Familienlebens schildert und auch ihre Trauer über den "verlorenen" Bruder kundtut. 

Rohes Schauspiel, das mit wenig Maskerade zu überzeugen weiß, sowie der gekonnte Einsatz von Technik ergeben eine Neuinterpretation des Werkes, die in dieser Form einmalig ist. Zusätzlich ist diese von zahlreichen Sequenzen durchmischt, in denen es schwerfällt, vor Lachen nicht vom Sessel zu fallen.

Immer noch top-aktuell

Es wird ein wilder Ritt, bei dem nicht nur der Schauspieler, sondern auch das Publikum mächtig gefordert ist. Stanislaus Dick robbt über den Boden, springt mühelos in den Handstand, bewirft das Publikum wahlweise mit bunten Plastikbällen oder springt einem Zuseher in den Schoß. Es ist eine temporeiche Performance, die das Publikum aktiv miteinbezieht – das muss man mögen.

Kabarett, Theater, Konzerte, Lesungen: All das gibt es im "Spektakel". Auch Vernissagen finden hier statt.  | Foto: Maximilian Spitzauer/RMW
  • Kabarett, Theater, Konzerte, Lesungen: All das gibt es im "Spektakel". Auch Vernissagen finden hier statt.
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Auf diese Weise wird die Story jedoch viel greifbarer – vor allem deren Message, die seit der Veröffentlichung vor über 100 Jahren immer noch Gültigkeit besitzt. Wie gehen wir mit Menschen um, die von unserem Vorstellungsbild abweichen? Wie behandeln wir Personen, die nicht zum gesellschaftlich akzeptierten Bild des fleißigen Bürgers bzw. der fleißigen Bügerin passen? Was tun wir, wenn wir aus diversen Gründen nicht mehr arbeiten können oder wollen und uns auf einmal wie „verwandelt“ fühlen? Die Performance regt dazu an, darüber nachzudenken.

Akrobatik-Kunst oder Schauspielerei? Komödie oder Gesellschaftskritik? Eine Entscheidung ist nicht nötig, „Die Verwandlung Reloaded“ ist alles auf einmal. In einen echten Käfer verwandeln konnte sich der Schauspieler natürlich nicht, aber seine Solo-Performance weiß über diesen Mangel überzeugend hinwegzutäuschen. Man braucht gar nicht unbedingt ein großes Ensemble an Schauspielern und Schauspielerinnen. Stanislaus Dick hat eindrücklich bewiesen: Ein Mensch allein kann Theater sein.

Möchtest du mehr über den Schauspieler erfahren? Hier kommst du seiner Website: www.stanislausdick.com

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Das "Spektakel" befindet sich in der Hamburgerstrasse 14 und zählt zu einer der ältesten Kleinkunstbühnen Wiens. | Foto: Maximilian Spitzauer/RMW
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Kabarett, Theater, Konzerte, Lesungen: All das gibt es im "Spektakel". Auch Vernissagen finden hier statt.  | Foto: Maximilian Spitzauer/RMW
Der Veranstaltungsraum im "Spektakel" fasst bis zu 100 Personen. Tickets für Theater und Co. können bereits vorab reserviert werden.  | Foto: Maximilian Spitzauer/RMW

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