Bikekitchen: Ein Kochkurs mit Blech
Schrauben, pumpen, tüfteln – im 15ten können Pedalritter selbst Hand anlegen und von den Profis lernen
Die Vienna Bikekitchen in der Goldschlagstraße 8 im 15. Bezirk ist für Fahrradfans aus ganz Wien beliebter Treffpunkt, wenn es darum geht, Bikes zu reparieren, sich auszutauschen und Gleichgesinnte zu treffen.
(us). Die wohl ungewöhnlichste Fahrrad-Selbsthilfe-Werkstatt Wiens, definiert als öffentlich zugänglicher Raum, ist für viele Werkstatt, Küche und Wohnzimmer in einem. Die ungefähr dreißig Mitwirkenden sehen sich nicht nur als Verein zur Förderung der Fahrradkultur in Wien, der den selbstbewussten und verantwortungsvollen Zugang zum Thema Fahrrad anbietet, sondern als Gruppe Gleichgesinnter, die freiwillig und aus Spaß am Miteinander zusammenkommen, voneinander lernen und – natürlich – Räder reparieren.
Keine Männerdominanz
Die Mitarbeit ist ehrenamtlich, da der Verein keinerlei kommerzielle Interessen verfolgt. In der Bikekitchen kann jeder Fahrräder reparieren oder kaputt machen, zerlegen und daraus Choppers, Tallbikes, Longbikes, Einräder, Lastenräder, Anhänger oder auch Kunstobjekte konstruieren. Es gibt jede Menge gebrauchte Ersatzteile und auch Räder, die mit eigenem Aufwand fahrtauglich gemacht werden können. Und dies zu einem Preis, den jeder sich leisten kann und will. Einzige Bedingung: sich selber einbringen.Dienstleistung ist hier ein Fremdwort. Da heißt es Eigeninitiative entfalten, selber Hand anlegen, andere um Rat und Hilfe fragen, die auch gerne gewährt werden. Profis, Amateure, Kinder, Jugendliche und erfreulich viele weibliche Bastlerinnen findet man hier, aber auch Fahrradboten, die nach dem Dienst an ihren Rädern zangeln, plaudern und das verdiente Feierabendbier trinken. „Die Männerdomäne Fahrrad gehört der Vergangenheit an, aber das war hier in der Bikekitchen sowieso nie ein Thema“, erklärt Marianne, Wiens erste Frau, die für „Heavy Pedals“ Lastentransporte fährt. Sie war zuvor in Graz und gehört seit einem halben Jahr fix zum Wiener Bikekitchen-Team.
Keine Zwänge und Rollen
Und weil in einer „Kitchen“ eine richtige Küche nicht fehlen darf, wird auch gekocht und nachher selbstverständlich geputzt und aufgeräumt, klarerweise freiwillig. Freiraum ohne Zwänge und Hierarchien, ohne Geschlechterrollen und Fixierungen sind Grundsätze des offenen Kollektivs, in dem die Bikekitchen seit gut zwei Jahren auch in der Praxis funktioniert. „Nicht immer einfach, aber wir müssen alle ständig lernen, um nicht in alte Stereotype zu verfallen“, erklärt Gründungsmitglied Karl und setzt hinzu: „Wir sind offen für alles, aber Rassismus oder Homophobie haben hier keinen Platz.“
Fairness ist selbstverständlich
Ein nichtkommerzielles Unternehmen zu führen, geht das? Die meisten der Mitwirkenden haben nebenbei einen Brotberuf, denn alle arbeiten hier gratis. Es müssen jedoch auch Dinge angeschafft werden, Werkzeug und Ersatzteile, Lebensmittel und Getränke und jeden Monat ist die Miete für die Souterrainwerkstatt zu zahlen. „Oft ruft jemand an und spendiert uns ein paar alte Fahrräder oder Ersatzteile. Wer hier selber repariert, gerne unter Anleitung, zahlt dafür genau das, was ihm das jeweils wert ist. Der Bar- und Küchenbetrieb basiert auf Spendenbasis. Das wird allgemein sehr fair gehandhabt.“
Es ist ein Kommen und Gehen, viele bleiben hier, doch jeder, der einmal hier war und diese Atmosphäre der Ungezwungenheit und Hilfsbereitschaft erfahren hat, kommt sicher wieder vorbei. Meist kommen Nachbarn, Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene, viele davon mit Immigrations-Hintergrund, oft auch nur mit dem Fahrrad auf Besuch. Weil sie alle willkommen sind und sich hier wohlfühlen. Genau wie in der Küche zu Hause, die ja auch ein sozialer Treffpunkt ist.
Die genauen Öffnungszeiten und das aktuelle Veranstaltungsprogramm gibt es auch online unter www.bikekitchen.net.
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