Der lange Weg zur Volksabstimmung

Kärntner Wahlpropaganda vor der Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 | Foto: Landesarchiv
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  • Kärntner Wahlpropaganda vor der Volksabstimmung am 10. Oktober 1920
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Der 10. Oktober 1920 ist nicht nur ein historisches Datum, das sich im Landesbewusstsein unterschiedlich manifestiert, zumal dem 10. Oktober eine bewegte, von Unsicherheit geprägte Zeit vorausging“, beschreibt Historiker Alfred Elste die Bedeutung der Kärntner Volksabstimmung aus seiner Sicht, „es verbindet sich mit diesem Tag auch eine demokratische Entscheidung, ein Akt der Selbstbestimmung.“ Für die WOCHE-Leser beantwortet der Experte zehn brennende Fragen rund um den Abwehrkampf und die Volksabstimmung von 1918 bis 1920.

Frage 1: Welche Ereignisse gingen dem Abwehrkampf und der Volksabstimmung voraus?
Vor hundert Jahren, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, war Kärnten Teil der Habsburger-Monarchie, die ein Vielvölker-Staat war: In ihr lebten Tschechen, Slowaken, Polen, Ukrainer, Juden, Rumänen, Ungarn, Serben, Bosnier, Kroaten, Slowenen, Italiener und Deutsche. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie (1918) sah sich die junge Republik Deutsch-Österreich mit Gebietsforderungen konfrontiert. Der Staat der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS) erhob unter Betonung slawischer Vergangenheit des Landes Anspruch auf Kärnten, reduzierte seine Forderungen schließlich auf die gemischtsprachigen Landesteile, wovon auch Gebiete mit überwiegend deutscher Mehrheit betroffen waren. Um diese Forderung durchzusetzen, rückten SHS-Truppen in Kärnten ein.

Frage 2: Wie kam es zum „Kärntner Abwehrkampf“?
Als südslawische Verbände die ausgehandelten Demarkationslinien nicht einhielten und die Stadt Völkermarkt besetzten, fasste am 5. Dezember 1918 die damalige provisorische Kärntner Landesregierung unter Landesverweser Arthur Lemisch den Beschluss, dem Vordringen der SHS-Truppen bewaffneten Widerstand zu leisten. Der Kärntner Abwehrkampf begann im Gailtal mit der Rückeroberung von Arnoldstein, einem Vormarsch gegen das Rosental und der Rückeroberung von Ferlach und endete mit einer militärischen Niederlage für Kärnten.

Frage 3: Was hat es mit der so genannten „Miles-Mission“ auf sich?
Unter der Leitung von Sherman Miles bereiste eine amerikanische Studienkommission im Februar 1919 das umstrittene Gebiet in Südkärnten. Das Gutachten der Mission sah die Karawanken anstelle der Drau als Landesgrenze vor.

Frage 4: Wie kam es schließlich zur Volksabstimmung?
Im Mai 1919 beschloss die Friedenskonferenz die Abhaltung einer Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 im betroffenen Gebiet. Dieses sollte über die staatliche Zugehörigkeit der nach dem Ersten Weltkrieg durch den SHS-Staat beanspruchten, überwiegend von Slowenen bewohnten Gebiete im Südosten Kärntens entscheiden. Auf einer Fläche von rund 2.000 km2 lebten etwa 125.000 Einwohner, jeder dritte Kärntner war davon betroffen.

Frage 5: Welche Folgen hatte die Unterzeichung des Friedensvertrages von St. Germain im September 1919?
Aus dem großen Habsburgerreich wurde das „kleine“ Österreich. Kärnten verlor durch den Friedensvertrag das Kanaltal an Italien, das Mießtal mit Unterdrauburg (Dravograd) und die Gemeinde Seeland (Jezersko) an Jugoslawien. Somit gingen 800 km² mit 23.500 Einwohnern verloren, das sind etwa acht Prozent der Landesfläche und sechs Prozent der Bevölkerung. Das umstrittene Gebiet wurde für die Volksabstimmung in zwei Zonen geteilt: „Zone A“ und „Zone B“. Es wurde festgelegt, dass als erste die Bewohner der Zone A befragt werden sollten. Im Falle einer Mehrheit für Österreich würde die Abstimmung in der Zone B entfallen und das Klagenfurter Becken ungeteilt zu Österreich kommen.

Frage 6: Warum wurde gerade am 10. Oktober 1920 abgestimmt?
Die genaue Festlegung und Unterteilung des Abstimmungsgebietes (in „Zone A“ und „Zone B“), die Erfassung der Stimmberechtigten, die Organisation der Abstimmungsbehörden und die Festlegung des Abstimmungsverfahrens erforderten zahlreiche zeitaufwändige Kommissionssitzungen. Daher wurde als Abstimmungstermin schließlich der letzte Sonntag vor dem endgültigen Ablauf der Frist festgelegt.

Frage 7: Wie wurde abgestimmt?
Jeder Wähler der Abstimmungszone „A“ bekam zwei Stimmzettel: einen grünen mit der Aufschrift „Österreich – Avstrija“ und einen weißen mit „Jugoslavija – Jugoslawien“. Wer bei Österreich bleiben wollte, musste den jugoslawischen Stimmzettel zerreißen und beide Zettel in das Wahlkuvert geben. Es dauerte drei Tage, bis alle Stimmen ausgezählt und überprüft waren. Am Abend des 13. Oktobers verkündete die internationale Kommission am Neuen Platz in Klagenfurt das Abstimmungsergebnis.

Frage 8: Wie ging die Abstimmung genau aus?
Angesichts einer Wahlbeteiligung von über 95 Prozent und einer klaren Mehrheit für Österreich mit 22.025 Stimmen (59,04 Prozent ) zu 15.279 Stimmen (40,96 Prozent) für Jugoslawien – das bedeutet eine 18,08-prozentige Stimmenmehrheit für Österreich – war das Abstimmungsergebnis ein deutliches Votum für die junge Republik.
Nach Ansicht aller internationalen Beobachter wurde sie korrekt und fair durchgeführt; auch vom jugoslawischen Vertreter in der Abstimmungskommission wurde das Ergebnis widerspruchslos anerkannt. Konkret heißt das, dass eine zu 70 Prozent slowenisch-sprachige Bevölkerung mit rund 60-prozentiger Mehrheit für den Verbleib bei Österreich gestimmt und zahlenmäßig mehr als 10.000 Personen mit slowenischer Umgangssprache für Österreich votiert haben. Am 22. November 1920 kam das Kärntner Abstimmungsgebiet wieder unter österreichische Hoheitsverwaltung.

Frage 9: Was waren die Wahlmotive der Wähler?
Die Kärntner Slowenen stimmten für diesen Staat nicht aus nationalen Motiven, sondern deswegen, weil ihnen die Republik Österreich ihre nationale Existenz und wirtschaftliche Prosperität im zweisprachigen Kärnten garantierte. Durch die vom SHS-Staat angestrebte Grenzziehung sah man Absatzmärkte gefährdet und Familien von Trennung bedroht. Außerdem spielten Glaubens- und Mentalitätsunterschiede, die demokratische Staatsform Österreichs und dessen höherer Entwicklungs- und Wohlstand sowie die Zusagen bezüglich Minderheitenschutz eine große Rolle.

Frage 10: Wie sah Wahlwerbung damals aus?
Kärnten hatte um seine slowenischen Landsleute geworben, insbesondere die Landesversammlung erklärte, dass sie „ihre sprachliche und nationale Eigenart jetzt und allezeit wahren will“, und dass sie deren geistigem und wirtschaftlichem Aufblühen dieselbe Fürsorge angedeihen lassen wird wie den deutschsprachigen Bewohnern.

Autorin: Anja Skribot

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