"Wir wollen nicht nur unter uns sein"
Die Bezirksblätter besuchten sieben afghanische Flüchtlinge in ihrer neuen Unterkunft in Kukmirn.
KUKMIRN (jv). Man muss sich vorstellen: Der Mensch wird geboren, er geht zur Schule, studiert, lernt einen Beruf, beginnt zu arbeiten, lebt. Bis dahin ganz normal. Bis auf das kleine Detail am Rande, dass man um sein Leben fürchten muss, weil man das "Pech" hatte, in einem Kriegsgebiet geboren worden zu sein.
Flucht ist teuer und gefährlich
In Kukmirn wohnen seit vier Wochen sieben junge Männer aus Afghanistan, alle im Alter zwischen 18 und 24 Jahren. Darunter drei ausgelernte Handwerker, zwei mit abgeschlossenem Studium. Warum sie geflohen sind? "Männer haben es in Kriegsgebieten enorm schwer, das kann sich ein Europäer wahrscheinlich nur schwer vorstellen. Wenn du nicht tust, was dir befohlen wird, bezahlst du mit deinem Leben", sagt Daniela Juen, die Vermieterin des Hauses, in dem die Burschen untergebracht sind. Nabi erzählt, er wurde von den Taliban bedroht, sein Bruder wurde umgebracht. Er sah keine andere Möglichkeit mehr, als sein Hab und Gut zu verkaufen und ins Ausland aufzubrechen. Denn eine Flucht ist wahnsinnig teuer, Schlepper seien da nicht gerade zimperlich. Teile der Strecken sind viele von den Männern zu Fuß gegangen, durch die Türkei und Griechenland, mit dem, was sie am Leib hatten. "Bei all dem Gegenwind, der Asylwerbern oft entgegenschlägt, sollte man vielleicht mal darüber nachdenken, wie es ist auf der Flucht zu sein, in Wäldern zu schlafen, ohne Schuhe Kilometer für Kilometer hinter sich zu bringen", so Juen.
Deutsch lernen hat Priorität
Die Kukmirnerin hat ein kleines großes Helfersyndrom, betreibt sie doch auch einen Gnadenhof mit 95 Tieren. Die Afghanen hat sie in ihrem 169-m2-Haus untergebracht, das nach ihrer Scheidung schon länger leer gestanden ist. "Bis auf den Bürgermeister, der sehr positiv reagiert hat, gab es eigentlich nur Gegenwehr. Ich habe die Burschen trotzdem aufgenommen. Ich habe Platz und möchte helfen. Wer rechnen kann, versteht, dass ich mich an dem nicht bereichern kann, selbst wenn ich wollte." Mindestens dreimal am Tag ist sie vor Ort, eine Art betreutes Wohnen sei das. Lebensgefährte Richard Jurasits und Nachbarin Lisbeth Wachmann helfen mit. "Farid und ich sprechen englisch, somit ist das Deutschlernen nicht ganz so schwer. Aber auch die anderen wollen es unbedingt schnell lernen. Wir wollen nicht nur unter uns sein", macht Nabi deutlich und verspricht, bis Jahresende eine Unterhaltung auf Deutsch führen zu können.
Sicherheit und Leben
Kontakt nach Hause gibt es via Skype, da WLAN im Haus vorhanden ist. Und ja, die Jungs besitzen Handys, teilweise haben sie in Afghanistan auch Wohnungen oder Autos oder Flatscreens besessen. Was sie nicht hatten, ist Sicherheit. Und das suchen sie nun in Österreich. Für sich und ihre Familien. Denn für die war die Flucht einfach zu anstrengend. Deswegen sind die Männer vorerst alleine da. Die erste Kontaktaufnahme mit Österreichern ist schon sehr positiv verlaufen, beim Volleyballspielen ist man sich näher gekommen, zur Freude der Burschen.
ZUR SACHE
Ein Asylwerber bekommt am Tag 6,50 Euro vom Staat. Damit muss er sich seinen Lebensunterhalt finanzieren. Daniela Juen bekommt für die Unterbringung 11 Euro pro Bewohner und Tag. Es dauert über 1 Jahr, bis entschieden ist, ob der Flüchtling bleiben darf, oder nicht. Bis dahin darf er nicht arbeiten.
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