Eine Lehrerin wie aus dem Bilderbuch
In wenigen Wochen strömen wieder tausende Schüler mit gemischten Gefühlen zum Ort, an dem wir für das Leben lernen sollen. Manche zum Erstenmal. Die Schultaschen mit coolen Motiven sind gekauft, die Schultüten randvoll mit Süßigkeiten gefüllt.
Eine Lehrerin aus Wartberg/Krems, 98 Jahre alt, hat Generationen von Schülern auf diesem Weg in den „Ernst des Lebens“ begleitet und gezeigt, dass dieser auch Spaß machen kann – Frau Aloisia Weingartner. Für schulreif erklärt, geschneuzt und gekampelt, machten sich die Schüler auf, in den schuhschachtelförmigen Schulhäusern der 70er Jahre, das Abenteuer Schule zu erleben. Im Klassenzimmer mit den blauen Plastikvorhängen, den Grünlilien auf den Fensterbänken und dem typischen Schulgeruch empfing Frau Weingartner mit ihrer gütigen Art die „Tafelkratzer und Tintenpatzer“. Es dauerte nicht lange, bis die ABC-Schützen mit dem Finger von Buchstabe zu Buchstabe zitternd „Hansi und Mimi“ lesen und 5 Äpfeln und 3 Äpfeln zusammenzählen konnten. Im Gegensatz zu heute reichten wenige Hefte und Bücher aus, es gab noch keine „workshops“ und Projektwochen und dennoch kamen die Schüler gut vorbereitet in die Hauptschule oder ins Gymnasium – nicht wenige machten erstaunliche Karrieren.
"Liebe zu den Kindern"
Frau Weingartner maturierte 1938 in Prag, studierte Lehramt und kam nach Oberösterreich, weil ihr Vater Linzer war. Der Landesschulrat bot ihr eine Stelle in Wartberg/Krems an – bis zu ihrer Pensionierung blieb sie als Lehrerin und zuletzt Direktorin der hiesigen Schule treu. „Das Wichtigste waren mir immer die Kinder“, erinnert sich die betagte Dame - noch heute schwärmen ehemalige Schüler (mittlerweile selber schon in die Jahre gekommen) von ihr als Lieblingslehrerin: sie erinnern sich an schöne Momente, zahlreiche kleine Anekdoten, Peinlichkeiten und Notlügen, als sie mit Tintenkiller und Turnbeutel die Welt entdeckten.
Neben Rechnen, Lesen und Schreiben standen jahreszeitgemäßes Basteln, Turnen in einheitlich schwarzen Shorts mit weißen Streifen und weißen Leiberln und Wandertage auf dem Stundenplan. Frau Weingartner lenkte die Aufmerksamkeit der Schüler, deren rote und blaue Schulrucksäcke mit Sunkist und Wurstbroten befüllt waren, auf die Schönheiten der Natur. Ihr Benotungssystem ist legendär: es gab normale, ein- bis dreimal unterstrichene und römische Einser. So manch einer bekam dann ein paar Schillinge von den Eltern zugesteckt, die in Winnetou-Pickerln und Gummischlangen beim Bäcker ums Eck oder bunte Kugeln aus feuerroten Kaugummiautomaten investiert wurden.
„Das Unterrichten liegt bei meiner Familie in den Genen“, schmunzelt die ehemalige Lehrerin – Kinder, Enkeln und Urenkeln folgten ihrem beruflichen Vorbild. „Eine gute Lehrkraft liebt die Kinder und fördert ihre Stärken“, gibt die Lehrerin wie aus dem Bilderbuch den heutigen Lehrern als Tipp.
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