Zu Besuch im Flüchtlingsquartier Magdeburgkaserne
KLOSTERNEUBURG (cog). Ein Bub im Vorschulalter richtet einen langen Ast gegen einen Kleinlaster vom Bundesheer. Er schießt. Kriegspielen haben viele Kinder im Repertoir. Die Szene, die sich letzte Woche vor der Magedeburg-Kaserne in Klosterneuburg abgespielt hat, hinterlässt trotzdem ein flaues Gefühl im Magen. Der kleine Junge im himmelblauen Pullover spielt möglicherweise nach, was er vor wenigen Wochen selber erleben musste.
Quartier mit zweifelhaftem Charme
Er ist einer von 144 Flüchtlingen aus vorwiegend Syrien und dem Irak, die im provisorischen Asylnotquartier ein kurzzeitiges Zuhause gefunden haben. Rund die Hälfte von ihnen hat die Flucht im Familienverband geschafft, der Rest sind hauptsächlich Single-Männer. Der zweifelhafte militärische Charme des Quartiers im Stabsgebäude der Klosterneuburger Kaserne, wo früher die Pioniertruppenschule untergebracht war und auf deren Areal später ein neuer Stadtteil konzipiert werden soll, lässt sich nicht wegleugnen. Trotzdem: Die Infrastruktur scheint gut zu funktionieren. Im Stiegenaufgang hängen Zettel mit wesentlichen Informationen zu den Zeiten von Essensausgabe, Bibliotheköffnung, Arztanwesenheit und Ausgabe von Kleidung sowie Hygieneartikel. Für die Kinder, die neugierig auf den Besuch sind und durch die Gänge streichen, sind Verbesserungen geplant: Ein Spielzimmer erhält gerade noch den letzten Anstrich, am Asphaltplatz vor dem Stabsgebäude sollen Spielgeräte aufgestellt werden.
Unterrichtet wird nur Deutsch
Viel Möglichkeit zur Zerstreuung gibt es nicht. Eine Option bietet der regelmäßig stattfindene Deutschunterricht, an dem vor allem junge Erwachsene teilnehmen. "Zu mir kommen etwa 25 Leute täglich", berichtet Verena Hlawinka, die Afrikanistin ist Sozialbetreuerin und Deutschlehrerin im Quartier. Sie verhängt auch fleißig die Wände von der Waschküche bis zum Billardraum mit "Guten Morgen"- und "Gute Nacht"-Zetteln: "Damit mir niemand auskommt", schmunzelt sie.
Eltern wollen Unterricht für Kinder
Schule ist ein Thema, das viele Eltern hier beunruhigt: "Meine Kinder sollen Unterricht bekommen", bittet ein Mann, der vier Kinder im schulpflichtigen Alter hat. "Leider", schüttelt Gernot Maier vom Innenministerium den Kopf. "Die österreichische Schulpflicht greift erst sechs Monate nach der Ankunft." Das trifft im Klosterneuburger Flüchtlingsquartier niemanden – es soll nach sechs Monaten wieder geschlossen werden, die meisten Flüchtlinge auch innerhalb von drei, vier Wochen an langfristige Unterkünfte weitervermittelt sein.
Derzeit herrscht Spendenstopp
Die Spendenbereitschaft – kanalisiert über die Stadtgemeinde – sei groß gewesen, bestätigt Maier: "Wir haben momentan genug und brauchen vermutlich erst wieder Kleidung, wenn die wärmere Jahreszeit anbricht." Die Koordinierung über die Gemeinde habe sich bewährt, erklärt Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager: "Jetzt müssen wir die ganzen sechs Monate hindurch auf Zug bleiben, damit es auch im Frühling wieder Unterstützung gibt."
Viel Not, wenig Konflikte
Ob es viele Konflikte zwischen den teils schwer traumatisierten Menschen gäbe? Heinz Mühlbacher, der Leiter des Asylquartiers, schüttelt den Kopf: "Wir versuchen Konflikte im Vorfeld durch die angebotene Sozialbetreuung zu entschärfen. Wenn es erforderlich ist, wird ein Psychologe dazu geholt und im Akutfall die Exekutive." Oft käme letzteres jedoch nicht vor. Die meisten von denen, die wirklich Schlimmes erlebt haben, würden sich aus Erfahrung eher zurückziehen, so Maier.
Militärische Zustände
Um zehn Uhr abends ist Nachtruhe. Eine Ausgangssperre gibt es nicht – innerhalb von Klosterneuburg können sich die AsylbewerberInnen frei bewegen. Jeden Morgen um sechs Uhr jedoch werden alle Flüchtlinge zur so genannten Standeskontrolle mit Anwesenheitspflicht gerufen – und das erinnert dann doch unangenehm an militärische Zustände.
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