Schüsse in den Weingärten: Gedenkveranstaltung und Buchpräsentation in der Justizanstalt Stein zum 70. Jahrestag des „Massakers von Stein“

Auf dem Podium: der Kremser Vizebürgermeister Wolfgang Derler,  Sektionschef Michael Schwanda aus dem Bundesjustizministerium, Moderatorin Barbara Rett, Autor Robert Streibel, Bruno Sladek, Leiter der Justizanstalt Stein, und Claudia Romeder vom Residenz-Verlag (von links).
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  • Auf dem Podium: der Kremser Vizebürgermeister Wolfgang Derler, Sektionschef Michael Schwanda aus dem Bundesjustizministerium, Moderatorin Barbara Rett, Autor Robert Streibel, Bruno Sladek, Leiter der Justizanstalt Stein, und Claudia Romeder vom Residenz-Verlag (von links).
  • hochgeladen von Manfred Kellner

KREMS-STEIN – Am vergangenen Freitag fand in der Alten Klosterkirche der Justizanstalt Stein eine Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag des beispiellosen Massakers von Stein statt. Zugleich stellte der Historiker und Autor Robert Streibel dort seinen neuen Roman „April in Stein“ vor, der vom Leben und vom Überleben im Zuchthaus Stein, von Zwangsarbeit, vom politischen Widerstand und vom Massaker an den Häftlingen in Stein, in Krems und in der Umgebung erzählt. Bei dem Massaker wurden nach heutigen Forschungsergebnissen zwischen 550 und 650 politische Häftlinge nach ihrer Freilassung am 6. April 1945 von SS, SA und Angehörigen der lokalen Bevölkerung gejagt und ermordet worden.

Gedenken an viele Hundert Tote
Die etwa 150 Gäste der Veranstaltung in der Justizanstalt Stein wurden von Robert Streibel auf das Thema eingestimmt - er las den Beginn seines neuen Romans vor: Ein Bub berichtet, wie er die Freilassung der Häftlinge erlebt und welch widersprüchliche Gefühle er dabei hat. Unter der Leitung von Barbara Rett schloss sich eine Podiumsdiskussion an mit dem Autoren Streibel, mit Sektionschef Michael Schwanda, der in Vertretung des Bundesministers für Justiz gekommen war, dem Kremser Vizebürgermeister Wolfgang Derler, Bruno Sladek, Leiter der Justizanstalt Stein, und mit Claudia Romeder vom Residenz-Verlag, bei dem das Buch erschienen ist. Durch die Veranstaltung führte Moderatorin Barbara Rett (ORF 3).

Für Gegenwart und Zukunft lernen
In der Diskussion unterstrich Michael Schwanda die Bedeutung der Beschäftigung mit der Vergangenheit: „Die Justiz als dritte Staatsgewalt muss heute wissen, was gestern los ist, um morgen gestalten zu können!“ Das bestätigte auch Vizebürgermeister Derler: „Es ist der richtige Weg, diese schrecklichen Ereignisse zu analysierten und zu bewerten.“ Die Stadt Krems habe sich dabei schon seit Jahren engagiert, aber: „Dieser Prozess kann nie zu Ende sein!“ Bruno Sladek, Leiter der Justizanstalt Stein, wies darauf hin, dass man frühzeitig darauf aufpassen müsse, ob sich die Atmosphäre in einer Gesellschaft verändere. „Ich bin besorgt über den rauen Ton, der sich heute vielfach verbreitet!“ Dagegen müsse Toleranz und Wertschätzung gesetzt werden – auch in den Justizanstalten. Claudia Romeder ging auf den neuen Roman von Robert Streibel ein und lobte seine politische und literarische Qualität sowie seine gesellschaftliche Relevanz.

Zeitzeuge und Schweigeminute

Zwischen den Diskussionsbeiträgen kam unter anderen der Vater von Robert Streibel zu Wort – sozusagen der Bub des ersten Kapitels. Er unterstrich, dass die Erinnerungen an das Massaker bei ihm nie verblasst sind – an das Maschinengewehr vor den Zuchthaustor, an fliehende Menschen, an Schüsse in den Weingärten. So wurde das, was der Vater in der Familie erzählte, für Robert Streibel zur ursprünglichen Motivation, sich wissenschaftlich mit dem Geschehen auseinanderzusetzen und jetzt den Roman zu schreiben.
Abschließender emotionaler Höhepunkt der Gedenkveranstaltung: Autor Robert Streibel las ein weiteres Kapitel aus dem Roman „April in Stein“ vor – und an dessen Schluss erhoben sich die Besucher von ihren Plätzen und ehrten die Opfer des Massakers von Stein mit einer Schweigeminute. mke

Stichwort: Das Massaker von Stein
Während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft waren im damaligen Zuchthaus Stein, dem größten in der sogenannten Ostmark, vor allem Regimegegner eingekerkert – Mitglieder von Widerstandsbewegungen in Österreich, vorwiegend mit kommunistischen, sozialdemokratischen, bürgerlichen und christlichen Hintergrund, aber etwa auch politische Gefangene aus Griechenland. Am 6. April 1945 öffnete Gefängnisdirektor Franz Kodré angesichts der vorrückenden Roten Armee die Tore der Haftanstalt. Aber: Die Freigelassenen sowie noch im Zuchthaus verbliebene Häftlinge wurden „wie die Hasen“ von SS, SA und Angehörigen der lokalen Bevölkerung gejagt und ermordet – im der Strafanstalt selbst und in umliegenden Ortschaften wie Krems, Paudorf-Göttweig und Hadersdorf am Kamp. Zwischen 550 und 650 politische Gefangene wurden dabei getötet – und auch Gefängnisdirektor Kodré und drei Gefängniswärter, die sich für die Häftlinge eingesetzt hatten, wurden hingerichtet. Heute hat sich der Begriff „Massaker von Stein“ für die erschütternden Ereignisse eingebürgert. mke

Zur Person: Dr. Robert Streibel
Dr. Robert Streibel, Jahrgang 1959 und gebürtiger Kremser, ist Historiker und Schriftsteller. Er promovierte an der Universität Wien und führt historische Forschungsobjekte etwa zu den Themenfeldern Nationalsozialismus, Judentum und Exil durch. Seine Schwerpunkte sind dabei Niederösterreich und Krems. So geht es in einem seiner Bücher um Alltageschroniken aus der „Stadt Krems im Dritten Reich“, in einem anderen um „Krems 1938 bis 1945“ – eine Geschichte von Anpassung, Verrat und Widerstand“. mke

Weitere Informationen
Der Film „Die Kremser Hasenjagd“ von Gerhard Pazderka, Enkel eines damals Ermordeten, lässt Zeitzeugen des blutigen Massakers der Nazis an den politischen Häftlingen des Zuchthauses Stein im April 1945 zu Wort kommen. Zu finden ist er unter anderem auf YouTube unter den Stichworten „Massaker von Stein“.

Eine Seminararbeit von Katharina Moser und Alexander Horacek mit dem Titel „Zur Erschießung von 61 Menschen in Hadersdorf am Kamp am 7. April 1945“ von 1994/95 findet sich im Internet. mke

Aktuelle Termine:

10. April, 19 Uhr: Ausstellungseröffnung „Stein 1945“ in der Galerie Kultur Mitte, Obere Landstr. 8.

10. bis 24. April, montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr und auf Anfrage: Ausstellung „Stein 1945“ in der Galerie Kultur Mitte, Obere Landstr. 8.

12. April, 15 Uhr, Friedhof Stein: Gedenken anlässlich des 70. Jahrestages der „Massaker von Stein“.

Wo: Justizanstalt Stein, Krems an der Donau auf Karte anzeigen

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