"Ich nenne das Hausverstand"

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BezirksRundschau: Sie sind mit der aktuellen Arbeitsmarktpolitik des Landes nicht zufrieden, hat man zumindest den Eindruck?
Reinhold Entholzer:
Man muss neue Wege beschreiten. Die ausgetretenen Pfade passen einfach nicht mehr. Zuerst sind wir belächelt worden, als wir am 1. Mai gesagt haben, dass wir einen Industriebeteiligungsfonds in Oberösterreich benötigen. Aber das ist der richtige Weg, um mehr Einfluss zu nehmen. Und es muss sich ja nicht nur das Land Oberösterreich beteiligen, sondern es können sich auch andere Institutionen beteiligen – von Banken über Gebietskrankenkassen bis zu den Kammern. Wer international veranlagen kann, kann das auch in Oberösterreich tun. Natürlich nicht in risikobehafteten Unternehmen. Dieser Industriebeteiligungsfonds zusammen mit einer Mitarbeiterbeteiligung wäre ein probates Mittel für eine vernünftige Standortpolitik.

Böse Zungen könnten da von einer Verstaatlichung sprechen.
Verstaatlichung wäre es, wenn wir operativ ins Geschäft eingreifen würden. Das will ich nicht. Als Eigentümer will ich bei strategischen Verlagerungen – wie beispielsweise aktuell bei der Siemens VAI – ein Mitspracherecht haben. Das ist der große Unterschied.

Wie hoch soll ein solcher etwaiger Fonds dotiert sein?
Da müssen zuerst die Spielregeln festgelegt werden, wer will dabei sein, wer nicht. Über die Höhe mag ich da noch nicht sprechen.

Und wie rasch soll der Fonds etabliert werden?
So rasch wie möglich. Mir geht es darum, neue Wege zu beschreiten.

Also hat die Wirtschaftspolitik in Oberösterreich Ihrer Meinung nach versagt?
Ich will nicht nur reagieren, sondern agieren können. Wenn man nie mit neuen Maßnahmen beginnt, wird man nie einen Fuß in die Tür bekommen. Das ist das Entscheidende. Und es ist der richtigere Weg, als im Nachhinein etwas zu kitten. Wir müssen die Ursachen bekämpfen. Mitsubishi zum Beispiel ist eine hohe Dividende wichtig. Wäre das in oberösterreichischer Hand, könnte man bestimmen, dass es wichtiger ist, dass das Unternehmen in Oberösterreich bleibt. Ob die Rendite sechs oder vier Prozent beträgt, ist nicht entscheidend. Wichtig ist, dass positiv gewirtschaftet wird.

Aber ohne Renditen geht es nicht, auch nicht als Land Oberösterreich als Eigentümer.
Natürlich nicht. Aber der Unterschied ist, ob ich acht Prozent Rendite unbedingt haben will oder mich mit drei Prozent Rendite zufriedengebe. Den internationalen Investoren sind drei Prozent Rendite zu wenig.

Also für Sie wären drei Prozent Rendite in Ordnung?
Ja. Wenn wir über der Inflationsrate und dem Zinsniveau liegen, dann auf jeden Fall. Und wenn dadurch ordentliche Arbeitsplätze erhalten bleiben. Letztendlich profitiert die Wirtschaft davon, wenn wir gut bezahlte Arbeitsplätze im Land haben.

Heißt das, Sie streben das Amt des Wirtschaftslandesrates an?
Nein, man muss ja nicht für alles Experte sein. Aber man kann seine Meinung äußern und so Veränderungen anregen. Ich bin auch für Vollbeschäftigung. Da werden einige sagen, dass das derzeit nicht möglich ist. Aber die Vollbeschäftigung muss das Ziel sein. Das haben wir in den 70er-Jahren ja auch versucht, und um Barbara Prammer zu zitieren: "Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden." Und darum geht es auch aktuell. Das Ziel muss Vollbeschäftigung sein. Wir sind deshalb so gut durch die Krise gekommen, weil bei uns der Privatkonsum so hoch war. Und der war so hoch, weil das Beschäftigungsniveau so hoch war. Ist das nicht der Fall, kommen wir in eine Abwärtsspirale, die niemandem nützt.

Ausgetretene Wege verlassen hieße ja auch in anderen Ressorts Verantwortung zu übernehmen?
So gesehen möchte ich natürlich alles machen. Aber das geht nicht. Mir geht es darum, gemeinsame Wege zu gehen und gemeinsam Politik zu machen. Ich habe nicht den Anspruch zu sagen, ich hätte den Stein der Weisen gefunden.

Vollbeschäftigung beziehungsweise eine möglichst hohe Beschäftigungsquote haben sich aber alle Parteien auf ihre Fahnen geheftet.
Trotzdem hat man es in letzter Zeit nicht sehr oft gehört. Es gibt ja einige Wirtschaftskapitäne, die gerne acht bis zehn Prozent Arbeitslosenrate haben, weil sie so die Löhne drücken können. Das ist aber eine wahnsinnige Kurzsichtigkeit. Wir haben in Oberösterreich eine hohe Massenkaufkraft und es nutzt niemandem etwas, wenn wir alles billig produzieren, es sich aber niemand leisten kann, die Sachen zu kaufen.

Zum Gemeinderessort, das Sie auch innehaben. Unter den 250 finanzkräftigsten Gemeinden Österreichs sind nur zwölf aus Oberösterreich. Wie kommentieren Sie das?
Da sieht man die Unterschiede ganz deutlich zwischen den Bundesländern und es scheint, als würde Oberösterreich weniger an die Gemeinden ausschütten und in anderen Bundesländern die Gemeinden mehr Autonomie haben. Wenn man mehr Bürgernähe will, muss man auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen. Deshalb verlängern wir einen aufgabenorientierten Finanzausgleich.

Das bedeutet mehr Geld für die größeren Kommunen, die großteils von der SPÖ regiert werden.
Nicht zwingend. Aber man muss sich ansehen, welche Gemeinde welche übergeordneten Aufgaben übernehmen kann. Beispielsweise ein Hallenbad: Ganz wenige Gemeinden rund um Linz haben ein Hallenbad. Und doch kommen die Schüler aus den Randgemeinden nach Linz ins Hallenbad. Und dann wird geschimpft, dass das Hallenbad in Linz ein Abgangsposten ist. Das wird in Bad Ischl ähnlich sein. Aber das ist halt eine zentrale Aufgabe, die aber nicht nur von der einen Gemeinde alleine finanziell bewältigt werden soll. Und da muss man dementsprechend öffentliche Mittel bereitstellen.

Stichwort öffentlicher Verkehr. Da laufen derzeit die Arbeiten zu einigen großen Projekten.
Definitiv. Zweite Straßenbahnachse in Linz, Fertigstellung des Bahnhofs Attnang-Puchheim, Verlängerung der Salzburger Lokalbahn um drei Kilometer nach Ostermiething, um nur ein paar Projekte zu nennen. Da haben wir doch einiges zusammengebracht. Wir werden auch heuer die Übernahme der Nebenbahnen unter Dach und Fach bringen.

Was finanziell nicht gerade von Vorteil für Oberösterreich ist.
Auch Straßen sind ein Negativgeschäft. Aber darüber spricht niemand. Da wird es als selbstverständlich angenommen, dass die Infrastruktur passt.

Wie leicht oder schwer ist es, öffentliche Verkehrsprojekte umzusetzen?
Leichter ist es nicht gerade geworden. Jedes Schreiben, das ich bekomme, fängt an mit: "Ich bin ja prinzipiell für den öffentlichen Verkehr, aber bitte nicht vor meiner Haustür, hinter meiner Haustür, nebenan" und so weiter. Bei der zweiten Straßenbahnachse ist ja nun eine Finanzierungsmöglichkeit seitens des Landes gegeben. Es ist ja nur interessant, dass beim Westring 500 Millionen Euro kein Thema sind, bei der zweiten Straßenbahnachse 300 Millionen Euro schon. Da sagt man: Es ist finanziell nicht möglich." Gerade im Zentralraum werden wir keine neuen Straßen mehr bauen können. Da wird es ohne einen massiven Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel nicht gehen.

Der vierspurige Ausbau der Westbahn ist noch immer nicht lückenlos fertig, zum Beispiel östlich von Linz.
Das ist sicherlich ein Wermutstropfen, den ich bei jeder Gelegenheit beim Bund thematisiere. Ich werde heuer im Herbst eine Prognose haben, wie ein S-Bahn-Konzept für den Zentralraum aussehen kann. Da bedarf es noch vieler Investitionen.

Wie hat sich das Jugendticket Netz entwickelt?
Sehr gut. Das haben die Jugendlichen überdurchschnittlich gut angenommen. Nächster Schritt ist eine App zur echtzeitbasierten Fahrplanauskunft.

Der Preis von 60 Euro bleibt vorerst?
Ja. Wir werden schauen, wann wir den irgendwann an den Index anpassen.

FPÖ-Obmann Manfred Haimbuchner hat im BezirksRundschau-Interview gemeint, die FPÖ wird nächstes Jahr bei der Landtagswahl Zweiter.
Und ich gehe davon aus, dass wir relativ sicher Zweiter werden und nicht die FPÖ. Haimbuchner darf ruhig Wünsche und Visionen haben, aber man darf sich da auch nicht verspekulieren. Die SPÖ steht auf einem guten Fundament.

Die SPÖ hat in den Städten bei der Nationalratswahl aber auch geschwächelt.
Die ÖVP hat aber nun auch nicht gerade geglänzt. In Linz war sie etwa nur auf Platz vier. Und darüber redet niemand.

Jetzt frage ich aber den SPÖ-Vorsitzenden.
Ich glaube, wir sind unter den jetzigen Voraussetzungen gut unterwegs. Das Problem ist aber, dass es für unsere Ideen keine Zustimmung gibt. Eine Senkung der Lohnsteuer müssen wir gegenfinanzieren können. Aber die Konservativen wollen über Millionärssteuern nicht reden. Die kommen immer mit dem Damoklesschwert, dass der Mittelstand betroffen wäre. Ich sage, machen wir die Millionärssteuer und gehen wir dann den nächsten Schritt. Immer nur zu sagen, was nicht geht, funktioniert nicht.

Das klingt sehr klassenkämpferisch.
Nein, ich bin für eine sachliche Diskussion. Es kann nicht sein, dass der Eingangssteuersatz bei der Lohnsteuer bei 36,5 Prozent liegt und die Kapitalsteuer bei maximal 25 Prozent. Das ist doch keine Gerechtigkeit. Wenn Sie das Klassenkampf nennen, dann bitte. Ich nenne das Gerechtigkeit. Wenn ich mir die Entwicklungen anschaue, wie sich die Löhne entwickelt haben und wie die Kapitalgewinne, dann kann ich nur sagen, da hat uns wer in den vergangenen Jahren ganz schön übertölpelt. 12,5 Prozent Kapitalertragssteuer bei Stiftungen und 36,5 Prozent Eingangssteuersatz bei der Lohnsteuer, das ist nicht Klassenkampf, sondern Hausverstand, dass das nicht passt. Wir machen jedenfalls als SPÖ in Oberösterreich eine gute Arbeit.

Nach den personellen Veränderungen der vergangenen Jahre: Fühlt sich die SPÖ gut aufgestellt?
Jetzt will ich nicht respektlos sein, aber wir sind zumindest ein gutes Stück jünger als die ÖVP. Bei uns weiß man zumindest, was man kauft, wenn man uns wählt. Das ist bei anderen Parteien definitiv nicht so.

Inwieweit?
Ohne dem Landeshauptmann nahetreten zu wollen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er sechs Jahre als Landeshauptmann bleiben wird. Die ÖVP dürfte sich ihrer Sache nicht allzu sicher sein. Sonst würde sich die ÖVP auch eine Verjüngung zutrauen.

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