Ausstellung: Von Menschen, die hören, was andere sehen
Wie Blinde und Sehbehinderte ihren Alltag meistern, zeigt eine temporäre Ausstellung im Kaufhaus Gerngross auf der Mariahilfer Straße noch bis 28. Mai.
NEUBAU. "Man sagt, man kann seinen eigenen Tod kommen hören." Der Barkeeper in der kleinen Kabine, die im Atrium des Kaufhauses Gerngross aufgebaut ist, serviert mit dem Getränk gleich eine Portion Philosophie mit. "Schon bei Ungeborenen ist der Gehörsinn gut entwickelt," gibt er zu bedenken, "wir hören als Letztes, wenn wir einschlafen, und als Erstes, wenn wir aufwachen. Ich würde sagen, es ist unser wichtigster Sinn."
Es ist auch der einzige Sinn, in dem man sich in der Kabine (bereitgestellt von Dialog im Dunkeln) wirklich verlassen kann, denn hier ist es stockdunkel. Man sieht nichts. Wo die anderen stehen, hört man, wenn sie sprechen. Was man trinkt, kann man erschnuppern und erschmecken. Als sehender Mensch ist man hier bedeutend hilfloser als die blinden Begleiter, die einen an der Hand hinein- und hinausführen müssen - sie hingegen können sogar die Körperformen des Gegenübers "hören", sagen sie.
Punktschriftmaschine und Farberkennungsgerät
Wie sich Blinde und Sehbehinderte fühlen, welche Hilfsmittel sie im Alltag benötigen, das will der Blinden- und Sehbehindertenverband Wien noch bis Samstag, 28. Mai, im Erdgeschoß des Gerngross vermitteln. Man erfährt hier, wie man Brailleschrift zu Papier bringt - mit einer Punktschriftmaschine - , mit welchen Hilfsmittel Blinde ihre Kleiderauswahl treffen - mit einem Farberkunnungsgerät - und wie das Leben mit einem Blindenführhund funktioniert.
Der Königspudel Flo aus dem Haus Gryffindor ist ein solcher Blindenführhund. Seit elf Jahren begleitet er Bay Cigci. "Er führt mich zu U-Bahn-Eingängen und -Ausgängen, er leitet mich zu Türen und über die Straße", sagt Cigci, "er ist für mich das wichtigste Hilfsmittel in der Navigation des öffentlichen Verkehrs."
Der Blinden- und Sehbehindertenverband hilft Blinden und Sehbehinderten dabei, ihren Alltag so zu organisieren, dass sie eigenständig leben können. Es gibt Beratung für die Wahl der geeigneten Hilfsmittel, für die Ausbildung und Berufswahl und auch für Angehörige. Die Organisation hat etwa 1.500 Mitglieder, aber auch Nichtmitglieder sind zur kostenlosen Beratung jederzeit willkommen.
Familientage am Freitag und Samstag
Im Gerngross-Atrium gibt es außer den Mitmach-Station noch eine Ausstellung, die einen Einblick gibt, wie Blinde und Sehbehinderte im Berufsalltag zurechtkommen. Am Freitag und Samstag wartet auf Kinder und Jugendliche außerdem ein Sinnesgarten, der die Aufmerksamkeit auf das Tasten, Fühlen und Riechen lenkt. Wie man als Blinder oder Sehbehinderter lebt, wird man, auch wenn man alle Stationen durchlaufen hat, zwar nicht nachvollziehen können - aber es ist ein erster und lohnender Schritt in die komplexe Welt jener, die sich im Dunkeln so viel besser zurechtfinden, als man selbst.
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