Fetzenschädel und Schrumpfköpfen in Leoben
Geschätzte Leser!
Als Regionaut bin ich natürlich zuerst meinem Bezirk verpflichtet, aber trotzdem stecken einige meiner Wurzeln in der Steiermark und so verlasse ich den schönen 20. Bezirk auch ab und zu um über den Tellerand hinaus zu sehen und Ihnen zu berichten.
Diesmal verschlug es mich nach Leoben. Ich musste mich bei diesem Ausflug durchsetzten und es mir gefallen lassen, das man/frau mich einen steirischen STURSCHÄDEL nannte. Egal, -die Bezeichnung passte zur Ausstellung die ich mir ansehen wollte.
Die Werbung war auch im 20. Bezirk in Wien unübersehbar. Titel der Ausstellung: Schädel Kult - Kopf und Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen. Diese eigentlich unspektakulär klingende Ausstellungsname hat es wirklich in sich.
Auf dem Weg nach Leoben sahen wir auch beim Rolettmuseum in Baden vorbei, wo es auch zum Thema eine Schädelsammlung zu besichtigen gibt. Dr. Franz Josef Gall widmete sich von 1810 bis 1820 diesem Thema. Das es nicht so einfach ist so einen echten Schädel zu bekommen kann man bei der Ausstellung erfahren und so mancher hielt damals schon testamentarisch fest, dass sein Schädel nicht in die Sammlung Galls kommen sollte.
Die Ausstellung in Leoben schafft es, einen interessanten und überaus informativen Überblick über den Schädelkult zu geben. Man erfährt zum Beispiel schon am Beginn, dass der Mensch zwischen 22 und 30 verschiedenen Knochenteile des Schädels besitzt (Dies hängt von der Zählweise der kleinsten Teilchen ab.) und vieles andere mehr. Die Idee zur Ausstellung kam zustande, nachdem man die Schädelsammlung des Künstlers Gabriel von Max (1840 - 1915) wiederentdeckte.
Bevor man zur Kunsthalle beim neuen Leobner Rathaus kommt, hat man schon die Gelegenheit den einen oder anderen Kopf in den Schaufenstern der Leobner Geschäfte zu sehen. Die Botschaft der Ausstellung wird also über die Kunsthalle hinaus in ganz Leoben verbreitet und zeigt, dass hier besonders kluge Köpfe am werken waren. Eine tolle Idee, die Gemeinschaftsgeist, -eben was typisch steirisches, zeigt.
Uns viel ein großer Schädel auf der Waasenbrücke und ein Schädel auf dem Turm des alten Rathauses am Hauptplatz sowie ein Fetzenschädel in einem Stoffgeschäft, ein glänzender Schädel in einem Schmuckgeschäft und ein gesunder Schädel in einer Apotheke auf. Als Kultur- und Sozialanthropologe gefiel mir bei der Ausstellung auch, dass man durch Karten genau wusste, welchem Kontinent oder welcher Insel man die Schädel zuordnen kann und auch die Vielfältigkeit und Einzigartigkeit der Objekte. Auch die Rückgabe von Schädeln an die "rechtmäßigen" Nachfahren wird zur Diskussion gestellt und meiner Meinung nach sehr weise beantwortet. Doch selbst vorbeischauen und lesen! Faszinierend waren auch die vielen Hinweise zu den Schädeltrepanationen- also chirurgische Eingriffe, die schon zur Zeit, als die Heilkunde noch nicht existierte, durchgeführt wurden.
Natürlich gab es auch Schrumpfköpfe (Tsantsa) von den Jivaro (eigen Bezeichnung Shuar, Achuar, Huambisa und Aguaruna), die in Peru und Ecuador leben zu sehen.
Faszinierend war auch ein Video in dem die Herstellung eines Kristallschädels gezeigt wird. Was wirklich dahinter steckt...?
Auf jeden Fall sollte man genügend Zeit und eine Kaffeepause auf dem Schwammerlturm (Achtung! Beherbergt noch ein Museum!) einplanen.
Der Ausstellungskatalog war mit EUR 19 verhältnismäßig günstig! 388 Seiten
Er beinhaltet noch einiges mehr als in der Ausstellung zu sehen ist.
Behalten Sie also kühlen Kopf, ...stecken Sie ihren Kopf ruhig überall hinein und werden Sie ja nicht Kopflos, denn sonst landen Sie eventuell in einer Sammlung...
Ihr
Manfred Litscher
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