Statistikfehler
Radeln in Döbling rechtfertigt Radweg mit falschen Zahlen
Am Freitag, 21. Jänner, haben wir über eine Podiumsdiskussion von Radeln in Döbling (RiD) berichtet. RiD fordert einen Radweg in der Döblinger Krottenbachstraße. Eines der vordergründigsten Argumente, nicht nur an diesem Diskussionsabend: die vermeintlich hohe Unfallstatistik, die zeige, dass es unbedingt einen Radweg brauche. Nun stellt sich heraus: Man präsentierte Zahlen, die weit von der Realität abweichen.
WIEN/DÖBLING. Es war ein Abend der "nackten" Zahlen, der online in Döbling stattgefunden hat. Am Mittwoch, 19. Jänner, lud Radeln in Döbling (RiD) zur großen Online-Diskussion mit Experten und Spitzenpolitikern aus dem 19. Bezirk. Auch die BezirksZeitung hat berichtet - mehr dazu findest du in diesem Beitrag.
Neben der Präsentation etlicher Studien über die Gesundheit des Radfahrens oder das Radlerverhalten präsentierte auch RiD Initiator Peter Kühnberger eines seiner stärksten Argumente für einen Krottenbachstraßenradweg: eine Unfallstatistik der Jahre 2013 bis 2020. Als Quellenangabe gab er auf seiner Präsentationsfolie vor der versammelten Runde die Statistik Austria an.
Auf Nachfrage meinte er, es handle sich um eine Eigenrechnung auf Datengrundlage der Statistik Austria: "Jährlich verzeichnet man rund 15 Verkehrsunfälle mit Personenschaden – zwei Drittel davon Autos gegen Menschen zu Fuß oder am Rad", so sein Ergebnis. Also wären das zehn Unfälle mit Radlern und Fußgängern pro Jahr. Sein Fazit: Radeln ohne Radweg ist in der Krottenbachstraße nicht sicher. Diese Ansichten übermittelte RiD auch nochmals in einer eigenen Presseaussendung zum Diskussionsabend.
Nicht nachvollziehbar
Am Ende der Vorträge standen die Parteispitzen Döblings dann Rede und Antwort zu den Argumenten. Erklärte Gegner eines Radwegs sind Bezirkschef Daniel Resch (ÖVP) und sein Bruder Klemens Resch (FPÖ). Ersterem kamen die vorgelegten Zahlen bereits am selben Abend noch spanisch vor: "Ich kann diese Zahlen ehrlich gesagt nicht nachvollziehen."
Die BezirksZeitung hat den Taschenrechner ausgepackt und die Zahlen einem Faktencheck unterzogen und selbst nach mehrmaliger Prüfung nicht nachvollziehen können, wie RiD-Initiator Kühnberger auf seine Werte in der Unfallstatistik gekommen war. Auf Nachfrage bei der Statistik Austria kamen dann andere Zahlen ans Licht.
"Nur" neun Unfälle gegen Radler
Vonseiten der Statistik Austria hieß es: "Die genannten Zahlen stimmen unglücklicherweise nicht mit unseren überein und konnten von uns nicht nachvollzogen werden." Laut Statistik Austria gab es insgesamt 140 Unfälle mit Personenschaden von 2013 bis 2020. Und davon "36 Unfälle zwischen Pkw und Fußgänger, sowie weitere neun zwischen Pkw und Fahrrad. Diese 45 Unfälle entsprechen somit 32 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden."
Also weit entfernt von zwei Drittel (wären 66 Prozent). Rechnet man das nochmals auf einen Jahresdurchschnitt um, kommt man auf hochgerechnet sechs solcher Zusammenstöße - und nicht zehn. Zudem: Im gesamten Zeitraum zwischen 2013 und 2020 gab es neun Unfälle mit Personenschäden zwischen Pkw und Radfahrern auf einer der Hauptverkehrsrouten der Stadt Wien, auf mehr als drei Kilometer Länge.
Für Bezirksvorsteher hat sich die Radlobby "disqualifiziert"
In einem ersten Statement wirkt Bezirksvorsteher Resch nicht verwundert. Für ihn haben sich RiD und Initiator Peter Kühnberger nun endgültig disqualifiziert. Es werde versucht, mit falschen Zahlen den Eindruck einer massiven Unfallhäufigkeit entstehen zu lassen. Abseits der "unseriösen und unwissenschaftlichen Herangehensweise" werde dieser nun "der Unwahrheit überführt".
"Ich sagte bereits, diese Methoden haben in Döbling keinen Platz, die jüngsten Enthüllungen bestätigen meinen Kurs. Ein weiterer Grund, warum die Störaktionen der Radlobby, welche sich auf eine falsche Datenbasis stützt, ein Ende haben sollten." Damit sind die Demonstrationen von RiD auf der Krottenbachstraße gemeint, die auch den Anrainerinnen und Anrainern offenbar sauer aufstoßen.
Kein Gehör mehr von der Politik für die Initiative
Auch Klemens Resch (FPÖ) schlägt in der Causa Zahlenwirrwarr in die selbe Kerbe wie sein Bruder: „Die Radlobby Döbling hat sich durch die Verbreitung von falschen Zahlen selbst disqualifiziert. Wer so operiert, darf von der Politik kein Gehör bekommen." Er fordert außerdem die Stadt Wien auf, die Zusammenarbeit mit Vereinen zu beenden, in denen RiD Aktivisten sitzen.
"Von jenen Bezirksparteien (SPÖ, Neos und Grüne), die sich mit ,Radeln in Döbling' ins Nest gelegt haben und auch deren Demonstrationen unterstützen, verlange ich eine sofortige Distanzierung von dieser Organisation." Außerdem brauche es jetzt ein deutliches Zeichen von Peter Kühnberger: "Jener Aktivist, der für die falschen Zahlen die Verantwortung trägt, muss sich sofort öffentlich bei allen Döblingern entschuldigen.“
Statement von Peter Kühnberger
Wir haben RiD samt Initiativengründer Peter Kühnberger um eine Stellungnahme zu der Verwirrung rund um die Zahlen gebeten. In einer ersten, schriftlichen Begründung teilt RiD-Initiator Kühnberger mit:
"Die Statistik Austria kommt mit ihrer Datenbank anstatt meiner händischen Zählung von 122 Verkehrsunfälle mit Personenschäden auf 140 Verkehrsunfälle." (Anmerkung: Damit ist wohlgemerkt die Gesamtanzahl an Verkehrsunfällen mit Personenschaden gemeint, also auch z.B. ein PKW Unfall ohne Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer)
"Damit wird meine Hauptaussage, dass die Straße ein gefährliches Pflaster ist, noch mehr unterstrichen. Anstelle von 15 Verkehrsunfällen sind es also 17,5 Verkehrsunfälle mit Personenschaden im Jahr."
Kühnberger sieht sich damit zum Teil bestätigt: "Ich denke, dass das ein klarer Handlungsauftrag an die Politik sein sollte, auf der Straße durch Umgestaltungen, wie sie die Expertinnen und Experten am Mittwochabend genannt haben (Geschwindigkeit runter, baulich getrennter Radweg ...), die Sicherheit zu erhöhen."
Rechenfehler aufgrund fehlender Einblicke
Außerdem habe er gar keine genaue Auflistung gehabt, sondern die Verkehrsunfälle anhand einer digitalisierten Unfallkarte der Statistik Austria gezählt (diese findet man hier. ) Dadurch sei der statistische Fehler – von eigentlich 32 Prozent auf die präsentierten 66 Prozent – erklärbar, so Kühnberger, der weiter erklärt:
"Auf der Unfallkarte - und mir stand nur die händische Recherche zur Verfügung - erscheinen scheinbar alle neueren Mobilitätsarten, Zweirad und aktive Mobilität unter der Kategorie 'Gemischte oder sonstige Beteiligung' zusammengefasst. Das hat zu Verwirrung geführt und ich werde diese Grafik mit der Aufteilung zwischen den Mobilitätsarten entfernen, da sie zu ungenau und der Sache nicht dienlich ist."
Es gibt für Kühnberger also weiterhin viel Verbesserungsbedarf in der Krottenbachstraße. "Für mich, und da spreche ich jetzt auch für alle Kolleginnen und Kollegen von Radeln in Döbling, ist jede/r verletzte Autofahrende, jede/r verletzte Zweiradfahrende, jede/r verletzte Fußgehende, jede/r verletzte E-Scooter-Fahrende, jede/r verletzte Roller-Fahrende ein Verletzter zu viel!"
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