Es ist Samstag
Es ist Samstag und wir sind unterwegs. „Wir“ sind mein Freund Emanuel und ich. Außer dass wir wandern und fotografieren wollen, überlassen wir alles mehr oder weniger dem Zufall. Wir entscheiden, zum Cobenzl zu fahren.
Emanuel, der meisterliche Fotograf, hat diesmal seine Kamera nicht dabei, sondern nimmt die Bilder mit einem Handy auf. Wie er habe auch ich meinen Fotoapparat zuhause gelassen und fotografiere mit dem Mobiltelefon.
Diesmal zeigt er mir, wie man die Qualität der Fotos verbessern kann, indem man den Profi-Modus verwendet, der auf allen moderneren Smartphones verfügbar ist. Bequem wie ich bin, ist mir das Lesen von Gebrauchsanweisungen zu anstrengend. Ich weiß ja ohnehin sofort alles. Für mich ist es richtig angenehm, dass er mir so nebenbei alle Tricks erklärt.
Mehr noch lerne ich, wenn ich hinter ihm gehe und ihn beobachte, wo er Motive zum Ablichten findet. Von selbst fallen sie mir nicht auf. Doch sein geübtes Auge erkennt, was wirklich wert ist, fotografiert zu werden. Daher gehe ich fast immer hinter ihm. Nur manchmal reizt es mich, meine eigenen Akzente zu setzen. Dann wartet er auf mich.
Trotzdem steht nicht das Fotografieren im Mittelpunkt. Dieser wunderschöne Herbsttag mit der milden Temperatur hat uns dazu verleitet zu wandern, weit zu wandern. Emanuel regt an, die Sisi-Kapelle zu besichtigen. Er führt mich dorthin. Diese Kapelle wurde 1854 bis 1856 anlässlich der Hochzeit des kaiserlichen Paares Elisabeth und Franz Joseph errichtet. Für mich ist es ein willkommenes Objekt, um es festzuhalten.
Kurz darauf setzen wir unsere Wanderung Richtung Sievering fort. Dabei vermeiden wir, die Straße zu benützen und suchen uns anstatt dessen bequeme Wald- und Wiesenwege. Bald aber geht es auf einem sehr schmalen, sehr steilen Steig nach unten. Anfangs ist das absolut problemlos. Doch als das Gefälle zunimmt. dienen uns Steine und Baum-Wurzeln als Treppe. Für jeden unserer Schritte brauchen wir Halt, um nicht abzurutschen.
Plötzlich überholen uns zwei Mountain-Biker, denen wir „Viel Vergnügen!“ nachrufen. Da schwingt ein bisschen Neid mit, weil die beiden Bremsen an ihren Rädern haben, während wir unser Oberschenkel brauchen, um die Geschwindigkeit zu drosseln. Ich fühle mich viel jünger als 75 und schwelge in der Erinnerung an frühere Bergtouren auf die Nordkette bei Innsbruck, auf das Hochkar bei Göstling an der Ybbs und auf Pian della Regina im Piemont. Also kein Grund zur Besorgnis!
Wir erreichen die Waldgrenze, die Bäume werden weniger und die Strapazen für meine Oberschenkel mehr. Ich bekomme immer größere Schwierigkeiten, meine 112 Kilo Lebendgewicht einzubremsen. Ich finde immer weniger und immer dünnere Bäumchen, die mir Halt bieten können. Ich bin knapp vor dem etwas breiteren querlaufenden Waldweg für Normalbürger. Die Böschung hat es in sich, sie ist noch steiler. Um das Abrutschen zu vermeiden, stemme ich meine Beine in den Boden. Es nützt nichts. Ich gebe auf, ich muss aufgeben. Die Schwerkraft ist so stark, dass nur mehr Hinsetzen nützen würde. Es kommt aber anders: ich kippe vornüber. Instinktiv ziehe ich meinen Kopf ein und es wird ungewollt zu einer Rolle vorwärts. Fassungslos beobachtet mein Freund den Vorfall. Ich versuche aufzustehen. Er hilft mir. Ich stehe wieder. Ich bin unverletzt und mein Freund und ich lachen erleichtert.
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