Asyl-Debatte: Kritik von Wagner und Jellasitz

In einem offenen Brief an LH Hans Niessl übt der Autor Peter Wagner heftige Kritik an der Art der politischen Diskussion rund um Eberau. Wagner schreibt unter anderem, dass er sich vom eingeschlagenen Weg des Populismus „schlicht nur angewidert fühle“. Ebenfalls kritisch zu Wort meldete sich der ehemalige ÖVP-Chef Gerhard Jellasitz.

Wagner-Brief:
Sehr geehrter, wahlwerbender Herr Landeshauptmann,
ich muss Dich leider mit einer Passage aus meinem Buch „Die Burgenbürger“ belästigen, in dem ich Dir immerhin die Ehre gegeben habe, als Pinz Joe neben Onkel Fred die zweite Hauptfigur zu geben. Während Fred Sinowatz, der ewig Verkannte, in unseren Herzen aber längst Etablierte, die letzte Figur in der burgenländischen Sozialdemokratie war, die Herausforderungen angenommen hat aus dem Geist ihrer selten korrumpierbaren sozialen und humanistischen Idee heraus, fühle ich mich von Deinem nun eingeschlagenen Weg des Populismus schlichtweg nur angewidert! Fekters Demokratieverständnis ist eine Katastrophe, klar, aber dass auch Du nun die politische, intellektuelle und menschliche Katastrophe in deinem Hirn und dem Deiner Partei etablierst, dass Du bewusst einen Weg einschlägst, der sich von den Blauen rhetorisch schon nicht mehr unterscheidet, ist schlichtweg blamabel!
Die Geschichte spielt in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts im Steinbruch von St. Margarethen:
Auf der Baustelle herrschte ein Wirrwarr an Stimmen und Sprachen. Fred schnappte Brocken von Tschechisch, Slowakisch, Ukrainisch, Rumänisch, Ungarisch, Serbisch, Kroatisch, Slowenisch, Italienisch und sogar Türkisch auf. Lediglich die Herren Architekten und Spezialisten bedienten sich der deutschen Sprache. Sieht nach einem frühen Beispiel für Arbeitsmigration aus, sagte Fred, schau dir diese Leute an, das ist ja entsetzlich!

Man stieß auf einen Arbeiter, dem ein heruntergefallener Steinblock den Kopf so tief in den Kragen gedrückt hatte, dass er im Inneren seines Brustkorbes verschwunden war. Seine Zigarette hing noch dort in der Luft, wo sie sich vor dem Unfall befunden hatte. Dennoch schichtete er unbeirrt Block auf Block in den frischen Mörtel und schien auch weiterhin genüsslich an seiner Zigarette zu ziehen. Einem anderen fehlten beide Unterarme, also hielt er mit den Füßen Hammer und Stemmeisen. Dabei erging er sich in ausladender Sehnsucht und pfiff eine Weise aus der fernen Bukowina. Ein Dritter war an dem feinen Staub des Sandsteines erblindet. Das stellte insofern kein Handicap dar, als er den Weg, auf dem er die schweren Sandsteinblöcke vom Sandbruch zur Baustelle schleppte, ohnedies auswendig kannte. Einem Vierten hatte es bei einer Sprengung sämtliche Gliedmaßen weggerissen. Jetzt war von ihm nur noch der Torso mit einem halben Kopf da. Er gab mit kontratenoraler Stimme den Takt für jene vor, die an den Seilen standen und die Sandsteinblöcke in schwindelerregende Höhen hievten. An jenen Stellen arbeiteten und zogen im Übrigen jene Arbeiter, die in Ausübung ihrer Profession der Beine verlustig geworden waren.

Ich werde bei der Bauaufsicht Beschwerde einlegen, sagte Fred schnoddrig, das ist ja schlimmer als in den Kohlegruben der Manchesterkapitalisten! –Was willst du dich beschweren, Onkel Fred!, sagte Pinz Joe, dem diese geschundenen Kreaturen ja immerhin auch leidtaten, willst du denn wirklich auch noch ein zweites blaues Auge? Ja, und Arbeitsplätze nehmen sie uns auch weg, ob geschunden oder nicht, dachte er dann, ich bin halt, was solls, für einen ordentlichen Sozialnationalismus! Er war sich aber nicht sicher, ob er das laut sagen sollte, er war sich bei Onkel Fred überhaupt nicht mehr sicher. Diese Anachronisten der sozialen Idee, dachte er, diese allzu beseelten Kümmerer, diese rührigen Direktempfinder, diese Menschheitsretter gar, die sind überhaupt irgendwie unberechenbar, mögen sie hundertmal Bundeskanzler und Parteivorsitzende gewesen sein, Rührseligkeiten in der Politik sind ein alter Hut; wahrscheinlich ist er ja auch deshalb nur drei Jahre Bundeskanzler gewesen!

Aber vielleicht überlegst du es Dir ja, werter Landeshauptmann von Burgenland, und besinnst Dich auf jene Werte, mit denen Du eigentlich aufgewachsen sein solltest!

Mit besten Grüßen
Peter Wagner

Jellasitz-Kommentar:

EBERAU ist ÜBERALL
Sonst noch Fragen?
Ja. Da wäre zum Beispiel, wieso eine Ministerin Angst haben muss, ein wichtiges und notwendiges Projekt nicht umsetzen zu können, wenn die Medien und die Öffentlichkeit zu früh davon erfahren. Wohin entwickelt sich da unsere Demokratie?
Wie ist es in einem Rechtsstaat möglich, dass ein Landeshauptmann anordnet, dass ein Bescheid einer Behörde erster Instanz sofort als ungültig zu erklären ist?
Wie ist es möglich, dass die Raumplanungsbehörde über Befehl die Rückwidmung einer von ihr selbst getroffenen Entscheidung vornimmt. Wurde da schlampig recherchiert, sitzen dort nur Befehlsempfänger und wer zahlt die Kosten der Grundstücksentwertung?
Müssen auch andere jetzt befürchten, dass ein Baubescheid, eine Baulandwidmung, die den Mächtigen plötzlich nicht mehr passt, ohne Umstände für ungültig erklärt wird?
Wie kann in einem Land Demokratie und Recht von zwei Funktionsträgern außer Kraft gesetzt werden, ohne dass es einen breiten Aufschrei von Juristen und Demokraten gibt?
Wie ist es möglich, dass sich Bürgermeister, egal welcher Partei, eine solche Vorgangsweise gefallen lassen und keine Solidarität zeigen?
Ist das Burgenland ohne mein Wissen zur Teilrepublick von Albanien erklärt worden?
Man kann bei Eberau dafür oder dagegen sein. Das ist eine Frage des persönlichen oder politischen Standpunktes. Aber bei Grundsatzfragen des Rechtstaates, der Demokratie und der Menschlichkeit sollten wir uns alle einig sein.
Übrigens: 1956 hat das Burgenland über 150.000 Asylanten ( damals hießen sie noch Flüchtlinge ) aufgenommen, betreut und tausende im Land behalten. Ist die Welt untergegangen oder hat es dem Burgenland geschadet?
Und die letzten Fragen: gibt es die christlichen Kirchen noch? Ist da jemand?
Gerhard Jellasitz, Landeshauptmannstellvertreter a.D., Bgld.

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