Weihnachten in der syrisch-orthodoxen Kirche in Leopoldau: "Man wird sich seiner Familie und Freunde bewusst"
FLORIDSDORF. Wie begehen Sie die Weihnachtszeit?
SIHAM ISLEK: Traditionell betreiben wir zu Hause einen intensiven Weihnachtsputz und bereiten uns auch innerlich vor, indem wir in der Zeit vom 15. bis zum 24. Dezember fasten. Da essen wir kein Fleisch, keine tierischen Produkte, ganz im Sinne von Verzicht und Entbehrung. Es kommen viele Linsengerichte und vermehrt Gemüse und Fisch auf den Tisch.
Wann feiern Sie Weihnachten?
Weihnachten begehen wir am 25. Dezember. In der Früh feiern wir eine mehrstündige heilige Weihnachtsmesse auf Aramäisch, der Muttersprache Jesu. Da ist es uns vor allem wichtig, die Kinder einzubinden, sie tragen Lichter.
Wie geht es weiter?
Da uns das Miteinander sehr wichtig ist, besuchen wir einander anschließend gegenseitig: Man besucht den Priester und seine Familie, die eigenen Familienmitglieder, dann die Freunde. Man trinkt traditionell gemeinsam Tee und Kaffee und isst Selbstgebackenes, unter anderem einen speziellen Lebkuchen namens Klica. Bis man alle Besuche erledigt hat – das kann schon bis ins neue Jahr hinein dauern.
Was bedeutet dieses Fest für Sie?
Wir feiern die Geburt Jesu, das steht im Mittelpunkt. Es ist eine Zeit, in der man sich seiner Familie und Freunde bewusst wird. Die Familien fast aller Gemeindemitglieder sind über Kontinente verstreut – Weihnachten ist die Zeit, in der man alle anruft und ein gesegnetes Fest wünscht.
Ist die Zahl der syrisch-orthodoxen Christen in Wien gewachsen?
Ja, in den letzten Jahren durch die christlichen Flüchtlinge, die auch nach Österreich kommen. Wir versuchen, uns um diese Flüchtlinge zu kümmern, unabhängig davon, ob sie syrisch-orthodox sind. Wir laden die Flüchtlinge unter anderem auch zum gemeinsamen Weihnachtsfest in das Gemeindezentrum ein, damit sie sich gerade zu Weihnachten nicht allein fühlen.
Zur Person:Siham Islek arbeitet als Rechtsvertreterin beim Jugendamt (Magistratsabteilung 11). Gemeinsam mit ihrem Mann Musa hat sie drei Kinder, zwei Söhne (19 und 17 Jahre) und Tochter Sara (4 Jahre).
Die syrisch-orthodoxe Kirche von Antiochien führt ihre Entstehung auf die Missionstätigkeit der Apostel Peter und Paul zurück und ist die älteste außerhalb Jerusalems gegründete Kirche. Sie gehört zu den altorientalischen Kirchen. Ihre Mitglieder leben auf dem Gebiet des einstigen Mesopotamien (Osttürkei, Nordsyrien, Nordirak und Libanon), sind aber aufgrund von Vertreibungs- und Auswanderungswellen heute auch über die ganze Welt verstreut.
Die Kirchensprache ist Aramäisch, die Umgangssprache vieler Mitglieder ist eine Weiterentwicklung der Liturgiesprache.
In Österreich gibt es etwa 4.000 Angehörige der syrisch-orthodoxen Kirche. In Wien existieren drei Pfarren, unter anderem die Pfarre Hl. Maria Mutter Gottes in Leopoldau.
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