Hernalser Kaufleute
Die Kalvarienberggasse zwischen Krise und Chance
Viele Bezirke haben mit Leerstand und geringen Kundenfrequenzen zu kämpfen. In der Kalvarienberggasse soll eine Begegnungszone für Belebung sorgen. Wie wird die Maßnahme aufgenommen? Ein Lokalaugenschein.
WIEN/HERNALS. Einst war die Kalvarienberggasse eine belebte Einkaufsstraße, auf der in zahlreichen Geschäften verschiedenste Produkte gekauft wurden. Doch der Bau von Einkaufszentren und das geänderte Kaufverhalten drückten in den vergangenen zehn Jahren die Kundenfrequenz und ließen die Geschäfte schwinden, auch die Pandemie setzte den Kaufleuten, teils schwer, zu.
Seit 9. März läuft eine erste Pilotphase zur Verkehrsberuhigung der Gasse, die in einer Begegnungszone münden soll. Die Kalvarienberggasse ist nun keine Durchfahrtsstraße mehr. Wie wirkt sich diese Maßnahme auf die Geschäfte aus, was halten sie von der U5? Und was wird für die Stärkung der Kaufleute im Bezirk getan? Die BezirksZeitung hat sich umgehört, dabei zeigte sich ein geteiltes Stimmungsbild.
Verlorene Kunden
"Durch die Verkehrsberuhigung haben wir weniger Kunden", sagt Erwin Bugkel, der schon seit 32 Jahren das Geschäft Papier Bugkel in der Kalvarienberggasse 32 führt. Für ihn sind die Kunden, die aus dem 18. oder 19. Bezirk in das Geschäft kamen, verlorene Kunden. Viele davon seien vor der Verkehrsberuhigung an der Auslage vorbeigefahren und hätten dabei interessante Produkte entdeckt. Nun weichen sie auf andere Straßen aus.
"Ich schätze die Kunden aus Hernals sehr, aber von ihnen allein kann ich nicht leben", so Bugkel weiter. Die Begegnungszone findet er nicht sehr sinnvoll , er glaubt nicht, dass dadurch mehr Menschen kommen würden. Der Ausbau der U5 über den Elterleinplatz nach Hernals würde die Kundenfrequenz wohl auch nicht steigern. "Die Menschen, die zum Beispiel am Heuberg wohnen, werden die U-Bahn als Weg in die Arbeit oder nach Hause nutzen, aber kaum einer wird zum Einkaufen hierherfahren", ist er überzeugt.
Doch sehen einige die U5, die frühestens 2032 bis nach Hernals fährt, als Chance. So auch Sonja Exeli, die bei der Tischlerei und dem Küchenstudio Kittinger in der Kalvarienberggasse 38 arbeitet. Im Geschäft von Ferdinand Kittinger habe man keinen merklichen Unterschied der Kundenfrequenz seit der Verkehrsberuhigung festgestellt – in das Fachgeschäft käme aber auch weniger Laufkundschaft, sondern die Kunden würden gezielt zu ihnen kommen.
Geschäftsschwund in der Kalvarienberggasse
Eine Begegnungszone sieht die Hernalserin Exeli als Möglichkeit, mehr Leben in die Gasse zu bringen, dies sei auch Teil einer notwendigen Verkehrsentwicklung, die nicht aufzuhalten sei. Für die Lieferung großer Objekte in das und aus dem Geschäft sei die Situation jedoch problematisch. Das Hauptproblem sie der Geschäftsschwund der letzten zehn Jahre. "Wir hoffen, dass es mit der U-Bahn besser wird".
Das hofft auch Martina Pfluger, Hernalser Bezirksobfrau der Wirtschaftskammer Wien und selbst Händlerin. "Vielleicht kommen mit der U-Bahn die Zeiten wie vor zehn oder 15 Jahren wieder zurück". Klar sei, dass in der vergangenen Jahren der klassische stationäre Handel in Hernals weiter zurückging, während hingegen die Zahl an Unternehmen gestiegen sei. Auch Pfluger registriert ein geteiltes Meinungsbild unter den Kaufleuten, was die Begegnungszone in der Kalvarienberggasse betrifft. "Es hat alles Vor- und Nachteile", ist sie sich sicher.
Die Hernalser Kaufleute helfen sich unter anderem mit der Pflege von Netzwerken und Aktionen wie dem Sommerfest, das Ende Juni im Gastrobetrieb "Der Brandstetter" stattfand. Im September ist erneut ein Trommelumzug geplant, der mit einem Fest in der Kalvarienberggase ausklingen soll.
„Die Idee, die Gasse auch in Hinblick auf die U5-Station am Elterleinplatz zu beleben, macht extrem viel Sinn, bedarf aber einer klugen Zusammenarbeit von Bezirk, Stadt, Wirtschaftskammer und Betrieben.”, sagt Dieter Holzhammer, Obmann der ansässigen Einkaufsstraßenvereine.
Auch die Hernalser Bezirksvorstehung setzt auf Kooperationen und der Stärkung von Netzwerken, so war auch Bezirksvorsteher Peter Jagsch (SPÖ) beim letzten Sommerfest mit dabei. Man sei bereits seit Jahren bemüht, Einkaufsstraßen wie die Kalvarienberggasse zu beleben und auch dem Leerstand entgegenzutreten, heißt es aus dem Büro von Jagsch.
Letztlich sei man hier aber von Bundesgesetzen abhängig, einer Leerstandsabgabe stehe man positiv gegenüber. Jagsch appelliert an die Besitzer von Erdgeschosslokalen, diese zu vernünftigen Konditionen an Händler zu vermieten – das würde allen Akteuren zugute kommen.
Viele leerstehende Geschäftsflächen werden derzeit gar nicht oder etwa als Lager genutzt. Je mehr Kunden, desto mehr wird sich ein klassisches Einzelhandelsgeschäft auch rentieren. Die Hoffnung liegt in der Zukunft. Doch eines ist sicher: Vor der U-Bahn kommt die Baustelle – und die wird die Kaufleute der Kalvarienberggasse vor neue Herausforderungen stellen.
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