Christian Bidner: "Kein Land der Hämmer"

Für Christian Bidner nehmen die sich ändernden demografischen Bedingungen in Tirol viel Raum in seiner Tätigkeit ein. | Foto: Ernestine Walter
  • Für Christian Bidner nehmen die sich ändernden demografischen Bedingungen in Tirol viel Raum in seiner Tätigkeit ein.
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Wie können Sie ihren Job beschreiben?
CHRISTIAN BIDNER: "Ich würde die Tätigkeit als facettenreich mit breitem Aktionsradius in Bereichen mit gesellschaftlicher Relevanz beschreiben. Dazu gehören Zuständigkeiten in der Raumordnung ebenso wie in der europäischen Regionalpolitik oder im weiten Feld der Nachhaltigkeit."

Landesentwicklung ist immer mit Visionen verknüpft. Würden Sie sich als Visionär bezeichnen?
"Das Wort Visionär ist ein schillerndes Wort. Wenn ich in die Vergangenheit schaue, dann haben sich nicht selten die Visionäre von damals als die eigentlichen Realisten erwiesen. Die eigentliche Frage ist, wie sollten Menschen zu einer Veränderung der Gesellschaft motiviert sein, wenn sie keinerlei Zukunftsvorstellung haben? Ich habe daher eine starke Sympathie für das Perspektivische."

Eine der großen Herausforderungen wird die demografische Entwicklung in Tirol. Eine wichtige strategische Arbeit in ihrer Abteilung?
"Ja, und diese Fragen nehmen an Bedeutung zu. Das betrifft nicht nur die Zuwanderungssituation selbst, sondern auch die infolge der Zuwanderung steigende Zahl der im Ausland geborenen Bevölkerung. Gleichzeitig werden ländliche Gebiete mit schwacher Wirtschaftskraft mit Bevölkerungsrückgängen konfrontiert sein. Berggebiete abseits der Tourismuszentren kämpfen bereits jetzt gegen die Abwanderung gut ausgebildeter junger Menschen in die Städte. Wir dürfen nicht vergessen, dass mit den Abwanderern nicht nur Bewohner, sondern auch Träger des Gemeinschaftslebens, Steuerzahler sowie Nachfrage und Kaufkraft verloren gehen."

Die ländlichen Gegenden werden schrumpfen, der Zentralraum um Innsbruck wird enorm wachsen. Gibt es schon Rezepte?
"Die Diagnose ist richtig. Ohne Gegenstrategien sind prekäre Entwicklungen zu erwarten. Bei Fördermaßnahmen des Landes wie etwa den 'Regionalwirtschaftlichen Programmen' geht es zunächst darum, den regionalen Handlungsbedarf zu erkennen. Darauf aufbauend wird eine nachhaltige Entwicklung gefördert, die in der Lage ist, wirtschaftliche und soziale Impulse zu setzen. Die Landesregierung versucht über solche gezielte Leitmaßnahmen, die Lebensbedingungen in peripheren Regionsteilen zu stärken."

Der Ausverkauf Tirols ist seit Jahren ein Problem. Gibt es noch Grundreserven im Jahr 2030?
"In dieser Frage steckt eine Zwiespältigkeit. Ein 'Ausverkauf' bedeutet nämlich nicht eine landesweite Verknappung von Siedlungsflächen. Die Problematik entsteht eher dadurch, dass Zuziehende die gleichen Destinationen bevorzugen. Gut Situierte fragen Grund in touristisch erschlossenen Gunstlagen im ländlichen Raum nach. Personen mit geringerem Haushaltsbudget hingegen schätzen die Möglichkeiten einer Großstadt mit ihrem erhöhten Angebot an Wohnungen und finanziellen Unterstützungen. Die zieht es tendenziell in die Landeshauptstadt und sie fragen eher Mietwohnungen nach. Beide Gruppen erhöhen den Zuzug in die jeweiligen Gunstgegenden und dieses Problem verschärft sich noch durch die demografische Entwicklung. Solche Phänomene, und nicht die tatsächliche Flächensituation, nähren die Bedenken gegen steigende Bodenpreise."

Wie sollte nach Ihren Vorstellungen Tirol in 20 Jahren aussehen?
"Grundsätzlich fällt mir ja da und dort eine gewisse Fortschrittsskepsis auf. Mit Weltuntergangsszenarien entwickelt man aber keine Zukunft. Ich glaube, dass Tirol eine offene und bunte Gesellschaft mit allen damit verbundenen Chancen und Risiken sein wird. Das Inntal wird zusehends stärker als Stadtregion empfunden werden, wobei nicht mehr die Autobahn, sondern die Bahn das Rückgrat der Mobilität sein wird."

Und die Energieversorgung in Tirol?
"Wir werden in 20 Jahren dem Ziel der Energieautonomie schon sehr nahe sein. Das wird über eine Erhöhung der Energieeffizienz und der intelligenten Nutzung heimischer Energieressourcen gelingen. Unser Land ist hier mit der Plattform 'Tirol 2050 energieautonom' auf einem guten Weg. Und Tirol wird ein Land mit Forschungsexzellenz sein. Die Politik baut auf Forschung, Kreativität und Innovation als Schlüssel für eine gute Zukunft. So bin ich also überzeugt, dass Tirol zukunftsreich ist. Aber es wird nicht mehr das 'Land der Hämmer‘ sein.“

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