AMS-Landeschef Straßer: Arbeitslosengeld nur drei Wochen sperren, aber Strafe rascher verhängen

Gerhard Straßer (58) ist seit November 2016 AMS-Landesgeschäftsführer. Er war zuvor Stellvertreter der jetzigen SP-Landesrätin Birgit Gerstorfer und davor Leiter des AMS Ried. | Foto: AMS OÖ
  • Gerhard Straßer (58) ist seit November 2016 AMS-Landesgeschäftsführer. Er war zuvor Stellvertreter der jetzigen SP-Landesrätin Birgit Gerstorfer und davor Leiter des AMS Ried.
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Rund 500 Millionen Euro wurden im Vorjahr an Arbeitslosengeld und Notstandshilfe ausbezahlt. Gleichzeitig stieg die Zahl der Sperren von Arbeitslosengeld in Oberösterreich deutlich.

BezirksRundschau: Es wird derzeit intensiv diskutiert, ob es nicht zu reizvoll ist, Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung zu erhalten, anstatt arbeiten zu gehen. Hat das Arbeitsmarktservice auch vor diesem Hintergrund seinen Kurs verschärft?
Straßer: Die Sperren von Arbeitslosengeld sind von 1800 im Jahr 2015 auf 2500 im Vorjahr gestiegen. Ein ordentliches Plus – vor allem weil es viele Stellenangebote gab, deshalb mehr Absagen und mehr Sanktionen. Aber wie derzeit sechs Wochen dann kein Geld zu bekommen ist sehr lange für jemanden, der eh nix hat – eigentlich ein Wahnsinn. Gleichzeitig ist das Verhängen dieser Sanktion sehr komplex. Mir wären nur drei Wochen Arbeitslosengeldsperre lieber – dafür sollte man diese Sanktion leichter und schneller verhängen können. Denn die drei Wochen üben genauso Druck aus – wir hätten wahrscheinlich denselben Effekt, stürzen die Menschen aber nicht in eine derartige existenzielle Krise.

Eine solche Änderung wäre Bundessache – aber gibt es einen Auftrag an die AMS-Mitarbeiter, schärfer zu sanktionieren?
Der Auftrag an die Kollegen lautet: Es muss Konsequenzen haben, wenn man sich nicht an die Regeln hält. Dazu brauchen wir aber die Rückmeldungen der Firmen, dass etwa einer nicht arbeiten und sich nur einen Stempel holen will, dass er beim Bewerbungsgespräch war.

Sie sind seit 38 Jahren beim Arbeitsmarktservice, waren Leiter der Geschäftsstelle Ried. War die Situation schon einmal so herausfordernd wie jetzt?
Früher gab es ein langsames Auf und Ab der Arbeitslosenzahlen. Seit 2008 ist das anders, es ist alles viel schnelllebiger. Und die Arbeitsmarkt-Entwicklung ist unprognostizierbar. Die Prognosen widersprechen sich – ich traue mich auch nur mehr über Prognosen für einen kurzen Zeitraum.

Wie sehen die für das Jahr 2017 aus?
Wir hatten 2016 6,1 Prozent Arbeitslosenrate und werden die auch heuer halten. Die Fremdprognosen gehen von 6,2 Prozent aus. Wenn es aber wie im November und Dezember 2016 weitergeht, dann schaffen wir vielleicht sogar 6,0 Prozent. Dass die Auftragslage bei den Baufirmen gut ist, haben wir an den vielen Anfragen nach Mitarbeitern nach dem GLS-Konkurs gesehen. Auch im Industriebereich haben wir eine gute Entwicklung und der Leasing-Bereich ist wieder richtig angesprungen. Ein Zeichen dafür, dass es aufwärts geht, dass aber die Entwicklung noch nicht wirklich prognostizierbar ist.

Für wen wird es auch angesichts dieser positiven Entwicklung schwierig?
75 Prozent der Menschen, die arbeitslos werden, finden schnell wieder etwas. Bei 25 Prozent dauert es lange. Das sind meist Ältere, Beeinträchtigte, Migranten mit schlechten Deutschkenntnissen und Menschen, die nur einen Pflichtschulabschluss haben. Wenn mehrere dieser Merkmale zusammenkommen, dann wird es ganz schwierig. Und ein Problem ist: Wenn jemand einen ausländisch klingenden Namen hat oder über 50 ist, dann wird er ganz schwer zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Jugendarbeitslosigkeit ist allen ein Anliegen, da wird viel Geld in die Hand genommen und etwas getan. Bei den Älteren reden wir aber nur – sie bekommen weiterhin Golden Handshakes und werden nicht eingestellt. Die Zahl der älteren Arbeitslosen steigt zwar nicht viel stärker als im Schnitt, aber wenn sie einmal arbeitslos sind, finden Ältere viel schwerer wieder einen Job.

Früher waren regelmäßig die Klagen über sinnlose AMS-Schulungen zu hören. Die sind jetzt verstummt – warum?
Wir haben darauf reagiert und den Schwerpunkt auf die Qualifizierung in den Betrieben gelegt. 2500 Leute sind derzeit in Betrieben zur Ausbildung, bei den meisten wollen wir den Lehrabschluss machen. Die Erfolgsquote ist unvergleichlich.

Was wäre für eine weitere Verbesserung am Arbeitsmarkt wichtig?
Eine möglichst gute Stimmung in der Wirtschaft. Dazu müsste man die Bürokratie angehen, denn das kostet nix – im Gegensatz etwa zu einer Lohnnebenkostenreduktion. Ich kenne viele Unternehmer, die wegen der ausufernden Bürokratie angefressen sind. Gerade kleine und mittlere Unternehmen könnte man da erlösen, was Vorschriften betrifft.

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