Wie wir unsere Lebensmittel entwerten
Warum es nicht egal ist, was auf unseren Tellern landet, ist Thema in "Bezirksblätter nachgefragt".
Wer regionale Lebensmittel kaufen möchte, dem werde es nicht schwer gemacht – darin sind sich alle einig. "Dass Regionalität schwer erkennbar ist, das halte ich für eine faule Ausrede", so Landwirtschaftsschulen-Direktorin Christa Stockhammer, denn: Einerseits könne man direkt beim Produzenten einkaufen, andererseits gebe das AMA-Gütesiegel klare Auskunft. "Damit wird bestätigt, dass – wenn es etwa um Fleisch geht – die Tiere in Österreich geboren, aufgezogen, geschlachtet und verarbeitet worden sind. Schinken, der aus polnischen Schweinen produziert wird, erhält deshalb zum Beispiel kein AMA-Gütesiegel", betont der Leiter der Abteilung "Ländlicher Raum" in der Salzburger Landwirtschaftskammer, Johann Schmid.
"Die Supermärkte sind auf den Trend regionale Lebensmittel aufgesprungen – davon profitieren auch die Landwirte" – sagt Johann Schmid.
Daneben gibt auch die Markenbezeichnung "Gutes vom Bauernhof" Orientierung: Dort, wo diese Marke drauf steht, stecken österreichische Direktvermarkter dahinter. Hilfe bei der Suche nach lokalen Direktvermarktern verspricht auch die erst kürzlich herausgebrachte App "direkt:frisch aus Salzburg".
"Vielleicht können wir mit unverarbeiteten Lebensmitteln auch nicht mehr umgehen" – sagt Anastasia Pircher.
Dass regionale Lebensmittel teurer sind als ausländische Ware, glaubt keiner der Diskussionsteilnehmer. Vielmehr würden Lebensmittel im Handel als Lockmittel für Kunden missbraucht. "Wenn ein Kilo Schnitzelfleisch 5,99 Euro kostet und man weiß, wie lange ein Schwein gemästet werden muss, dann frage ich mich: Was läuft da falsch? Dem Landwirt bleiben pro Schwein zehn Euro", erklärt Christa Stockhammer. Sie plädiert für mehr Wertschätzung der Lebensmittel. "Mit der ganzjährigen Verfügbarkeit aller Lebensmittel wie zum Beispiel Erdbeeren entwerten wir die Lebensmittel. Der Gemüsebauer in Spanien bekommt fast nichts dafür, auch nicht der Afrikaner, der dort bei der Ernte eingesetzt wird. Und bei uns essen die Konsumenten total belastete Produkte. Ich frage mich, wer hier der Sieger ist", so die Schuldirektorin.
"An den spanischen Erdbeeren, die es das ganze Jahr über in unseren Supermärkten gibt, können wir jetzt vorbeigehen" – sagt "Erdling" Antonia Osberger über das Einkaufen mit ihrem Sohn.
Ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Erdbeeren hat auch "Erdling"-Geschäftsleiterin Antonia Osberger mit ihrem Sohn gemacht. "Er liebt Erdbeeren und jedes Mal, wenn wir im Supermarkt waren, wollte er welche kaufen. Ich habe dann schnell gemerkt, wie schwierig es ist, einem Kind Saisonalität von Lebensmitteln zu vermitteln, wenn es sie ja das ganze Jahr über zu sehen bekommt." Im Verein "Erdling" haben sich 60 Salzburger zu einer kooperativen Landwirtschaft zusammengefunden. Auf gepachteten Flächen werden Obst, Gemüse und Kräuter gemeinsam angebaut, geerntet und verarbeitet. "Jetzt pflückt mein Sohn mit Wonne die letzten Erdbeeren und an denen im Supermarkt können wir vorbeigehen", berichtet Antonia Osberger.
Apropos Erdbeeren: Saisonale österreichische Erdbeeren weisen einen ökologischen Fußabdruck von 0,2 Kilogramm CO₂ auf, bei Erdbeeren, die per Lkw aus Spanien nach Österreich transportiert worden sind, ist es ein Kilo CO₂. Werden die Früchte mit dem Flugzeug eingeflogen, steigt der ökologische Fußabdruck um das Zehnfache.
"Regional, saisonal und Bio – das sind unsere drei Heiligen" – sagt Christa Stockhammer, Direktorin der Landwirtschaftsschulen Klessheim und Winklhof.
Neben anderen bemühen sich auch die heimischen Landwirtschaftsschulen, das Bewusstsein für regionale Lebensmittel zu schärfen. "Unsere Schülerinnen haben ein Kartoffelkochbuch herausgebracht, in dem sich viele Rezepte – vom Resteverwerten über Klassiker bis zu Ungewöhnlichem – und auch allerlei Anekdoten finden", berichtet Lehrkraft Anastasia Pircher von der Landwirtschaftsschule Klessheim. Und: Als die Schüler vor Kurzem Kartoffelkäse aus violetten Kartoffeln herstellten, waren die Reaktionen mancher eine Überraschung. "Viele wissen gar nicht, dass es diese violette Kartoffelsorte gibt, sie dachten, wir hätten den Kartoffelkäse mit Lebensmittelfarbe gefärbt."
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