"Der ÖSV verheizt zu viele junge Talente"

In seinem Garten in Seeboden spricht Redakteurin Natalie Schönegger mit Willi Liberda
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SEEBODEN. WOCHE: Da Sie seit kurzem Präsident des Rotary-Clubs Spittal sind, sind Sie aktuell in aller Munde. Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger?
LIBERDA: Bei meiner Antrittsrede habe ich gesagt, dass ich die erfolgreiche Geschichte des Clubs in meiner einjährigen Funktion als Präsident fortsetzen will. In der aktuellen beschleunigten Zeit möchte ich als Mediator fungieren und Anregungen sowie das enorme Potenzial der Mitglieder, die sich einbringen, bündeln. Da man sich in der heutigen Leistungsgesellschaft häufig als Konkurrenten sieht, liegt für mich der Schwerpunkt darin, die Freundschaft innerhalb des Clubs weiter auszubauen.

Sie sind Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens des Landes Kärntens sowie Julius-Kury-Preisträger: Welche Bedeutung haben diese Auszeichnungen für Sie?
Ich bin kein Mensch, der viel Wert auf Statussymbole legt. Jedoch machen mich diese beiden Auszeichnungen besonders stolz. Wenn man eine Funktion aufgeben muss, wird man oft gefragt, wie man dies verkraftet - da mit der Auflösung meiner Funktion als Landesgendarmerie-Präsident Kärntens die Gendarmerie an sich aufgelöst wurde, habe ich das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Kärntens als Dankeschön für meine Arbeit, meine Funktion sowie stellvertretend für die Mitarbeiter und die Institution an sich gesehen. Die Julius-Kury-Auszeichnung macht mich insofern stolz, als dass ich als Oberkärntner einen Teil dazu beigetragen habe, dass die slowenischsprachige Minderheiten nicht als Feindbild betrachtet werden und gegenseitige Wertschätzung vorhanden ist.

2005, also genau vor zehn Jahren, wurde die Gendarmerie aufgelöst und die Polizeireform ist mit der Zusammenlegung der Wachkörper in Kraft getreten. Sie waren der letzte Landesgendarmerie-Kommandant Kärntens: Wie hat sich die Polizei Ihrer Meinung nach in den letzten zehn Jahren entwickelt?
Es ist kein Geheimnis, dass ich nie Befürworter der Zusammenlegung war - demokratiepolitisch betrachtet ist es nicht gut, nur einen Wachkörper zu haben. Ein Kollege aus Frankreich, dem Geburtsland der Gendarmerie, sagte einmal zu mir: "Nur totalitäre Staaten haben nur einen Wachkörper", womit er nicht ganz Unrecht hatte.

Wie sehen Sie die Polizeipostenschließungen, von denen der Bezirk Spittal mit Schließungen in Kolbnitz, Mallnitz, Stall und Weißensee seit Sommer 2014 betroffen ist?
Auch in meiner Zeit als Landesgendarmerie-Kommandant wurden Dienststellen zusammengelegt, was auf die demografische Entwicklung zurückzuführen ist. Jedoch ist zu sagen, dass die Bürger am Land dieselben Abgaben zu zahlen haben wie die Bürger in den Ballungszentren, weshalb jeder dasselbe Recht auf Sicherheit durch die öffentliche Hand hat.

Sie sind Referent zu Menschenrechtsfragen im Innenministerium: Im Hinblick auf das Thema Flüchtlinge überwiegt in Kärnten bzw. Österreich die "Angst vor den Ungewissen". Ist diese berechtigt bzw. wie stehen Sie zu diesem Thema?
Unsere Gesellschaft ist von einer generellen Angst beherrscht. Da wir noch nie eine so reiche Gesellschaft waren, hatten wir auch noch nie so viel zu verlieren, somit ist der Zugang vor diesem Hintergrund ein anderer. Zudem sind die Bürger durch das finanzielle Dilemma verunsichert, da es auf der einen Seite heißt, es sei für das reiche Österreich unwürdig, Zeltstätte zur Verfügung zu stellen, auf der anderen Seite wird durch die mediale Berichterstattung immer wieder die Unsicherheit über die Pensionen gezeigt. Im Hinblick auf Flüchtlinge bin ich für eine gerechte, innereuropäische Aufteilung. Jedoch gilt dasselbe für Österreich und natürlich für unser Bundesland Kärnten - jede Gemeinde sollte seinen Beitrag leisten, da die Situation leichter zu stemmen ist, wenn sie auf mehrere Schultern aufgeteilt wird.

Die Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen an 1. März ergaben in Ihrer Wohngemeinde Seeboden folgendes: Die ÖVP holte sich - mit einem Plus von mehr als elf Prozentpunkten - die absolute Mehrheit von 51,57 Prozent. Die SPÖ kam auf 25,73 und die FPÖ auf 22,71 Prozent. Die ÖVP stellt mit Wolfgang Klinar nach dem ersten Wahlgang den fixen Bürgermeister. Er holt gegen Thomas Schäfauer (SPÖ) und Roman Grechenig (FPÖ) 63,82 Prozent der Stimmen. Sind Sie mit diesem Wahlergebnis zufrieden?
Ich bin mit dem Wahlergebnis sehr zufrieden, da sich Seeboden - wie auch viele andere Gemeinden - zufrieden schätzen kann, das sich in der heutigen Zeit überhaupt jemand für ein solches Amt zur Verfügung stellt und sich die Ausübung des Amtes "antut".

Sie waren Präsident des Kärntner Landesskiverband, bei dem Sie nun Ehrenpräsident sind: Wie stehen Sie zum System des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV), dem häufig eine gewisste Starrheit für die Sportler vorgeworfen wird?
Der ÖSV verheizt - trotz der, im Vergleich zu anderen Nationen, Fülle an Sportlern - zu viele junge Talente, da er zu wenig sorgsam mit der Jugend umgeht. Bei Verletzungen oder ähnlichem greift man schnell zu anderen Sportlern, wodurch viele Talente verlorengehen. In der Zeit von 2008 bis 2012, als ich Präsident war, hat der ÖSV dieses Problem bereits erkannt und begonnen, umzudenken.

Auch Hermann Maier, der jahrelang für den ÖSV fuhr, äußerte sich in Bezug auf die Heim-WM in Schladmin (2013) kritisch zum ÖSV-System: "Außer Anna Fenninger und Marcel Hirscher gibt es im österreichischen Team keine zwingenden Medaillenkandidaten - deshalb wäre es an der Zeit, einmal das Umfeld, die Funktionäre und den Trainerstab eingehend zu hinterfragen." Ihr Statement dazu?
Hermann Maier ist als "Glücksfall" zu bezeichnen, da er in jungen Jahren im Kader war, danach lange Zeit nicht im Kader fuhr und schließlich zufällig wieder im Gespräch war, da er als Vorläufer eines Rennens in der Flachhau, bei dem die Zeit gestoppt wurde, mit einer hervorragenden Zeit auf sich aufmerksam machte. Insofern hatte er sich vor diesem Zufall einige Jahre im Kader "erspart", wodurch eventuell auch seine Frische erhalten geblieben ist. Häufig ist es so, dass - wenn Sportler nach ihrer aktiven Zeit die Seiten wechseln - sie andere Seiten sehen und kennenlernen und dadurch erkennen, dass die Welt nicht nur schwarz oder weiß ist, sondern auch Grautöne enthält.

Sie waren auch Präsident der Kärntner Wasserrettung: Halten Sie die Schiffsanlegestelle, die seit dem tödlichen Unfall im August 2013 in Nähe der Schiffsanlegestelle in punkto Sicherheit in aller Munde ist, für sicher? Wie könnte Sie sicherer gemacht werden?
Was mir heutzutage fehlt ist, dass man zu wenig Eigenverantwortung lebt. Auf der einen Seite ruft man ständig nach Freiheit, fordert aber gleichzeitig, in Dingen wie diesen Beschränkungen. Die Auflagen, mit denen eine Hotelierin nach diesem Unfall konfrontiert wurde, ist ein Schildbürgerstreich sondergleichen: Dadurch wurde wieder einmal gezeigt, dass man ständig glaubt, auf Ereignisse mit Gesetze und Vorgaben zu reagieren, um zu zeigen, dass man reagiert hat. Diese Amerikanisierung, bei der alles eingeklagt wird, um Geld zu lukrieren, sorgt dafür, dass man immer weniger eigenverantwortlich lebt und handelt. Natürlich ist durch die Lage und Belebtheit der Steinerbucht - vor allem durch die großen Schiffe - eine gewisse Gefahr gegeben. Deshalb wäre eine gemeinsame Schiffsanlegestelle im Blumenpark eine mögliche Variante.

Die Nachbargemeinde Spittal ist gleichzeitig Bezirksstadt. Ist der Spittaler Bürgermeister Gerhard Pirih (SPÖ) Ihrer Meinung nach ein würdiger Nachfolger von Gerhard Köfer?
Dadurch, dass ich in der Nachbargemeinde lebe, gewinne ich den Eindruck, dass Gerhard Pirih aus dem Diktat der leeren Taschen seine Sache ganz gut macht. Wo man früher dachte, dass Milch und Honig fließt, muss man heute - gerade in einer Zeit, in der die Verkehrsproblematik in aller Munde ist - den Sparstift ansetzen und Nein sagen können/müssen. In diesem Zusammenhang muss ich auch sagen, dass ich im Hinblick auf die Lieserschlucht für eine Tunnelvariante bin: Bei der Vielzahl an Sperren der letzten Jahre und der Tatsache, dass wir eine Tunnelbaufirma mit entsprechendem Know-How vor der Haustüre haben, wäre diese Lösung die beste.

Wenn man so viele Aufgaben bzw. Funktionen wie Sie hat: Bleibt da überhaupt noch Freizeit bzw. Zeit für Familie?
In meiner Zeit als Landesgendarmerie-Präsident gab es kaum ein Wochenende, das nicht angerissen wurde. Dadurch scheitern natürlich auch viele Beziehungen, was wiederum ein Ausdruck der momentanen Zeit ist. Wo früher die Partnerin die ruheende Seele war, die den Mann nie mit der mangelnden Zeit für die Familie konfrontiert hat, hat die Frau von heute zu Recht mehr Anforderungen an den Partner.

Welche Tipps haben Sie diesbezüglich für Familien bzw. Karrieväter und -mütter
1. Man sollte nie glauben, auf jedes Problem sofort eine Antwort geben zu müssen - dadurch setzen wir uns der Zeitbeschleunigung künstlich aus. Es ist somit kein Weltuntergang, wenn man das (Firmen-)Handy mal nicht dabei hat.
2. Schwerpunkte setzen! Man sollte nicht glauben, überall dabei sein zu müssen.
3. Mut zur Delegation! Man sollte Aufgaben an die ausführende Ebene abgeben. Dadurch motivieren wir auch Mitarbeiter, sodass diese Freude an ihrem Wirken haben. Heute ist es leider oft so, dass wir Wissen aus Angst, ersetzt zu werden, bewusst nicht weitergeben, was ein Fehler ist.

Zur Person:

Name: Willi Liberda
Geboren am: 27. Dezember 1957
Wohnort: Seeboden
Familienstand: Ledig, eine Tochter
Beruflicher Werdegang: 1976 Matura in Lienz, Gendarmerieschule in Krumpendorf, fünf Jahre Gendarmeriebeamter, danach zweijährige Offiziersausbildung in Mödling, zweieinhalbjährige Tätigkeit im Innenministerium. Danach Landesgendarmeriekommandant, ab 1996 Chef der Landesgendarmerie Kärnten, seit 2005 Referent für Menschenrechtsfragen im Innenministerium (Dienstort Villach)
Hobbies: Lesen, Reisen, Skifahren
Lieblingsurlaubsort: New York
Lieblingsessen: Französisch, Italienisch
Lieblingsgetränk: Holundersaft
Lieblingsfilm: Mit dir an meiner Seite
Lebensmotto: Sei der Welt ein Geschenk

Sport bedeutet für mich: neben dem körperlichen und geistigen Wohlbefinden hat der Sport etwas Befreiendes
Dieses Buch liegt gerade auf meinem Nachtkästchen: Der Biophilia-Effekt - Heilung aus dem Wald von Clemens G. Arvay
Luxus bedeutet für mich: auf meiner Ledercouch liegend ein Buch zu lesen und zwischendurch die Aussicht auf den See zu genießen
Bei einer Frau schaue ich zuerst auf: die Augen
Glücksgefühle hatte ich zuletzt: als ich vor wenigen Tagen das erste Mal seit langer Zeit wieder joggen war und festgestellt habe, dass meine Kondition gar nicht so schlecht ist
Zuletzt geweint habe ich: als ich das letzte Mal den Film "Mit dir an meiner Seite" sah
Mein schönstes Erlebnis war: als ich den Großglockner erklommen habe
Mein einschneidendstes Erlebnis war: als meine Mutter 1968 aufgrund einer Krankheit verstorben ist - damals war ich zehn Jahre alt. Genau aus diesem Grund ist der Film "Mit dir an meiner Seite" mein absoluter Lieblingsfilm
Der Sinn des Lebens ist: ein gutes Leben zu führen, jedoch nicht im materiellen Sinne. Wichtig ist, dass man wir-bezogen handelt und denkt und seinen Nachkommen seine Wertevorstellungen und -handlungen mitgibt
Meine letzten Worte sollen sein: Ich danke jedem, der mir begegnet ist, denn jeder war mein Lehrer

In seinem Garten in Seeboden spricht Redakteurin Natalie Schönegger mit Willi Liberda
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