St. Pölten: Ein Plätzchen für die nahtlose Bräune
Beliebt bei Stammgästen: In Sachen Unten-Ohne-Freiheit geht es am Ratzersdorfer See ganz schön streng zu.
ST. PÖLTEN (jg). Es ist ein schweres Holztor, das jede Sicht auf das nimmt, was sich dahinter abspielt. Tritt man ein, stehen bei einem Imbiss Bänke für durstige und hungrige Gäste bereit. Zur Rechten warten Rutsche, Schaukel und Wippe auf Kinder, ehe sich der Weg vom nördlichen Spitz des Ratzersdorfer Sees entlang des Ufers schlängelt. Bäume und Büsche nehmen die direkte Sicht auf das Wasser und schützen wiederum vor Blicken vom anderen Ufer. Stichwege führen alle paar Meter zu kleinen Stegen, von wo aus man sich in das kühle Nass begeben kann. Gleich neben einem dieser Wege ist Platz für das Handtuch eines gschamigen Redakteurs wie mich, der im Adamskostüm keine langen Strecken zurücklegen will. Denn hier, auf einer der Wiesen, sind Kopfbedeckungen zum Schutz gegen die Sonne die einzigen Kleidungsstücke, die die Badegäste tragen.
Der Nordwest-Teil des Ratzersdorfer Sees ist einer von zehn auf der Website fkk-jugend.com ausgewiesenen FKK-Plätzen in Niederösterreich. Anlässlich einer neuen Studie, laut der Österreicher die FKK-Weltmeister sind, wurde dieser Teil des Sees gar als einer der idyllischsten Plätze für Nackedeis präsentiert. "Liegewiesen, viele Bäume, kinderfreundlich."
Der Gemütlichkeit frönen
"Ich bleibe heute sicher bis 19 Uhr", sagt eine Frau um die 50, während sie ihre Liege in den Schatten rückt und mit einer Freundin einen Besuch beim Heurigen fixiert. Auf der Wiese frönen rund 60 Seebesucher der Gemütlichkeit. Viele haben eigene Liegen mitgebracht, sie lesen Zeitung, rauchen oder gönnen sich ein wohltemperiertes Bier aus der Kühlbox. Mit den Bikinis und Badehosen sind bei den meisten im Intimbereich auch gleich die Mähnen gefallen. Mit hippiesker Haarpracht fällt man fast schon auf und Freunde der nahtlosen Bräune könnte hier der Neid fressen.
Raus aus der Hose oder rüber
Das kommt nicht von ungefähr: Viele der Nackedeis seien Stammkunden, erzählt eine Imbiss-Mitarbeiterin, laut der es den FKK-Bereich "schon ewig" gebe. "30, 40, 50 Jahre", sagt sie. Einer ihrer Gäste wird konkreter: "Seit 1993 komme ich regelmäßig hier her", sagt der Mann mit Kurzhaarschnitt, gesunder Bräune und Flinserl im linken Ohr. Was ist das Schöne am Nacktbaden? "Die Freiheit. Und ich mag die nassen Badehosen nicht. Das ist bei Frauen vielleicht noch ein größerer Grund", sagt er, bestellt zwei Seiterl und nimmt auf einer der Bänke Platz. Für mich gibt's eine Flasche Cola. "Übrigens, das ist ein FKK-Bereich", sagt die Imbiss-Mitarbeiterin, ehe auch ich es mir gemütlich mache. "Also entweder ... oder auf die andere Seite des Buffets, der für angezogene Gäste bestimmt ist", weist sie mich zurecht und deutet auf das Holztor, auf dem in großen Buchstaben "FKK" steht – Ganz schön streng hier, wenn es um die Unten-Ohne-Freiheit geht.
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