Weihnachten bei den St. Pöltner Mormonen
ST. PÖLTEN (jg). Es sind zwei junge Männer, einer aus Utah, einer aus Texas, die in den vergangenen Tagen Passanten in der St. Pöltner Innenstadt ansprachen. Ziel und Thema der Straßenaktion: "Menschen näher zu Jesus Christus bringen", erzählen sie. Sie tragen weiße Hemden, Krawatten und Namensschilder. "Elder Bates" steht auf dem einen. "Elder Cousins" auf dem anderen. "Elder" steht für "Ältester" – ein Amt bei den Mormonen.
Rund 100 Mormonen leben in St. Pölten, sagt Wolfgang Scholle, der früher in der "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" das Amt des Bischofs bekleidete, nun ein Hoherat und für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.
Seit 1956 in St. Pölten
Seit 1956 gibt es laut Scholle durchgehend Missionare wie "Elder Bates" und "Elder Cousins" in St. Pölten. 1957 wurde die Gemeinde in St. Pölten gegründet. Seither wuchs die Gemeinde stetig, aber nicht rasant. "Kein Wunder, wir pflegen auch einen Lebenswandel, der nicht unbedingt zu Österreich passt", lacht Scholle. "Kein Alkohol, kein Kaffee, kein Nikotin", sagt er. Mormone wird man mit der Taufe, wie sie früher in der Traisen zelebriert wurde. Frühestens mit acht Jahren – Kinder sollen selbst entscheiden.
"Bei den Mormonen gibt es keinen Zwang", sagt Scholle. Er steht in einem Raum in einem Haus in der Kugelgasse. Hier stehen rund 80 Stühle für die Abendmahlsversammlung bereit. Ein Rednerpult. Kein Kreuz. "Wir glauben an den auferstandenen Jesus Christus, nicht an den gekreuzigten."
"Es gibt keinen Zwang"
Scholle erzählt von namhaften Mormonen, die weltweit hohe Ämter bekleiden, und von der Hilfsbereitschaft, die die St. Pöltner Mormonen zuletzt im Zuge der Flüchtlingskrise an den Tag legten. Wesentliche Bedeutung wird darüber hinaus der Familie beigemessen. Darum gelten die Mormonen auch als die Ahnenforscher schlechthin. In der Kugelgasse stehen Interessierten drei Computer für das Erforschen der eigenen Familiengeschichte bereit.
Die Familie im Zentrum
Mit dem Mythos der vielen Ehefrauen räumt Scholle aber auf: "Tatsache ist, Polygamie hat es gegeben. Aber nur über einen kurzen Zeitraum hinweg. Dann ist sie innerhalb der Kirche definitiv verboten worden." Und wie feiern die Mormonen eigentlich Weihnachten? "Mit Christbaum und Adventkranz, also ganz normal", sagt Scholle. "Wir denken daran, dass Jesus Christus geboren wurde. Auch hier steht ja die Familie im Zentrum."
Mormonentum
Seit 1955 ist die "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage", die sich neben der Bibel auf das Buch Mormon beruft, in Österreich staatlich anerkannt. Rund 4.600 Mormonen gibt es in ganz Österreich. Finanziert wird die Kirche über Mitgliedsbeiträge. "Du sollst den Zehnten zahlen", sagt Wolfgang Scholle.
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