Wiener Kultur in Lemberg
Nicht weiter von Wien entfernt als Bregenz ist im ehemaligen Galizien bis heute die altösterreichische Kultur lebendig.
Österreichs Beitrag zu dieser Fußball-Europameisterschaft ist überschaubar. Klar, der Rasen in einigen EM-Stadien kommt von österreichischen Firmen, und auch bei den vielen Bauarbeiten im Vorfeld der EURO mischten Unternehmen aus Österreich mit. Aus sportlicher Sicht hingegen ist das Ganze dann doch eher ein trauriges Kapitel.
Wenn heute Abend Deutschland auf Dänemark trifft, dann könnte man aber mit einigem guten Willen und historischer Überzeugungskraft erklären, dass der Austragungsort Lemberg im Westen der Ukraine kulturell gesehen ja eigentlich zu Österreich gehört. Bis 1918 war das heutige Lviv Teil der k. u. k Monarchie. Die Stadt, immer noch die schönste in der ganzen Ukraine, war nach Wien, Prag und Budapest die viertwichtigste Metropole des Habsburger-Reichs. Und das merkt man ihr bis heute an. Denn Lemberg, niemals von sowjetischer Tristesse verschandelt, ist bis heute komplett erhalten geblieben. Für Wiener mutet ein Spaziergang durch die Pflastersteinstraßen hier an wie eine Zeitreise – in vielen Gegenden wirkt Lemberg tatsächlich wie Wien vor hundert Jahren.
Mit Österreich und Polen verbindet Lemberg mehr als mit dem Osten der Ukraine. Nach vielen Jahrzehnten als Teil der Sowjetunion hinter dem Eisernen Vorhang ist das frühere Galizien aber für die meisten Österreicher so weit weg wie Moskau. Dass so „österreichische“ Schriftsteller wie Joseph Roth hier geboren wurden, wird oft kaum mehr wahrgenommen. In Lemberg selbst aber wird diese Tradition bis heute hoch gehalten. Sucht man in Städten wie Kiew oder Charkiv vergeblich nach „richtigen“ Kaffeehäusern, fühlt man sich in den Cafés in Lemberg sofort heimisch. Die Wiener Kaffeehauskultur ist hier vielleicht noch lebendiger als in Wien selbst. Von der geographischen Nähe gar nicht zu sprechen. Bregenz ist von Wien weiter entfernt als die ungarisch-ukrainische Grenze. Für jeden Wiener, der etwas auf sich hält, ist es also fast Pflicht, das Schmuckkästchen im Osten zu besuchen, ob dort gerade Fußball gespielt wird oder nicht.
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