Palatschinken und Bomben: Eine Kindheit in Wien
Der Döblinger Eduard Musil hat mit 88 Jahren Erinnerungen an sein Aufwachsen vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg in Wien veröffentlicht.
DÖBLING. Glück und Schrecken liegen nah beieinander in den Erinnerungen von Eduard Musil. Der Wiener wuchs als Einzelkind auf, der Vater führte einen Tischlereibetrieb. Aus den Jahren der Zwischenkriegszeit erinnert sich der 1929 geborene mit Wehmut an die Sommerfrische am Bauernhof im niederösterreichischen Wopfing. Auf Obstbäumen, in Flüssen, auf der Weide und in der Bauernstube vor einem Teller Marillenknödel verbrachte er glückliche Sommer - eine Idylle, die von Hitlers Machtergreifung beendet wurde.
Musil schildert, wie er als Bub 1938 Hitlers Zug über den Ring miterlebt hat - "Das wird kein gutes Ende nehmen", wusste sein böhmischer Großvater schon damals. Für die Familie wurde die Gefahr in den letzten Kriegsjahren am greifbarsten, als Musils Mutter bei einem Bombenangriff erblindete, und Musil selbst als 15-Jähriger während des sogenannten "Volkssturms" zur Waffen-SS eingezogen und an die Front geschickt werden sollte. Er versteckte sich daraufhin bis Kriegsende bei befreundeten Bauern, deren Söhne selbst einem sinnlosen Tod in den letzten Kriegstagen zu entgehen versuchten - sie alle blieben glücklicherweise unentdeckt, bis die russischen Truppen Österreich befreiten.
Frieden als Appell
Musil spickt seine Erinnerungen immer wieder mit gesellschaftspolitischen Betrachtungen - als jemand, der einen Krieg miterlebt hat, ist ihm das friedliche Miteinander ein besonderes Anliegen. Musil übernahm nach dem frühen Tod seines Vaters die elterliche Tischlerei und wirkte mit ihr am Wiederaufbau nach Kriegsende mit. Er war unter anderem am Wiederaufbau der Inneneinrichtung der Staatsoper beteiligt - die Einrichtungsgegenstände wurden in der entbehrungsreichen Nachkriegszeit teilweise mit dem Handwagen angeliefert, wie er schreibt.
Musil war es auch, der das Nussfurnierholz, das den großen Sitzungssaal des Parlaments prägt, auftrieb - so große Mengen gleich gefärbten und gezeichneten Holzes waren in Österreich zur damaligen Zeit nämlich nicht zu finden. Und so erfährt man aus dem Buch, dass ein junger Musil das Holz für jene Möbel, die ganz Österreich aus dem Fernsehen kennt und die übrigens im Zuge der Parlamentssanierung soeben versteigert wurden, in einer jugoslawischen Fabrik erstand, nach Wien brachte und dort an die verschiedenen beteiligten Betriebe verteilte.
Zur Sache:
Eduard Musil gibt am Freitag, den 22. September, begleitet von drei Musikern, unter dem Titel "Methusalem and his Gang" Auszüge aus seinem Buch sowie Gedichte und Lieder zum Besten. Der Abend beginnt um 20 Uhr im Wiener Metropol (17., Hernalser Haupstraße 55). Karten kosten 17 Euro und können telefonisch unter 01/40777407 bestellt werden.
"Meine Wiener Kindheit von 1934 bis 1945" von Eduard Musil ist im Best Off Verlag erschienen. ISBN 978-3-96133-083-6
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