Kirche und Kinderdörfer – Gutes tun?
Gutes Tun unterliegt einem natürlichen Lauf der Dinge. Es beginnt damit, dass eine Person einen Missstand oder eine Ungerechtigkeit nicht mehr hinnehmen will, aufsteht und etwas dagegen tut.
So entstehen heutzutage Bürgerinitiativen und so entstand vor bald 52 Jahren in Imst in Tirol das erste SOS-Kinderdorf. Hermann Gmeiner war nicht mehr bereit, das Elend der Kriegswaisen hinzunehmen und gab sein ganzes Vermögen von 600 Schilling in die ersten Spendenaufrufe (1 Schilling monatlich war die Spende).
Schließlich entstand so eine viel größere Organisation bzw. Körperschaft, weil vor über 2000 Jahren ein junger jüdischer Rabbi namens Jeshua die scheinheilige Buchstabenfrömmigkeit der Pharisäer zum Kotzen fand und deshalb über eine neue und andersartige Beziehung zu Gott predigte. Dass er selber Gott sei, dachte er sicher nicht, dafür gibt es keinen einzigen historischen Hinweis. Im Übrigen erwartete er in den nächsten Jahren nach seinem Erwachsenwerden das Ende der Welt. In dieser Voraussage hat er sich – so wie vor kurzem die Mayas – offenbar geirrt.
Es beginnt also mit einem Idealisten, der Zeit, Geld, Mühe und unter Umständen sogar sein Leben für eine Sache opfert. Ob die „Sache“ dieses Opfer tatsächlich wert ist, sei einmal außer Acht gelassen und dahin gestellt.
Wenn er über Charisma und gute Gründe für sein Handeln verfügt, findet er Gleichgesinnte, die ihn unterstützen. Ob man diese als verrückte Sektierer, Jünger, Parteigenossen oder Brüder in Christo bezeichnen will, ist letztlich nur ein austauschbares Etikett.
Der wesentliche Punkt ist, dass in dieser Zeit die Mitarbeiter der guten Sache – nur um als Rechenbeispiel zu dienen – 100 Euro von ihrem Vermögen nehmen und diese 100 Euro bei dem Menschen ankommen, dem sie sie zuwenden wollen.
Natürlich geht es nicht immer so weiter, die Gründer sterben oder sind erschöpft und wenden sich anderen Lebensbereichen zu.
Das, was sie ins Leben gerufen haben, überdauert und wird um ein Vielfaches mächtiger als es ursprünglich war.
So wurde aus dem einen Kinderdorf in Tirol eine Organisation, die über 518 Kinderdörfer, 392 Wohngemeinschaften und einiges anderes in 133 Ländern umfasst.
Und bekanntlich entwickelte sich aus dem kleinen Fischereiverein in Galiläa (13 Mitglieder, wenn man Jesus dazu zählt) die weltumspannende, Milliarden Menschen betreffende Religion Christentum.
Natürlich geht es nicht immer so weiter, wir können diese Worte wiederholen. Jetzt sind es NGO`s, also eigentlich Firmen, die den Gesetzen des Marktes unterliegen und rechtlich juristische Körperschaften sind. Anstelle von charismatischen Führern, die nicht austauschbar sind, tritt jetzt eine Cheffunktion auf Zeit. Dieser Chef, z.B. der Papst, hat beträchtlichen Einfluss, der sich nicht aus seiner Person, sondern aus der Organisation speist, und ist verzichtbar. Wenn der eine Papst oder der eine Chef der Kinderdörfer geht, kommt der nächste, die Institution wird überdauern. Und das ist auch das Grundgesetz jeglicher Institution und jeglichen Lebewesens: An erster Stelle steht die Selbsterhaltung. Regel Nummer eins ist: Die Institution muss erhalten bleiben.
Idealisten gibt es nur wenige, diese Institutionen werden aber groß. Sie brauchen daher Angestellte, die sie vertraglich an sich binden und die mit ihrer bezahlten Leistung von 40 bis 60 Wochenstunden den Mechanismus am Laufen halten.
Was passiert nun, wenn ich 100 Euro dieser Institution spende, z.B. um armen Waisen Wohnraum zu gewähren oder Pensionisten die Heizkosten zu ersetzen?
Zunächst einmal muss die Institution sich selbst erhalten und die Angestellten bezahlen, die den Spendenaufruf bearbeiten. Rechnen wir einmal, dass 30 Euro dafür aufgewendet werden.
Gutes Tun und Spenden sind ein knappes Gut in einer modernen Welt, in der hunderte bis tausende Organisationen oder Personen um diese Zuwendung konkurrieren.
Es erfordert daher entsprechende Werbung, um die Adressaten zu erreichen oder sich von den anderen spendensammelnden Vereinen abzuheben. Ein Fernsehspot ist hilfreich, weitere 20 Euro finden auf diese Weise einen Verwendungszweck.
Eine Organisation braucht Büroräume, Computer, Handys, auch Dienstfahrzeuge für höhere Mitarbeiter. Weitere 20 Euro sind nun auf dem Weg zu ihrer Verwendung.
Im schlimmsten Fall befindet sich ein Klein – oder Großkrimineller unter den Mitarbeitern. Wenn man mehrere hundert oder tausend Leute beschäftigt, so ist das nur eine Frage der Statistik, also immer der Fall. Im schlimmsten Fall wird dieser Rechtsbrecher weitere 20 Euro für sich und seine Bedürfnisse abzweigen. Damit bleiben für den Spendenadressaten 10 Euro übrig, also 10 Cent von jedem Euro, den ich in gutem Glauben gespendet habe. Das ist eine optimistische Annahme.
Wie die Erfahrung lehrt, kann jede der obigen Ausgaben im Einzelfall höher veranschlagt werden. Im ungünstigsten, leider aber nicht unrealistischsten Fall erreichen 0 Cent von 100 Euro denjenigen, dem die Spende zugedacht war.
Die Gesetze des Marktes sind unerbittlich. Ökonomische Sachzwänge stellen sich ein, Vorjahresumsätze müssen erreicht werden, sonst müsste man verdiente Mitarbeiter kündigen. Dies wirkt sich auf die Geschäftspraxis aus, die eine völlig andere wird, als zu Zeiten der Gründung. Aus „Selig die Friedfertigen…“ wird der Ablasshandel, der einige Jahre imaginärer Folterstrafen in einem Fegefeuer, das nicht existiert, ausstreicht und stattdessen mit Chorsingen im Himmel, den noch niemand sah, belohnt wird.
Und aus den Waisenkindern des Krieges, bedauerlichen Kindern, die Vater und Mutter verloren haben, muss auch etwas Anderes werden. Denn es gibt nicht so viele Vollwaisen, wie es Einrichtungen zur Unterbringung von Kindern in unserem Land gibt. Die Zahl dieser Einrichtungen übersteigt die Zahl der Vollwaisen um ein Vielfaches. Marktwirtschaftlich: Die Nachfrage übersteigt das Angebot. Daher werden nunmehr Kinder untergebracht, die sehr wohl über Eltern und Großeltern verfügen, oftmals wollen diese auch die Kinder versorgen. Die SOS – Kinderdörfer sind daher logischerweise von echten Waisen zu so genannten „Sozialwaisen“ übergegangen.
Wie wirksam doch ein kleiner Etikettenschwindel ist!
Die katholische Kirche kennt das seit langem (für Gebildete: Das Faustzitat über den „großen Magen“ der Kirche belegt es): Für eine realen Schatz in dieser Welt, einer Erbschaft beispielsweise, gibt es einen größeren Schatz im Himmelreich, dem Räuber nichts anhaben können und der nicht verrotten kann.
Trauriger ist ein notwendiger Schritt, den jede Organisation gehen muss: Aus Idealismus wird Realismus. Zweckbündnisse müssen eingegangen werden.
So hat die katholische Kirche Diktatoren in Südamerika unterstützt, nur weil diese sie vor dem atheistischen Kommunismus verteidigten. Oder, um in Österreich zu bleiben: Man distanziert sich lautstark von Hitler und den Nationalsozialisten, behält aber die von diesen eingeführte, günstige Kirchensteuer bei.
Und so wurden die SOS – Kinderdörfer zum willfährigen Befehlsempfänger der Jugendwohlfahrt, da diese Organisation über das Monopol verfügt, ihre Dörfer mit Kindern und ihre Kassen mit Geld (Tagsatz pro Kind etwa 141 Euro) zu füllen. Dass dies ein Fakt ist, hat sogar der Chef der SOS – Kinderdörfer, DSA Michael Gnauer in einem Vortrag am 15.12.2012 Urania bestätigt. „60% der Finanzierung der Kinderdörfer läuft über Spenden, 40% über Tagsätze der Jugendwohlfahrt.“
Was lässt sich daraus schließen?
Erstens versuchen wir doch, wenn wir uns selbst in Bürgerinitiativen oder Vereinen engagieren, diesen Schritt hinüber in eine Organisation, die Eigengesetzen folgt, zu vermeiden.
Zweitens: Wenn wir über 100 Euro verfügen, so nehmen wir am besten diese 100 Euro und drücken sie den Betroffenen direkt in die Hand. Damit sind wir sicher, dass das Geld auch ankommt.
Ob es sinnvoll und widmungsgemäß verwendet wird, darüber können wir niemals sicher sein.
Das ist das Dilemma des guten Menschen.
Drittens: Wenn wir 100 Euro an Verein, Organisation usw. spenden, kommt mit Glück ein geringer Betrag auch bei den Betroffenen an. Also dürfen wir uns mit Berechtigung für gute Menschen halten und auf diese Weise ein gutes Gewissen zu den Festtagen kaufen (auch ich tue das).
Ich bin kein Feind der Kirche oder der Kinderdörfer, sondern nur kritisch und gebrauche meinen eigenen Verstand. Das war das Ziel der Aufklärung und seit jeher Organisationen und Regierungen verhasst.
Ich arbeite für die Bürgerinitiative Kinderrechte und stehe in vielen Bereichen den Freidenkern nahe.
Ich bin Gerichtsmediziner und unterstütze die Strafverfolgung von Menschen, die andere Menschen töten.
Johann Missliwetz in den Weihnachstfeiertagen 2012
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