Kötschach

Mit Pinsel und Farbe kam wieder Licht ins Leben

Manfred Gratzer aus Kötschach hat einen langen Leidensweg hinter sich. Im Malen hat er ein Ventil gefunden, das ihm hilft mit seiner Krankheit umgehen und leben zu können.

„Warum gerade ich?“ Diese Frage hat sich der 64-Jährige nie gestellt, obwohl ihn das Schicksal ordentlich gebeutelt hat. 2017 Operation am linken Knie, 2018 am rechten. Dazu kam: den Obergailtaler plagten oft Kopfschmerzen. Die niederschmetternde Diagnose: Ein Tumor im Kopf. Beim chirurgischen Eingriff hatte Gratzer einen epileptischen Anfall und erlitt dadurch einen Schlaganfall. Ausgerechnet drei Wochen, bevor er seine Arbeit als Tischler in einem Kötschacher Unternehmen wieder hätte aufnehmen sollen. Nichts war mehr wie zuvor. „Ich war rechtsseitig gelähmt und saß im Rollstuhl. Wie ein kleines Kind musste ich sprechen, gehen und mit der linken Hand schreiben lernen.“

Weg zurück in einen neuen Alltag

Nach vier Monaten Rehabilitation in der Gailtal-Klinik in Hermagor kam der gelernte Tischler und Hobby-Fußballtrainer sprichwörtlich wieder auf die Beine – langsam aber doch. Der Rollstuhl wurde durch den Rollator ersetzt. Mit der Mobilität kehrte die Lebensfreude zurück. Das Freizeit-Angebot „Kreatives Malen“ während dem Reha-Aufenthalt half ihm durch die schwere Zeit - auch Psyche und Seele trugen Narben davon. Gratzer entdeckte im Umgang mit Pinsel Farbe und Leinwand einen neuen Zugang zu sich und seinem Leben. „Ich habe zu einem gesünderen Lebensstil und achtsameren Umgang mit meinem Körper gefunden – tägliche Bewegung ist ein Muss für mich.“ Früher war er eher verschlossen. „Heute gehe ich auf die Menschen zu und rede wie ein Wasserfall“, schmunzelt Gratzer.“

Malen aus dem Kopf

Das Malen hat der gebürtige Dellacher seit dem Reha Aufenthalt in den Alltag integriert. Gemalt wird in Acryl. Hin und wieder wendet Gratzer die Scherenschnitt-Technik an. Wolle, Stoffe, Watte, Gips, Filz, Holz, Goldfolie, oder Scherben von Geschirr: „Alles was mir unter die Finger kommt verwende ich“, erzählt der Gailtaler. Die Motive entstehen aus dem Kopf. „Ich male einfach drauflos“. Die Bilder sind überwiegend abstrakt und farbenfroh – ein Markenzeichen seiner Kunst. „Wenn ich male kommt die Ruhe über mich. Dann denke ich nicht über meine Krankheit nach“, sagt der 64-Jährige, der in einer betreuten Wohneinrichtung in Kötschach lebt. Mittlerweile sind über 400 Bilder entstanden. Ein Teil davon ist in Cafés, Gasthäusern und jenen Krankenhäusern ausgestellt, in denen Gratzer Patient war. Als Dank an die Ärzte und Schwestern.

Zur Sache: Rekreation

Eine neurologische Erkrankung bedeutet einen radikalen Einschnitt in das Leben, oft mit viel unerwünschter Freizeit. Sozialpädagogin Carmen Feldkirchner und ihr kompetentes Team der Gailtal Klinik unterstützen Menschen dabei, Interessen zu wecken und neue Hobbies zu finden, Freude am Tun zu entwickeln und so eine sinnvolle Freizeitgestaltung zu erlernen. „Das kreative Malen ist nur eine von vielen Tätigkeiten, die ohne Leistungsdruck und in entspannter Atmosphäre unter fachkundiger Begleitung erlernt werden können“, so Feldkirchner.