Kirche: Kampf um Schäfchen
Austrittswelle zwingt zum Handeln • Schönborn arbeitet an Masterplan
Über 500 Hernalser kehrten allein im Jahr 2010 der Kirche den Rücken. Im Vergleich zum Jahr davor ist das eine Steigerung von gut 40 Prozent. Die Erzdiözese Wien unter Kardinal Christoph Schönborn will jetzt mit Aktionen gegensteuern.
(bar/le). 15.853 Austritte musste die katholische Kirche in Wien 2010 verkraften. Damit erreichte der Trend zur Abkehr vom römischen Papsttum einen absoluten Höhepunkt.
Pfarrer als Schlüssel
„Wir arbeiten derzeit an einem Bündel von Maßnahmen, um den Wiedereintritt zu fördern“, so Erich Leitenberger von der Erzdiözese Wien. Den einzelnen Pfarren in den Bezirken kommt dabei eine Schlüsselstellung zu: „Hier gibt es schon sehr kreative Ansätze, die man weiter ausbauen muss“, meint Leitenberger. Als Beispiel nennt er etwa die Aktion „Liebesbriefe von Gott“. Dabei werden Bibelstellen in Form eines Liebesbriefes an Passanten verteilt.
Als „drastisch“ bezeichnet Andreas Hiller, Pfarrer der Marienkirche in der Wichtelgasse, die aktuelle Situation, denn die Zahl der Kirchenaustritte hat sich im Vergleich zum Vorjahr beinahe verdoppelt.
Austritt der Kirchenfernen
Pfarrer Hiller vermutet unter den Austretenden vorrangig Menschen, die ohnehin keine sonderlich enge Verbindung zur Kirche hatten. In den Gottesdiensten seien die hohen Austrittszahlen folglich nicht spürbar. Dennoch macht Andreas Hiller klar: „Jeder, der austritt, ist einer zuviel.“ Und so bemüht sich der Pfarrer, der Kirche zu neuer Attraktivität zu verhelfen.
Die Pfarre bietet einen Jugendkeller für die jüngeren Kirchgänger, regelmäßig werden zudem Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche durchgeführt. Außerdem kurbelt die „Kirche des Dialogs“, so der selbst gewählte Titel der Marienkirche, den kulturellen und politischen Diskurs im Gemeindebezirk Hernals an und formiert sich mit anderen Institutionen zur Organisation „Hernals miteinander“.
„Niemanden ausgrenzen“
Hand in Hand arbeitet man an einem besseren Zusammenleben im Bezirk. Niemanden ausgrenzen, Menschen aller Religionen und Ethnien aufnehmen, das sind die Gebote der Marienkirche in der Wichtelgasse. Und Pfarrer Hillers oberste Priorität lautet: „Die Leute sollen spüren, dass wir wirklich für sie da sind.“ Und so hofft der lebensfrohe Optimist, dass die Zahlen der Kirchenaustritte nächstes Jahr etwas glimpflicher ausfallen.
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