Die Altstadt
Klagenfurts Plätze – mediterran, lebendig, charmant
- hochgeladen von Franz Waditzer
Klagenfurt setzt im Zentrum seit dem 16. Jahrhundert auf eine Formensprache, die aus Oberitalien stammt: klare Platzrechtecke, ruhige Fassadenzeilen, Arkaden und Brunnen:
Klagenfurt und sein italienisches Erbe im Stadtzentrum
Der groß angelegte Umbau nach Stadtbrand und Schenkung an die Kärntner Landstände prägte das heutige Bild. Unter dem oberitalienischen Baumeister Domenico dell’Allio entstanden Befestigungen, Lendkanal und ein geordnetes Raster – Voraussetzungen für einen Stadtkern, der bis heute stabil funktioniert.
Der Neue Platz zeigt diese Linie am deutlichsten. Er ist als präzises Rechteck gefasst und von palazzi-artigen Fassaden gerahmt. In der Mitte steht der Lindwurm: ursprünglich als Skulptur aus lokalem Gestein geschaffen, später zum Brunnen ergänzt. In den 2000er-Jahren wurde die Fläche mit dunklem Stein, klaren Sichtachsen und sparsamer Möblierung durch Boris Podrecca neu inszeniert. Dessen Architektur zeichnet sich durch ein besonderes Gefühl für öffentliche Räume aus. Das Ergebnis ist ein zurückhaltender Piazza-Duktus, der Aufenthalt, Veranstaltungen und Alltagswege gleichermaßen ermöglicht und die Belastung durch Verkehr optisch und räumlich reduziert.
Der Alte Platz wirkt als Gegenstück aus der mittelalterlichen Phase. Der langgestreckte Markt bleibt durch Passagen, Höfe und schmale Durchgänge durchlässig. Die „italienische“ Note zeigt sich hier weniger in Monumenten als in der Praxis des Draußen-Seins: Loggien, schmale Vordächer, flexibel nutzbare Sitzgelegenheiten und kurze Wege zwischen Innen und Außen. Das unterstützt lebendige Erdgeschosse und sorgt über den Tag hinweg für kontinuierliche Frequenz.
Aus Sicht aktueller Stadtforschung lassen sich in Klagenfurts Zentrum mehrere Faktoren festhalten. Mit klaren Linien und offenen Zentren laden Klagenfurts Plätze zum Leben ein – vom bunten Markt bis zur großen Kundgebung.
Die Arkaden, Loggien und Brunnen sind keine Dekoration, sondern wirksame Elemente der Mikroklima- und Aufenthaltsqualität: Schatten, Wetterschutz, akustische Beruhigung. Qualität entsteht durch die Nutzung: Pflege, Möblierung, ruhige Erdgeschosszonen und offene Passagen halten die Räume alltagstauglich.
Exkurs: Italianità: Die Piazza und der Corso
Wenn eine Autorin/ein Autor Orte des italienischen Alltagslebens durchdekliniert, an denen immer so etwas wie Vergesellschaftung passiert, dann ist es nicht nur die Piazza und der Corso, auf dem man allabendlich zu mehreren promeniert, dann ist vor allem und immer wieder: „il bar“, wo jeder mehrfach pro Tag vorbeischaut, ein öffentlicher Raum, mit dem sie/er sich auseinandersetzen muss.
„Il bar“: ritualisierte Flüchtigkeit
"Die gewöhnliche italienische Bar ist auch und vor allem ein Ort für Passanten, die auf ihren Wegen innehalten, nicht nur, um sich am Tresen kurz aufzumuntern, sondern auch, um öffentlich präsent zu sein. Die Lage zeichnet sich durch das fließende Ineinander des Gehens und Stehens aus, wobei der Tresen zu einem Ort der plötzlichen Intimität wird, über Klassengrenzen hinweg. Sie entfaltet sich zwischen dem Barista, einem Menschen in erhabener Position und dem Dirigenten aller Bewegungen, und den Kunden, genauso aber zwischen den einzelnen Passanten, die hier einkehren. Die Kaffeemaschine ist innerhalb der vielen, sich gleichzeitig vollziehenden Handlungen innerhalb der Bar der dialektische Apparat, der das ganze Unternehmen zusammenhält: einerseits schwer, ortsfest, oft noch alt und dekoriert auf der Vorderseite, andererseits ein Generator von Beweglichkeit (weswegen es sinnlos ist, eine solche Maschine zu Hause zu betreiben)," zitiert Maike Albath den Autor Thomas Steinfeld auf Deutschlandfunk.de
Gestaltung der Innenstadt von morgen
Für die weitere Entwicklung ergeben sich konkrete Ansatzpunkte. Mehr verlässlicher Schatten an sommerlichen Tagen – durch Baumstandorte und reversible Beschattung – verbessert das Mikroklima ohne den Raumeindruck zu überladen. Bequeme, robuste bauliche Elemente im öffentlichen Raum, die sich zum Sitzen eignen, und punktuelle Ergänzungen der Möblierung stärken den Aufenthalt in Randzonen, ohne Sichtbeziehungen zu stören. Eine sorgfältige Pflege der Steinoberflächen, eine zurückhaltende Beschilderung und eine ruhige, hochwertige Gestaltung der Erdgeschosse verhindern visuelle Übersteuerung. Offene und gepflegte Passagen sichern die Durchlässigkeit zwischen Neuen Platz und Alten Platz und verteilen aktive Fortbewegung auf mehrere Routen.
Die Bilanz fällt eindeutig aus: Klagenfurts Zentrum profitiert messbar von seiner italienisch geprägten Formensprache. Die historischen Setzungen liefern klare, belastbare Strukturen; maßvolle zeitgenössische Eingriffe halten diese Qualität aktuell. Wer an Feinheiten wie Schatten, Sitzangebot, Pflege und Durchlässigkeit arbeitet, stärkt die Funktion des Stadtkerns – ohne seine Identität zu gefährden.
Literatur: Thomas Steinfeld: Italien. Porträt eines fremden Landes.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2020.
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