Auf einen Walzer beim Weigl in Wien-Meidling
Hildegard Nichterl erinnert sich an ihre Jugend in Sussex und ans Walzer-Tanzen.
MEIDLING. Als die Republik Österreich gegründet wurde, erblickte Hildegard Nichterl das Licht der Welt. Ihre Heimat war Rodaun, das damals noch in Niederösterreich war. "An der Grenze zu Liesing stand das Haus meiner Großeltern", erinnert sie sich an ihre Kindheit.
Dort ging sie dann auch in die Volksschule. Sie war so gut, dass die Lehrer die Eltern bedrängten, die kleine Hildegard in die Mittelschule zu schicken. Also hieß es für die Zehnjährige, alleine mit der Bahn nach Meidling zu fahren. "Um 7.01 Uhr fuhr die Bahn ab. Um viertel acht war ich dann viel zu früh in der Schule in der Rosasgasse", erzählt Nichterl.
Von Sussex zur Oswaldgasse
Bis in die Oberstufe schaffte sie es – und lernte am Nachmittag ganz Meidling kennen: In der schulfreien Zeit schlenderte sie durch die Gassen, bis der Zug wieder zurück nach Rodaun fuhr. Aber als ihre Eltern arbeitslos wurden, war mit einem Schlag Schulschluss für Nichterl. Um Geld zu verdienen, fuhr sie als Au-pair-Mädchen nach Sussex in England. "Eine ehemalige Schulfreundin lebte dort. Von ihr aus ging ich auf erfolgreiche Job-Suche", so die heute 100-Jährige.
"Dort blieb ich bis 1937, bis mir mein Freund geschrieben hat, dass ich nach Hause kommen soll", wo sie ein Kabinett in der Oswaldgasse bezog und Arbeit in der PSK fand.
Heirat und zwei Kinder
Ihren Ferdinand heiratete Nichterl am 29. März 1940. Ihr Mann musste wieder in den Krieg ziehen – und hatte Glück: Er wurde mit dem letzten Flieger aus Stalingrad heimgebracht.
Gemeinsam bezogen sie eine Wohnung in der Meidlinger Hauptstraße 60. "Die erste Schüssel, die ich für mein neues Heim gekauft hab, steht heute noch in der Kredenz." Während Ferdinand Arbeit in der Gemeinde fand, zog Hildegard Nichterl ihre Kinder Christine und Ferdinand groß. "Wir wohnten auf 53 Quadratmetern in einer feuchten Wohnung", erinnert sie sich.
Zurück nach Meidling
In den frühen 1950er-Jahren bekamen sie dann eine Gemeindewohnung in Rodaun. Dort blieb sie, bis sie wegen drohender Einsturzgefahr ausziehen musste. "Seitdem lebe ich wieder in Meidling", so die 100-Jährige, die sich im Schlosspark Fortuna sehr wohlfühlt.
Hier in der Nähe hat sie ihren Ferdinand kennengelernt, erzählt sie und schmunzelt ein wenig verschmitzt: "Beim Weigl, wo heute der Fiat ist, beim Schloss, da war ich mit meinem Mann zum ersten Mal tanzen. Vor allem den Walzer, den haben wir beide geliebt, da haben wir keinen Tanz ausgelassen", erinnert sich Hildegard Nichterl mit strahlenden Augen.
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