Ein Leben auf der Flucht
Die Zeitzeugin Susanne Bock flüchtete über Italien nach England.
MEIDLING. Ihren Lebensabend verbringt Susanne Bock im Seniorenwohnhaus Fortuna. Am Khleslplatz fühlt sich die 97-Jährige wohl und ist trotz Gehhilfe noch sehr umtriebig. So gründete sie mit ein paar Nachbarn eine englische Konversationsgruppe. Auch drei Bücher hat die Pensionistin schon geschrieben.
Zurzeit bekommt Bock auch von Schulen und Vereinen Anfragen, als Zeitzeugin von ihrem Leben zu berichten. Die 1920 in Wien geborene Susanne Bock ist nämlich Jüdin. Zu Hause waren etwa Essensvorschriften kein großes Thema für ihre Mutter und sie. So wurde sie 1938 völlig überrascht, als sie die Schule wechseln musste.
Getrennter Eingang
"Ich ging dann in die Vereinsgasse, denn dort gab es einen zweiten Eingang, sodass die jüdischen Schüler nicht mit den anderen durch ein Tor gehen mussten", erinnert sich die Meidlingerin. Immerhin schaffte sie es, die Matura zu absolvieren.
"Das Zeugnis hat dann aber ein Freund von mir abgeholt", denn alleine war es dem damals jungen Mädchen zu unsicher, noch einmal die Schule zu betreten. Gleich danach flüchtete sie nach Italien, wo sie als Kindermädchen arbeitete. Einen Job, den ihr Verwandte vermittelten. Da Bock weder Geld noch eine Wohnung hatte, musste sie auf der Couch im Wohnzimmer schlafen. Auch Schrank stand ihr keiner zur Verfügung.
In England in Sicherheit
Als der Faschismus in Italien immer mehr an Macht gewann, musste Susanne Bock wieder flüchten. "Nur durch Glück bekam ich einen Reisepass", erinnert sie sich heute. "Eine Frau, die ich nie zuvor gesehen hatte, half mir und so konnte ich das Land sicher verlassen und am Leben bleiben."
Diesmal ging es nach England – nur mit einem Koffer in der Hand. Auf der Insel war sie nun endlich in Sicherheit. Erst wurde sie zur Krankenschwester ausgebildet, dann übernahm sie auch andere Jobs – alles, was anfiel und frei war.
22 Umzüge in fünfeinhalb Jahren
Fünfeinhalb Jahre verbrachte Susanne Bock in England, wobei sie 22 Mal den Wohnsitz wechseln musste und sechs verschiedene Arbeitsstellen annahm. "Am glücklichsten war ich als Übersetzerin", erinnert sich Bock. Nach Wien gekommen ist die Meidlingerin 1945. In ihrer Pension hat sie ihre Geschichte niedergeschrieben – und erzählt vor Schulklassen über ihr Leben.
Zur Sache
Das Buch "Heimgekehrt und fremdgeblieben" von Susanne Bock ist im Vier-Viertel-Verlag erschienen und kostet 19,90 Euro. Die "Geschichte einer Integration" erschien in my morawa um 20,50 Euro. Infos und Bestellung unter susanne.bock@gmx.at
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
1 Kommentar
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.