Leserbrief
Gleiche Chance für alle Kinder
Sehr geehrte Frau Ecker,
Vielen Dank für Ihren Artikel vom 27.3.2019
Ich habe 3 Kinder vom Kindergarten bis zur NMS. Auch ich bin sehr desillusioniert von unserem Schulsystem. Als sich bei einem meiner Kinder herausgestellt hatte dass er autistisch ist habe ich erst so richtig die Reformunwilligkeit im System erkannt.
"SPF? Dann kann euer Kind aber nicht an unserer Schule bleiben. Wir schaffen das bestimmt auch ohne SPF! Haben wir schon öfter geschafft,“ meinte die Direktorin bei unserem Gespräch.
Die Schule wechseln? Für ein autistisches Kind wäre genau das eine Katastrophe. Inklusion kann aber erst stattfinden, wenn es mehrere Kinder mit Förderbedarf gibt. Die bekommt man natürlich nicht zusammen bei knapp 30 Kindern pro Jahrgang.
Also „wurschteln“ wir uns durch. Mit dem Attest in der Hand gab es plötzlich etwas mehr Verständnis und eine Gesprächsbasis mit der Klassenlehrerin. Davor waren wir Eltern einfach nur „schuld“. Eine Beratungslehrerin kümmert sich erst jetzt, 1,5 Jahre nach der Diagnose, um uns, weil unser Sohn Tendenzen zeigt zum Schulverweigerer zu werden. Jeder Morgen ist ungewiss ob er denn zur Schule gehen wird.
Ich habe mir den Kopf zermartert wie man denn Kindern, wie das unsere, aber auch Kinder mit besonderen Begabungen fördern könnte. Ich fragte mal vorsichtig nach wie unsere Direktorin denn zur Mehrstufenklasse und zu reformpädagogischen Konzepten stehen würde. Schließlich ginge es sich dann auch aus genügend Kinder mit speziellem Förderbedarf in einem Klassenverband zu haben. Als Zusatzangebot zum klassischen Schulsystem. Die Altershomogenen Klassen könnten ja weiter bestehen bleiben. „Das wollen die Eltern nicht,“ war die Antwort.
Ich kann diese Aussage wirklich nicht nachvollziehen. Denn es gibt Kinder - nicht wenige - die jeden Tag Schulwege mit dem Auto zu entfernten Privatschulen oder auch zu Sonderschulen aufnehmen. Es gibt Kinder, die müssen den Klassenverband verlassen, weil sie zurückgestuft werden. Es gibt Kinder, die in einzelnen Bereichen einfach unterfordert sind, deren Talente nicht gefördert werden, weil sie nicht in das starre, altershomogene Konzept passen. Eltern wollen also nicht dass ihre Kinder bestmöglich gefördert werden? Das kann ich nicht glauben. Ausserdem ist unser Ort überschaubar, ich kenne sehr viele Eltern, ihre Einstellung und ihre Sorgen.
„Ausserdem bekommen wir dann keine Parallelklassen zusammen“ Aaaah, daher weht der Wind! Das glaube ich natürlich schon eher. Unser Ort wächst. Die Chancen stehen gut dass es in Zukunft pro Jahrgang mehr als eine Klasse geben wird. Also 2 Kleine, statt eines großen Klassenverbandes, auch wenn wir gar nicht genügend Platz für theoretisch 8 Klassen plus Nebenräume haben.
„Wir“ wollen also keine Mehrstufenklassen haben, weil es 2 Klassen pro Jahrgang geben soll. Steht hier der Posten- über dem Kostenfaktor? Durch Mehrstufenklassen würden zwar Ressourcen gespart, bzw effektiver eingesetzt werden. Aber wer will das schon?
Aktuell bin ich auf der Suche nach einem geeigneten Schulplatz, bevorzugt Montessori, für unseren jüngsten Sohn. Mittlerweile hat es sich eigentlich als aussichtslos herausgestellt. Ausser wir wollen extrem hohes Schulgeld und einen Schulweg von durchschnittlich 45 Minuten pro Strecke auf uns nehmen. Also gut möglich dass uns nichts anderes übrig bleibt als dass auch der Jüngste dieses verstaubte Schulsystem durchlaufen muss.
Wir würden uns freuen auch von Herrn Tutschek Antwort auf folgende Frage bekommen zu können: Liegt es am System in Niederösterreich oder am Unwillen der einzelnen Direktoren dass es kaum Mehrstufenklassen und reformpädagogische Konzepte an unseren Regelschulen gibt? Welche Möglichkeiten gibt es hier Veränderung zu erreichen?
Antwort von Josef Tutschek
Josef Tuschek: "Vor Schuleintritt, gab es da ein Nahtstellengespräch im Kindergarten mit der/dem SchulinspektorIn, SchulleiterIn, KindergartenleiterIn,…Eltern? Eine Bildungsplanung für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf? Fragen zB: In welche Schule soll das Kind gehen? Was braucht die Schule? Experten? Vorerhebungen, Diagnosen, Befunde, Psychologie, BeratungslehrerIn, SPZ,… pädagogische Ansätze,… und zwar zumindest ½ - 1 Jahr vor der Einschulung, besser noch früher! Ich spreche da von Kindern mit klar vorauszusehendem sonderpädagogischem Förderbedarf und nicht von Kindern mit ev. Entwicklungsverzögerungen!!!
Ja, es liegt am Schulsystem, besonders in NÖ sind sehr starke restaurative Bildungskräfte unterwegs, die reformpädagogische Ansätze nur bedingt zulassen. Hier lässt sich wieder meine Aussage: „In Österreich, Niederösterreich,… gibt es keine Bildungspolitik, sondern nur Personalpolitik!“
Der NÖ-Bildungsdirektor Mag. Heuras kommt aus dem „Höheren Schulbereich“, hat also keine Ausbildung/Erfahrung,… für Volksschulen, Mittelschulen, Polytechnische Lehrgänge,…, was kann/will der an reformpädagogischen Überlegungen umsetzen, nebstbei wird sein Interesse daran sehr überschaubar sein!
Schulversuche werden grundsätzlich von der Schule/Schulleiter/in beantragt, der Landesschulrat und das Bundesministerium genehmigen diese oder nicht. Ein Faktor ist immer wieder die Kostenneutralität(Heißt, dass der Schulversuch nicht mehr kosten darf als das Regelschulsystem.) Mehrstufenklassen müssen über den Schulversuchsantrag laufen.
Trifft man auf eine „gestandene“, „pädagogische“ Schulleitung, mit Gestaltungswillen, die die LehrerInnen und die Eltern(wobei diese sich zumeist nach den Wünschen und Bedürfnissen der Pädagogen richten und sind zumeist nicht wirklich ein Problem/Hindernis) über diese neue Konzeption überzeugen kann, dann werden innovative Ideen auch umgesetzt.
In der Volksschule Ma. Enzersdorf/Südstadt hatten wir eine Mehrstufenklasse mit zwei LehrerInnen, weiß nicht, ob dies auch heute noch so ist!?
Persönlich hatte ich die Mehrstufenklasse in Bonn/Deutschland als „Familienklasse“ kennengelernt, in dieser Grund(Volks)schule gab es ausschließlich Mehrstufenklassen, ein hervorragendes pädagogisches Konzept!"
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