Aufarbeitung der NS-Zeit
Projekt "Verschwundene Guntramsdorfer"

v.l.n.r.: Vizebürgermeister Niki Brenner, Thomas Schwarz, Bürgermeister Robert Weber und Jürgen Gangoly, Obmann KZ-Gedenkverein Guntramsdorf/Wr. Neudorf | Foto: MG Guntramsdorf
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  • v.l.n.r.: Vizebürgermeister Niki Brenner, Thomas Schwarz, Bürgermeister Robert Weber und Jürgen Gangoly, Obmann KZ-Gedenkverein Guntramsdorf/Wr. Neudorf
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Das Forschungsprojekt „Verschwundene Guntramsdorfer:innen“ berichtet 85 Jahre nach dem „Anschlussjahr“ 1938 über das bedrückende Schicksal von 62 NS-Opfern aus Guntramsdorfer Familien – und regt damit eine Diskussion und öffentliches Gedenken an.

BEZIRK MÖDLING. Der sogenannte „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 und die damit verbundene Machtübernahme der Nationalsozialisten war nicht nur einer der ersten Schritte in Richtung der Katastrophe des 2. Weltkrieges, der bis 1945 Millionen Menschenleben kostete. Der Nationalsozialismus brachte auch Jahre des NS-Staatsterrors im eigenen Land, der sich bis in kleinste Gemeinden und direkt auf die Zivilbevölkerung auswirkte. Allzu oft wurde der Terror der NSDAP von der lokalen Bevölkerung und Wirtschaft unterstützt oder überhaupt erst ermöglicht. Die jüdische Bevölkerung, politisch Andersdenkende, Volksgruppen wie die Roma und Sinti, Homosexuelle, Kinder und Jugendliche und viele Menschen mehr, die häufig einfach als „Asoziale“ bezeichnet wurden, wurde zu Opfern der Nationalsozialisten. Von einem Tag auf den anderen „verschwanden“ zwischen 1938 und 1945 einfach Mitbürger, Kindern aus den Schulen und Geschäftsleute aus ihren Häusern und Betrieben. Sie wurden vertrieben, deportiert, enteignet, verschleppt, ermordet.

Gedenkveranstaltung

Dass dies in erschreckend großer Anzahl auch in Guntramsdorf so war, belegen nun aktuelle Forschungsergebnisse, die im Rahmen einer großen Gedenk- und Kulturveranstaltung erstmals öffentlich präsentiert wurden. Das Interesse der Bevölkerung und der Politik aus Guntramsdorf und seinen Nachbargemeinden war enorm, als der Historiker und Politikwissenschafter Thomas Schwarz im ausreservierten Guntramsdorfer Musikheim erstmals Ergebnisse seiner mehr zweijährigen Recherchen in In- und Ausland vorstellte.

Die schockierenden Schicksale von 62 nunmehr namentlich bekannten NS-Opfern aus Guntramsdorfer Familien konnten recherchiert und mit Originaldokumenten belegt werden: 33 jüdische Opfer, 15 Opfer politischer Verfolgung, 13 Opfer der Euthanasie und Zwangssterilisierung und ein Opfer der Bevölkerungsgruppe der Roma und Sinti sowie deren letzte Wohnadressen in Guntramsdorf sind nun erstmals im Detail bekannt.

Große Verzweiflung

Die Schauspieler und Musiker Andrea und Franz Froschauer trugen auf der Bühne des Musikheims wörtlich aus den in Archiven in Österreich und Deutschland gefundenen NS-Originaldokumenten vor und umrahmten diese gefühlvoll musikalisch. Darunter waren herzzerreißende Briefe einer verzweifelten Mutter aus Guntramsdorf, deren Tochter – u. a. nach „Hinweisen“ aus der örtlichen Schule – wegen „Wandertrieb“ in die „Jugendfürsorgeanstalt Spiegelgrund“ nach Wien verschleppt wurde und dort durch eine Überdosis Schlafmittel „zu Tode kam“. Der Arzt und Direktor der Anstalt, Ernst Illing, schickte der Mutter dazu einen Brief nach Guntramsdorf: „Das Kind wäre im Leben sicher niemals ein brauchbarer Mensch geworden … Nehmen Sie dieses zum Trost, dass es für das Kind sicher besser war, durch einen sanften Tod erlöst zu werden.“ Beim Publikum im Saal herrschte Entsetzen und Stille.

Auch Briefe damals angesehener Guntramsdorfer Geschäftsleute wurden wortwörtlich und ungeschönt auf der Bühnen verlesen. Diese sicherten etwa den Nationalsozialisten wortreich „einen gut Teil“ Unterstützung bei der „baldigen Entfernung der Juden aus unserem Kreise“ zu, um selbst vom Haus und von der Vertreibung der jüdischen Familie Lichtblau wirtschaftlich profitieren zu können. Aber auch politischen Widerstand gegen die Nazis gab es im Ort. Dieser wiederum brachte Guntramsdorferinnnen und Guntramsdorfer, die von ihren eigenen Mitbürgern als „Kommunisten“ bezichtigt wurden, ins Gefängnis, ins Konzentrationslager Dachau und in andere Todeslager.

Das vom KZ-Gedenkverein Guntramsdorf / Wiener Neudorf – im Ort gab es zwischen 1943 und 1945 auch ein Außenlager des KZ Mauthausen, dessen Gedenkstätte der Verein seit Jahren betreut – in Zusammenarbeit mit der Marktgemeinde Guntramsdorf organisierte Projekt deckte, offensichtlich lange überfällig, nicht nur bislang weitgehend verschwiegene und unbekannte Seiten der Guntramsdorfer Ortsgeschichte auf, es liefert auch die historischen Fakten, um den zivilen NS-Opfern aus dem Ort in Zukunft würdig Gedenken zu können.

Der Guntramsdorfer Bürgermeister Robert Weber zeigte sich im Rahmen der Veranstaltung betroffen von den Forschungsergebnissen und den persönlichen Schicksalen der NS-Opfer aus Guntramsdorf. Weber dankte Projektleiter Thomas Schwarz und dem Obmann des KZ-Gedenkvereins, Jürgen Gangoly, für das für den gesamten Ort bedeutende Projekt und sagte gleichzeitig Unterstützung für weitere Projektschritte zu. Angedacht ist laut Gangoly unter anderem die Verlegung von Gedenksteinen an den ehemaligen Wohnadressen der Guntramsdorfer Opfer des Nationalsozialismus und die Publikation und Aufbereitung der Originaldokumente für die Guntramsdorfer Bevölkerung und für Schulen und andere Bildungseinrichtungen.

Unter den beinahe 200 Gästen der Veranstaltung waren Vertreter fast aller Guntramsdorfer Gemeinderatsfraktionen, Vertreter des Mauthausen Komitee Österreich, des Vereines „Zeitgeschichte Mödling“ und auch zahlreiche aktive und ehemalige Bürgermeister, Vizebürgermeister und Gemeinderäte der Nachbargemeinden, u. a. aus Mödling (Alt-Bürgermeister Werner Burg, Vize-Bgm. a. D. Gerhard Wannenmacher), Traiskirchen, Wiener Neudorf, Gumpoldskirchen und Laxenburg, von denen mehrere im Rahmen der abschließenden Diskussion, dem Guntramsdorfer Beispiel folgend, Interesse an der Umsetzung ähnlicher Projekte in ihren Gemeinden bekundeten.

Projektleiter Thomas Schwarz sicherte diesen Initiativen Unterstützung und die Weitergabe seiner Erfahrungen aus dem Projekt „Verschwundene Guntramsdorfer:innen“ zu. Gleichzeitig lud er die Anwesenden und die gesamten Bevölkerung dazu ein, sich weiter zu melden, falls sie über noch nicht bekannte Informationen und Dokumente über NS-Opfer aus Guntramsdorf verfügen.

Weitere Infos und Kontakt: www.gedenkverein.at, schwarz@gedenkverein.at

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