Kirche: Kampf um Schäfchen
Austrittswelle zwingt zum Handeln • Schönborn arbeitet an Masterplan
Über 600 Gläubige kehrten 2010 der Kirche in Ottakring den Rücken. Die Erzdiözese Wien will jetzt mit Aktionen gegensteuern. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Pfarrer gelegt.
(bar/sp). 15.853 Austritte musste die katholische Kirche in Wien 2010 verkraften. Damit erreichte der Trend zur Abkehr vom römischen Papsttum einen absoluten Höhepunkt.
Besonders austrittsfreudig zeigten sich dabei die inneren Bezirke, doch auch außerhalb des Gürtels war die Austrittswelle enorm.
Pfarrer als Schlüssel
„Gerade die jungen, urbanen Schichten stehen der Kirche oft kritisch gegenüber“, erklärt Erich Leitenberger von der Erzdiözese Wien. Ein Trend, dem man nun verstärkt etwas entgegenhalten möchte: „Wir arbeiten derzeit an einem Bündel von Maßnahmen, um den Wiedereintritt zu fördern“, so Leitenberger. Den einzelnen Pfarren in den Bezirken kommt dabei eine Schlüsselstellung zu: „Hier gibt es schon sehr kreative Ansätze, die man weiter ausbauen muss“, meint Leitenberger. Als Beispiel nennt er etwa die Aktion „Liebesbriefe von Gott“, die auch heuer wieder am Valetinstag stattfinden wird. Dabei werden Bibelstellen in Form eines Liebesbriefs an Passanten verteilt.
Auch finanziell bedeutet die Austrittswelle einen Verlust für die Erzdiözese Wien. 2010 flossen durch Kirchenbeiträge 92,4 Mio. Euro in die Kassen, um 1,1 Prozent weniger als im Jahr davor.
Frage nach Austrittsgrund
Mit 87 Kirchenaustritten bilanziert die Sandleitner Pfarrgemeinde St. Josef das Jahr 2010, das sind deutlich mehr als im Jahr davor. Nun setzt die Pfarre vor allem auf persönliche Beziehungen. Pfarrer Marcel Lootens: „Der ‚Urgrund‘ der Austritte liegt im fehlenden Bezug zur Kirche
– das Fernbleiben jener Personen, die sich ohnehin nicht aktiv in der Gemeinde betätigten, ist in den Gottesdiensten nicht spürbar.“ Dennoch: Kehrt ein Schäfchen seiner Pfarre den Rücken, nutzt der Pfarrer den Briefweg, um die Ursachen zu erfragen. Den Vorschlag der Diözese Wien, gerade im Hinblick auf die Austrittswelle aktiv auf die Menschen zuzugehen, setzt die Pfarre um und bemüht sich um eine umfassende Betreuung. So wird versucht, das Interesse der Menschen durch diverse Angebote zu wecken, sie einzuladen anstatt sie zwanghaft an die Kirche zu binden. „Wenn es ihnen gefällt, dann bleiben sie“, zeigt sich Pastoralassistentin Franziska Seiser optimistisch.
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