VHS Ottakring: Diskussion übers Baugewerbe
In Ottakring und ganz Wien wird viel gebaut. Aber unter welchen Bedingungen hackeln die Arbeiter?
OTTAKRING. Um die Eingangsfrage zu beantworten: unter zunehmend schlechten. Das ist das Fazit einer Veranstaltung vergangene Woche in der Volkshochschule Ottakring. Geladen hatten dazu die Gewerkschaft Bau-Holz und die Anlaufstelle UNDOK. Letztere versucht, die Interessen undokumentiert in Österreich arbeitender Menschen zu vertreten.
"Wir haben es mit kriminellen Netzwerken zu tun, denen kaum noch beizukommen ist", so Christian Sams, Betriebsratsvorsitzender des Baukonzerns HAZET. "Alles wird an Subunternehmen ausgelagert. An diese komme ich als Betriebsrat kaum heran. Besonders schlimm ist die Situation auf den Baustellen für die zahlreichen Neubauten in Wien." Dabei sehe auf dem Papier oft alles in Ordnung aus. "Auf dem Papier werden die ausländischen Kollegen ordentlich bezahlt. Aber an der Grenze zu ihrem Heimatland werden sie dann abgefangen. Dort werden ihnen drei Viertel ihres Lohns wieder abgenommen", so Sams.
Ein weiteres Problem: Die Finanzpolizei kommt bei den Kontrollen nicht nach. Sie soll kontrollieren, ob in einem Betrieb alle Mitarbeiter ordentlich sozialversichert sind. Aber: "In Wien gibt es nur fünf bis sieben Finanzpolizisten, die alle Branchen abdecken müssen", so Sams. In ganz Österreich gibt es 500 zuständige Finanzpolizisten. Die Arbeiterkammer fordert eine Aufstockung auf 1.000. Die neue Bundesregierung hat jedoch gegenteilige Pläne: Sie möchte bei der Finanzpolizei einsparen und ihr gleichzeitig zusätzliche Aufgaben aufbürden. Die Gewerkschaften kritisieren das scharf. "Die Regierung hilft den Konzernen, die Lohndumping betreiben", war bei der Veranstaltung von vielen Besuchern und Referenten zu hören.
Außerdem sollen künftig auch Mitarbeiter eines Betriebs verklagt werden können, wenn ihr Unternehmen sie nicht korrekt versichert und angemeldet hat. "Viele Betroffene wenden sich erst an uns, wenn wirklich der Hut brennt", sagt Marica Guldimann von der UNDOK-Anlaufstelle.
Gemeinsam wehren
Manchmal wehren sich die Betroffenen gemeinsam. Dabei werden sie von Initiativen wie den "Sezonieri" unterstützt. Sie unterstützen Erntehelfer dabei, den Lohn zu bekommen, der ihnen zusteht. "In Tirol hat eine Gruppe von Erntehelfern sich vor einigen Jahren zusammengetan und sich gegen die Arbeitsbedingungen bei einem Bauern gewehrt. Es gab Proteste", erzählt "Sezonieri"-Vertreterin Lisa Bolyos. "Der Kampf war erfolgreich. Leider haben die Kollegen danach aber nie wieder eine Anstellung als Erntehelfer gefunden. Das ist auch ein großes Problem."
Egal ob ein Arbeitnehmer mit oder ohne Papiere in Österreich arbeitet: Sozialversicherungsgesetze, Arbeitsrecht und kollektivvertragliche Mindeststandards gelten für alle. Die Informationsstelle UNDOK ist telefonisch unter 01/534 443 90 40 erreichbar.
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